• 25.01.2002 19:18

Juan-Pablo Montoya: Auf der Fährte von Schumacher

Er eroberte die F3000, die CART-Serie und Indy, jetzt ist Montoya kurz davor, sich auch in der F1 als Siegfahrer zu etablieren

(Motorsport-Total.com) - Als Meister der amerikanischen CART-Serie 1999 und Sieger der legendären 500 Meilen von Indianapolis 2000 wurde Juan Pablo Montoya bei seinem Formel-1-Debüt hoch gehandelt. Und er enttäuschte nicht. Schon seit seinem ersten Test für WilliamsF1 im Jahr 1997 war das Team überzeugt, dass der Kolumbianer seinen Instinkt für Zweikämpfe und sein Talent der Fahrzeugbeherrschung auch in der Formel 1 beweisen würde. Die Frage war nur: Wie lange würde er brauchen, um sich mit den Anforderungen der Formel 1 zurechtzufinden?

Titel-Bild zur News: Juan-Pablo Montoya

Juan-Pablo Montoya will 2002 aus dem Schatten von Ralf Schumacher treten

Eine erste Antwort brachte das dritte Rennen der Saison 2001: Juan kämpfte sich in Interlagos mit seinem FW23 in einem viel beachteten Manöver an Michael Schumacher vorbei und nahm damit bereits Kurs auf seinen ersten F1-Sieg. Nach Podiumsplätzen in Barcelona und auf dem Nürburgring war er in Hockenheim erneut auf Siegeskurs, musste sich aber letztlich bis Monza gedulden, ehe er sich in die Liste der Grand-Prix-Sieger eintragen konnte. Zum Saisonende unterstrichen seine Leistungen, dass sein Erfolg in Italien kein Zufall war. Juan Pablo hätte 14 Tage später in Indianapolis fast schon wieder gewonnen.

Die blanken Rennergebnisse legen nicht seine gesamte Entwicklung offen. Eine steile Lernkurve im Qualifying mündete in Hockenheim in die erste von drei Polepositions, die er in seiner Debütsaison erzielte. Damit hatte er bewiesen, dass er auch ein Formel-1-Auto auf seinen spektakulären Fahrstil abstimmen kann. Seine teilweise brillanten Leistungen haben Montoya für manchen zum Geheimtipp im Titelkampf der Saison 2002 gemacht.

Seit 1966 hatte kein Neuling mehr in Indy gewonnen

Die Geschichte vor seinem starken Formel-1-Entrée ist nicht weniger eindrucksvoll. Im Mai 2000 wurde Juan Pablo der erste siegreiche Indianapolis-Neuling seit 1966, damals hatte Graham Hill das 500-Meilen-Rennen auf dem berühmten Oval gewonnen.

Montoya siegte souverän auf dem Brickyard. Er dominierte das Rennen mit den meisten und bei weitem schnellsten Führungsrunden. Nach dem Zieleinlauf und dem obligatorischen Glas Milch für den Sieger streute er mit lockeren Sprüchen Salz in die Wunden seiner Gegner: "Ich hatte eine Menge Spaß heute, habe mit meinem Teamchef Chip Ganassi über Funk Witze gemacht. Ich bin nie ein Risiko eingegangen, dieses Rennen nicht zu gewinnen."

Mit dem gleichen Team und in der gleichen überfallartigen Manier hatte sich Montoya 1999 in der Champ-Car-Serie zum Meister gekrönt. Mit sieben Siegen und zwei weiteren Platzierungen unter den ersten Drei wurde er der beste Rookie, den die Serie je gesehen hatte und egalisierte außerdem
Nigel Mansells Rekord von sieben Polepositions. Und der Brite war 1993 zwar Neuling in der amerikanischen Königklasse, aber bereits mit 13 Jahren Formel-1-Erfahrung ausgestattet.

Rennbegeisterte Verwandtschaft

Juan Pablos Ausbildung zum Lenkradkünstler begann klassisch im Kartsport ? im Alter von fünf Jahren in Kolumbien. Onkel Diego hatte das Handwerk in die Familie eingeschleppt, Höhepunkt dessen Karriere war Platz acht 1983 in Le Mans. Die Familie ist für Juan bis heute Dreh- und Angelpunkt. Sein Vater Pablo, Architekt aus Bogota, unterstützte die Ambitionen seines Sohnes von der ersten Runde an und ist auch in der Formel-1-Box meist an seiner Seite.

Juan Pablo, der am 20. September 1975 in Bogota geboren wurde, sammelte bis 1992 fleißig Karterfolge und -titel. Es folgten Einsätze in verschiedenen Formel- und sogar Tourenwagenklassen in Südamerika, dann wurde die Karriere in Europa fortgesetzt.

1995 bestritt er sein erstes Formelrennen in Europa und beendete die Saison als Dritter der britischen Formel-Vauxhall-Meisterschaft. 1996 fiel er in der britischen Formel 3 mit zwei Siegen auf sowie mit einem vierten Platz bei der inoffiziellen Europameisterschaft der Formel 3 im holländischen Zandvoort. So empfahl er sich für die internationale Formel 3000.

Als er dort 1997 auf Anhieb Zweiter wurde, lud Frank Williams ihn zusammen mit drei anderen Fahrern zum Formel-1-Test ein. Juan Pablo ließ keinen Zweifel an seinen Fähigkeiten. WilliamsF1 sorgte in Zusammenarbeit mit Super Nova Racing dafür, dass er 1998 einen Platz in der Formel-3000-Meisterschaft bekam und engagierte ihn außerdem als Formel-1-Testfahrer.

F1-Testfahrer und F3000-Meister 1998

Ende 1998 hatte er den F3000-Titel in der Tasche und Rekorde bei der Anzahl von Saisonsiegen und Punkten aufgestellt. Als Jacques Villeneuve für die Saison 1999 zu British American Racing wechselte, suchte WilliamsF1 dringend einen zweiten Fahrer neben Alessandro Zanardi. Patrick Head erklärt: "Wir standen plötzlich mit Alex Zanardi und sonst niemandem da. Juan Pablo war als Testfahrer offensichtlich sehr talentiert. Aber als Frank und ich die Möglichkeiten diskutiert haben, erschien es uns ein zu großer Schritt, 1999 neben Alex, der gerade aus Amerika zurückkam und keine aktuellen Erfahrungen mit der F1 und den F1-Reifen hatte, einen Rookie ins Team zu nehmen. Wir waren uns einig, dass wir einen Piloten mit frischer F1-Erfahrung brauchten. Von Ralf oder seinem Management erfuhren wir, dass er zur Verfügung stünde, und so haben wir ihn genommen."

So fuhr Juan Pablo die nächsten zwei Jahre wieder auf der anderen Seite des Atlantiks Autorennen ? mit enormem Erfolg, allerdings auch mit einem klaren Ziel vor Augen: Er wollte in die Formel 1.

Juan Pablo hat sich im US-Sport sofort zurechtgefunden. Dass er sich die Ideallinien neuer Rennstrecken schnell einprägen kann, ist eine erklärte Stärke von ihm. "Er ist ein absolutes Naturtalent", sagte Mo Nunn, sein damaliger Renningenieur bei Chip Ganassi Racing in den USA. Damit bestätigte er das Urteil von Frank Williams und David Sears, dem F3000-Teamchef und Manager.

Juan Pablos Leistungen in der Saison 2001 haben international Anerkennung geerntet. Fernab der Rennstrecken wurde er von den Vereinten Nationen für seine Verdienste als "Goodwill-Botschafter" für seine Heimatstadt Bogota mit einer Medaille ausgezeichnet. Weitere UN Goodwill-Botschafter sind beispielsweise die Boxlegende Muhammad Ali, Fußballstar Ronaldo, die Schauspieler Michael Douglas und Danny Glover sowie das Ex-Spice-Girl Geri Halliwell.

Doch derlei Ehren und Belohnungen für vergangene Leistungen trüben keinesfalls Montoyas klaren Blick dafür, dass in der Saison 2002 absolute Spitzenleistungen von ihm erwartet werden.

Fragen an Juan Pablo Montoya

Frage: "Was war das für ein Gefühl, von den Vereinten Nationen Seite an Seite mit Muhammad Ali und Ronaldo geehrt zu werden?"
Montoya: "Es ist natürlich verblüffend, auf die gleiche Weise wahrgenommen zu werden wie diese Sportlegenden, aber das Entscheidende ist für mich das, was hinter dieser Ehrung steht. Wenn sie Aufmerksamkeit auf die Probleme in Bogota lenkt und dies in irgendeiner Weise hilft, dann habe ich einer sehr wichtigen Sache gedient."

Frage: "Sie sind bekannt dafür, dass Sie Spaß an Computerspielen haben. Wie gut sind Sie?
Montoya: "Na ja, ich möchte schon gerne glauben, dass ich ziemlich geschickt bin."
Bin ich bestimmt! Vor allem aber bin ich permanent beeindruckt von den Details und der Perfektion der neuesten Generation Computerspiele, und sie können auch als Koordinationstraining nützlich sein. Das ist jedenfalls meine Entschuldigung für das Spielen."

Frage: "War der Sieg in Monza 2001 ein Meilenstein für Sie?"
Montoya: "Er war aus verschiedenen Gründen sehr wichtig. Ich war zuvor bei ein paar Gelegenheiten schon dicht dran gewesen und konnte in Monza beweisen, dass ich es auch schaffen kann. So kann ich mit neuen Prioritäten in die Saison 2002 starten, und die Medien müssen sich auch nicht dauernd damit befassen, wann ich denn nun mein erstes Rennen gewinne."

Frage: "War es schwieriger, den ersten Sieg in der F1 zu erringen als in der CART-Serie?"
Montoya: "Das ist nicht so einfach zu vergleichen, weil verschiedene Faktoren eine Rolle gespielt haben, nicht zuletzt der Stand meiner Formelerfahrung insgesamt. Aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass sich der erste Formel-1-Sieg als der größere Erfolg angefühlt hat."