• 25.01.2002 18:09

Dr. Mario Theissen: Portrait und Interview

Der Motorsportdirektor von BMW spricht über die Entwicklung der Formel-1-Motoren und was er gerne in der Freizeit treibt

(Motorsport-Total.com) - Mario Theissen wurde am 17. August 1952 in Monschau (DEU) geboren. Er ist verheiratet mit Ulrike, Vater von einem Sohn (Pascal, 19 Jahre) und zwei Töchtern, Isabel (17) und Janina (14). Die Familie lebt in München.

Titel-Bild zur News: Dr. Mario Theissen

Dr. Mario Theissen ist bereits seit 15 Jahren Motorbauer bei BMW

Das technische Interesse am Motorenbau und die berufliche wie private Begeisterung für den Motorsport begleiteten Mario Theissen schon durch sein Maschinenbau-Studium (1971 bis 1977) an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen.

Im Juni 1977, sofort nach seinem Abschluss als Diplom-Ingenieur, nahm er seine erste Tätigkeit bei BMW im Bereich der Motorenberechnung auf. In den folgenden Jahren nahm er in der BMW Motorenentwicklung verschiedene Aufgaben wahr, 1989 promovierte er an der Ruhr-Universität in Bochum zum Dr.-Ing. 1991 wurde er Leiter Produktkonzepte der BMW AG, ein Jahr später Leiter Vorentwicklung Antrieb. Ab 1994 fungierte er als Geschäftsführer der BMW Technik GmbH.

Im Juni/Juli 1997 absolvierte er eine Management-Ausbildung an der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh, Pennsylvania, USA. 1998 übernahm er neben der Leitung der Technik GmbH den Aufbau des BMW Technology Office in Palo Alto, Kalifornien.

Die Motorsport-Szene im Allgemeinen und die BMW Engagements im Speziellen hatte er seit seinen beruflichen Anfängen in der BMW Motorenentwicklung verfolgt. Im April 1999 wurde der Sport seine neue Aufgabe: Mario Theissen übernahm an der Seite von Gerhard Berger die Führung des BMW Motorsports, ihm obliegt die Leitung aller Technikfunktionen.

Mario Theissen blickt bei BMW auf eine 25-jährige Unternehmenszugehörigkeit zurück, von der er 15 Jahre in der Motorenentwicklung tätig war.

Fragen an Dr. Mario Theissen

Frage: "Im Rahmen der Kostendiskussion kam die Idee auf, die Anzahl der pro GP-Wochenende verwendeten Motoren auf zwei pro Auto zu begrenzen. Was halten Sie davon?
Theissen: "Heutiger Standard ist ein Motor pro Tag. Müsste man mit dem selben Triebwerk Qualifying und Rennen fahren, würde das natürlich die Laufleistung erhöhen und wäre bei der Auslegung zu berücksichtigen. Grundsätzlich stehen wir der Idee positiv gegenüber. Sie würde die Zahl der benötigten Motoren reduzieren. Vor allem aber würden dadurch Bau und Entwicklung spezieller Qualifikationsmotoren unterbunden, was den Aufwand nochmals erhöhen würde, ohne einen erkennbaren Nutzen für den Sport zu haben."

Frage: "Welche Synergien zwischen dem Formel-1-Projekt und dem übrigen Unternehmen BMW haben für Sie die größte Bedeutung?"
Theissen: "Für BMW war der Know-how-Fluss zwischen Motorsport und Serie immer eine Selbstverständlichkeit. Entsprechend lautete auch eine Vorgabe des Vorstands für unser F1-Projekt, was zur engen Anbindung des Teams an das BMW Forschungs- und Innovationszentrum in München führte. Für den schnellen Aufbau war entscheidend, dass wir von der Kompetenz im Unternehmen profitieren konnten. So entsteht die Motorsteuerung des F1-Motors komplett bei BMW, Hardware und Software, Entwicklung und Fertigung. Verantwortlich zeichnet dafür das Team, das vorher die M3 und M5 Elektronik entwickelt hat. Schon heute aber fließt ebenso massiv F1-Know-how in die Serie zurück. Natürlich kann man kein Bauteil unverändert aus einem F1-Motor in die Serie übernehmen, dazu sind Anforderungen und Auslegung viel zu unterschiedlich. Wir übertragen nicht Technik, sondern Technologie. Wir haben eine eigene F1-Gießerei gebaut und eine F1-Teilefertigung. Beide Fabriken werden von den Teams betrieben, die auch die Serienteile gießen und bearbeiten. Diese Abteilungen verfügen damit über ein Technologielabor, in dem sie im Zeitraffer mit künftigen Guss- und Fertigungstechnologien vertraut werden und gleichzeitig den extremen F1-Anforderungen an Geschwindigkeit, Flexibilität und Präzision gerecht werden müssen. Schon jetzt ist erkennbar, wie stark dieses Know-how die nächste Generation von BMW Serienmotoren prägen wird."

Frage: "Wie viele Motorschäden gestehen Sie dem P82 in den 17 Grands Prix der Saison 2002 zu?"
Theissen: "Führen wir nur auf Ankommen und Punkten, könnten wir mit einem konservativen Motor Schäden weitgehend ausschließen. Wir wollen aber an der Spitze mitkämpfen, und dazu werden wir uns mit dem P82 nochmals näher an das Limit herantasten als mit dem P80 in 2001. Das geht nur mit der Erfahrung der ersten beiden Jahre, erfordert aber auch Mut zum Risiko. Klar ist jedoch: 2001 hatten wir zu viele technische Defekte, beim Motor ebenso wie beim Fahrzeug. Deshalb steht höhere Zuverlässigkeit fettgedruckt im Pflichtenheft für 2002."

Frage: "Welche Phase ist für Sie bei der Motorentwicklung die spannendste?"
Theissen: "Da gibt es mehrere Meilensteine, die mindestens so spannend sind wie ein Rennen: Die Fixierung des Motorkonzepts in einem Gesamtentwurf, der Konstruktionsabschluss, bei dem um jeden Tag gerungen wird, der Aufbau des ersten Motors, der erste Prüfstandslauf und dann der erste Test im Fahrzeug. Wenn alles klappt, erhalten Motor und Team dann in Melbourne das Gütesiegel 'bestanden'."

Frage: "Wie verbringen Sie Ihre Freizeit am liebsten?"
Theissen: "Mit meiner Familie und beim Sport, am liebsten an der frischen Luft. Motorengeräusch, so sehr ich es sonst schätze, ist dabei entbehrlich."