powered by Motorsport.com
  • 03.10.2001 10:58

  • von Marcus Kollmann

Jo Ramirez im Interview

Nach 40 Jahren in der Formel 1 hat der McLaren-Teammanager Abschied genommen und gab folgendes Interview

(Motorsport-Total.com/Haymarket) - Für Jo Ramirez, McLarens langjährigen Team-Koordinator, hätte es kein schöneres Abschiedsgeschenk geben können als den durch Mika Häkkinen in Indianapolis geholten Sieg. Ramirez wählte den US-Grand-Prix als sein letztes Rennen aus, da er dort die Möglichkeit hatte am Donnerstagabend eine Abschiedsparty, bei der viele bekannte Namen aus dem Sport anwesend waren, zu geben. Seit 1962, als er aus Mexiko wegging und zunächst mit seinem alten Kumpel Ricardo Rodriguez bei Ferrari als unbezahlter Helfer arbeitete, bestimmte die Königsklasse das Leben des Mexikaners. Nach seinem letzten Grand Prix gab
Jo Ramirez folgendes Interview.

Titel-Bild zur News: Mika Häkkinen im McLaren-Mercedes in der Steilwandkurve

Mika Häkkinen schenkte Jo Ramirez zu dessen Abschied einen Sieg in Indy

Frage: "Haben Sie jemals im Traum daran gedacht, dass McLaren hier in Indy den Sieg holen würde?"
Jo Ramirez: "Nein, daran habe ich nie gedacht. Wenn man ehrlich ist, so waren unsere Stamm-Plätze im Rennen eigentlich die Positionen fünf und sechs, denn Williams und Ferrari haben uns überholt. Der Job, den Mika in der Qualifikation machte, als er sich Startplatz 2 sicherte, war total unglaublich, hervorragend. Selbstverständlich war die Aberkennung seiner Startposition und der Start von Platz 4 enttäuschend. Aber ich glaube, dass er deshalb noch geladener war. Als er hier ankam war er gelassener, denn er hatte ja der Welt erklärt, dass er "ein wenig die Schnauze voll von der Formel 1 habe und eine Pause brauche." Aber hier kam er zurück und zeigte, dass er wirklich nur eine Pause machen will, dass er noch nicht den Zenit seiner Leistungsfähigkeit überschritten hat. Das bewies er in der Qualifikation und im Rennen. Es war einfach brillant, ich freue mich so sehr für ihn. Er hat mir nicht nur eine Harley Davidson geschenkt, sondern vor dem Rennen hier hatte ich 113 Siege mit dem Team erreicht, aber mit dieser Zahl wollte ich mich nicht zur Ruhe setzten. 114 klingt ja auch viel besser."

Frage: "Konnten Sie es glauben, als Mika plötzlich in Führung ging?"
Ramirez: "Es war brillant. Als der Boxenstopp nahte, sagte das Team: 'Wenn du jetzt Druck machst, kannst du das Rennen gewinnen.' Und er hat dann Gas gegeben... Als er 3,3 Sekunden vor Barrichello in Führung lag, sich der Abstand dann auf 2,6 Sekunden verkürzte, legte er eine schnelle Runde ein und dann, glaube ich, verstand Rubens. Mir tut es für ihn Leid, jedoch konnten wir so den Sieger und den Drittplatzierten stellen."

Frage: "Was für Gedanken gingen Ihnen bei seiner Zieldurchfahrt durch den Kopf?"
Ramirez: "Ich hatte den ganzen Tag über Schmetterlinge in meinem Bauch, und als es endlich vorbei war konnte ich es gar nicht glauben. Was für ein Abschied. Die ganze Zeit über hatte ich so viele gemischte Gefühle, die habe ich immer noch. Aber das Rennen mit einem Sieg, als Erster und Dritter zu beenden... Irgendwo im Hinterkopf geistert bei mir die Meinung herum, dass ich ein Idiot bin weil ich aufhöre und ich frage mich ob ich das wirklich will. Das Qualifying habe ich mit einem meiner Bruder gesehen und als Mika aus der Box kam sagte er 'Du Dummkopf. Wie kannst du dich von all dem hier nur trennen?', und er hat Recht. Aber ich denke, dass man zur entsprechenden Zeit selbst Abschied nehmen soll, bevor die Zeit dann über deinen Abschied entscheidet."

Frage: "Also ist das genau der richtige Zeitpunkt aufzuhören?"
Ramirez: "Ich bedauere das nicht. Ich hatte eine wundervolle Zeit, ich hatte in diesem Sport in den 60er-, 70er-, 80er- und 90er-Jahren goldene Jahre. Ich arbeitete mit einigen der fantastischsten und charismatischsten Fahrern die es jemals gab zusammen, und ich habe immer noch wundervolle Erinnerungen daran. Wer weiß, vielleicht komme ich wieder zurück und übernehme einen kleinen Job, so, dass ich alle paar Rennen wieder dabei bin. Wenn mir jemand etwas Geld geben will, kann ich ihm gerne meine Adresse mitteilen."

Frage: "Also spüren Sie von der Versuchung, nächste Woche in den Flieger zu steigen, um in Japan dabei zu sein, nichts?"
Ramirez: "Nein. Der Grund, weshalb ich mich für meine Abschiedsparty hier in Amerika entschied war der, dass man viel leichter hier herkommen konnte, sodass ich meine Frau, meine Tochter und meinen Bruder aus Mexiko hier herbringen konnte. Ich dachte, dass nur einer von meiner Familie kommt, aber am Ende kamen sieben Leute! Und dann war da noch die Tatsache, dass dies ein Platz war an dem ich mit den meisten Leuten zusammengearbeitet habe. Dan Gurney, Alain Prost, Jackie Stewart, Gerhard Berger, Emerson Fittipaldi, solche Leute halt. Auf Grund der Ereignisse am 11. September konnten nicht alle kommen, aber wir hatten ja das Rennen und einen Grund zum Feiern. Der Sieg war ein Bonus..."