• 29.06.2006 12:57

  • von Inga Stracke

Jenson Button im großen 'F1Total.com'-Interview

Jenson Button über den Frust der ersten Saisonhälfte, seine bewundernswerte Motivation, die Stärke der Konkurrenten, das Transferkarussell und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - 16 Punkte auf dem WM-Konto bedeuten für Jenson Button zwar 16 Punkte mehr als 2005 zum gleichen Zeitpunkt, dennoch kann er mit dem bisherigen Saisonverlauf natürlich nicht zufrieden sein: Im Winter noch als Geheimfavorit auf den Titel gehandelt, liegt er momentan nur auf dem enttäuschenden siebenten Platz der Fahrerwertung.

Titel-Bild zur News: Jenson Button

Jenson Button erlebt nach 2005 eine weitere sehr schwierige Saison bei Honda

Vor dem Grand Prix der USA traf sich der 26-jährige Honda-Pilot zu einem Interview mit 'F1Total.com', in dem er den Frust der ersten Saisonhälfte verarbeitete und gleichzeitig erneut seine vorbildliche Motivation an den Tag legte. Gleichzeitig sprach er über seine eher unbedeutende Rolle im diesjährigen Transferpoker sowie über kurz-, mittel- und langfristige Ziele in der Formel 1. Motto: "Wir wollen so schnell wie möglich Weltmeister werden!"#w1#

Seit Saisonbeginn geht es nur noch bergab

"Wir sind über die Resultate und die Pace des Autos enttäuscht." Jenson Button

Frage: "Jenson, die erste Saisonhälfte ist vorbei. Wie würdest du sie aus deiner Sicht zusammenfassen?"
Jenson Button: "Ganz anders als vor Saisonbeginn erwartet! In den ersten paar Rennen war das Auto einigermaßen konkurrenzfähig. Das erste Rennen war gut und in Malaysia stand ich sogar auf dem Podium. Es lief also annehmbar, aber bei weitem nicht so gut wie erhofft. Anschließend machten Renault und Ferrari einen größeren Fortschritt als wir, und jetzt müssen wir aufholen, um wieder ihre Pace mitgehen zu können, was uns aber sicher nicht über Nacht gelingen wird. Wir sind über die Resultate und die Pace des Autos enttäuscht, aber wir geben nicht auf."

Frage: "Kannst du mit dem Finger auf bestimmte Bereiche zeigen? Habt ihr schon einige Ursachen für die Krise gefunden?"
Button: "Wir wissen, dass wir in bestimmten Bereichen schwach sind, die wir nicht so stark verbessert haben, wie wir eigentlich hätten sollen. Da sind uns die Topteams einfach voraus."

Frage: "Muss man das Problem eher im Chassis- oder im Motorenbereich vermuten?"
Button: "Es ist ein bisschen von allem, nicht nur eine der beiden Sachen..."

Frage: "Also geht es wieder um das magische Zauberwort der Formel 1, um das Gesamtpaket..."
Button: "Genau, so ist es."

Frage: "Seitens der britischen Medien gab es ziemlich scharfe Kritik am Team, allerdings nicht so sehr an dir persönlich. Dennoch: Wie gehst du damit um?"
Button: "Es macht keinen Unterschied für uns. Die Leute können sagen, was sie wollen, aber wir wissen, wo wir stehen. Wir wollen unsere Ziele erreichen, Rennen gewinnen - und wenn uns die Leute kritisieren, dann ändert das nichts daran, das wir nun mal das haben, was wir haben, und damit müssen wir unser Bestes geben."

Buttons Motivation nach wie vor ungebrochen

"Wenn die Dinge schwierig laufen, merkt man erst wirklich, wie gut jemand ist." Jenson Button

Frage: "Du wirkst nach wie vor sehr motiviert. Wie machst du das?"
Button: "Man darf nicht aufgeben! Wenn die Dinge schwierig laufen, merkt man erst wirklich, wie gut jemand ist und wie sehr sich jemand diesem Sport verschrieben hat. Auf mich trifft das sehr zu, denke ich. Mir ist klar, dass wir ohne harte Arbeit nicht weiterkommen werden."

Frage: "Liegt die Last nun mehr auf Hondas Schultern, seit Honda das Team komplett übernommen hat?"
Button: "Nein, so ist das nicht. Dadurch hat sich in der Arbeit für uns eigentlich nichts geändert."

Frage: "Wie geht es bei Honda insgesamt voran?"
Button: "Wir haben uns in diesem Jahr ehrlich gesagt nicht in dem Ausmaß wie erwartet gesteigert, was sehr enttäuschend ist. Wir haben es nicht geschafft, das Auto während der Saison Schritt für Schritt weiterzuentwickeln. Das ist einfach nicht passiert. Das ist unser Hauptproblem: dass sich das Auto seit den ersten paar Rennen nur unwesentlich verändert hat. Inzwischen haben die anderen Teams große Fortschritte gemacht."

Frage: "Inwiefern ist die gegenüber 2005 geringfügig veränderte Testsituation ein Nachteil für euch?"
Button: "Das bedeutet nur, dass ich immer viele Runden fahren muss! Bei jedem Test sind es mehr als 600 Kilometer am Tag, was sehr ermüdend ist. Manchmal sind es zweieinhalb Renndistanzen. Aber viel geändert hat sich nicht, denn wir fahren halt mehr Runden und nehmen die Testbestimmungen so hin, wie sie sind."

Button von seinem Ex-Team Renault überrascht

Frage: "Wer hat dich von den Konkurrenten bisher am meisten überrascht beziehungsweise am meisten enttäuscht?"
Button: "Renault hat mich überrascht, denn sie hatten ziemlich in jedem Rennen das beste Auto. So stark hätte ich sie nicht erwartet. Bei ein, zwei Rennen war Ferrari auf einem Niveau mit ihnen, aber ansonsten hatten sie alles im Griff. Das ist für mich die größte Überraschung der Saison. Das Ausmaß ihres Vorsprungs kommt unerwartet."

Fernando Alonso und Jenson Button

Eher seltenes Bild: Jenson Button im direkten Zweikampf mit einem Renault Zoom

Frage: "Gibt es auch Konkurrenten, die du stärker erwartet hättest als sie sind?"
Button: "In erster Linie uns! Vielleicht aber auch McLaren, denn sie haben zwar seit den ersten Rennen ein paar gute Fortschritte gemacht, aber sie sind noch bei weitem nicht auf dem Speed von Renault. Wenn man bedenkt, dass sie im Vorjahr das beste Auto hatten, ist das eine Überraschung."

Frage: "Glaubst du eigentlich an Glück und Pech in der Formel 1? Bei Kimi Räikkönen geht ständig etwas kaputt, auch bei Giancarlo Fisichella, aber wenn Fernando Alonso mal einen Defekt erleidet, dann immer nur beim Testen..."
Button: "Das ist nicht Glück, denn die Zuverlässigkeit ist ein wichtiger Teil der Formel 1. Das liegt halt an den Leuten, die das Auto und den Motor bauen. McLaren und Mercedes sind von der Zuverlässigkeit her einfach nicht so gut wie Renault, aber das ist ehrlich gesagt niemand momentan. So gewinnen sie ihre Rennen: Sie haben die Zuverlässigkeit, den Speed, die Strategie. Sie sind das Team, das es zu schlagen gilt."

Frage: "Hast du einen Glücksbringer?"
Button: "Nein."

Frage: "Michael Schumachers Parkmanöver von Monaco war ein Riesenthema. Sprecht ihr Fahrer untereinander noch darüber oder ist die Sache abgehakt und vergessen?"
Button: "Das ist abgehakt. Wer darüber mit Michael reden wollte, hat es inzwischen wahrscheinlich getan. Er wurde für sein Handeln bestraft. Man könnte sagen, dass das nicht ausreichend war, aber das liegt in der Vergangenheit."

Timing der Runs im Qualifying schwieriger geworden

"Der Modus ist aufregend für die Fans. Das ist am Wichtigsten." Jenson Button

Frage: "Man hört aber an fast jedem Rennwochenende, dass im Qualifying ein Fahrer von einem Konkurrenten aufgehalten wurde..."
Button: "Das stimmt. Es ist schwierig für uns und die Teams, zum richtigen Zeitpunkt rauszugehen und eine freie Strecke zu finden, aber der Modus ist aufregend für die Fans. Das ist am Wichtigsten."

Frage: "Als früher alle Autos einfach für eine Stunde auf der Strecke waren, gab es auch immer wieder Blockaden, aber es wurde nicht ständig die FIA eingeschaltet. Findest du, dass das wieder so sein sollte wie damals?"
Button: "Es ist ja nicht so wie damals, denn wir haben jetzt drei Sessions. Wenn man in einer der Sessions mit neuen Reifen rausgeht und aufgehalten wird, ist man draußen. Man kann danach nicht noch mal neue Reifen aufziehen und es noch einmal probieren. Es ist keine ganze Stunde mehr. Insofern kann man es nicht mit früher vergleichen."

Frage: "Gibt es Fahrer, die bereitwilliger Platz machen als andere?"
Button: "Ja. Es wird immer so sein. Ich hatte schon mit so manchem Fahrer meine Auseinandersetzungen, aber meistens kommen sie leider ungeschoren davon. Es ist dumm, denn wenn diese Jungs es einmal machen, dann werden sie es sicher irgendwann zurückbekommen. Das bringt doch nichts!"

Frage: "Alle reden momentan über das Transferkarussell und darüber, wo Michael Schumacher und Kimi Räikkönen 2007 fahren werden. Verfolgst du das oder kümmerst du dich nicht darum?"
Button: "Ich verfolge es schon, aber nicht so intensiv wie alle anderen hier. Wir sind ja schließlich nicht die Leute, die sich um einen Platz für 2007 umsehen müssen. Kimi könnte für Ferrari, Renault oder McLaren fahren, aber das betrifft ja nur die Leute, die in den Prozess involviert sind. Daher bringt es nichts, das alles verstehen zu wollen, wenn man sowieso nicht alle Informationen hat. Ich schaue mir das aus dem Hintergrund an, aber mehr auch nicht."

Button lässt sich nicht auf Spekulationen ein

Frage: "Interessiert es dich nicht, gegen wen du nächstes Jahr in welchem Auto fahren wirst?"
Button: "Natürlich, schon, aber wir wissen es ja nicht. Wir werden es nicht wissen, bis sie ihren Vertrag unterschrieben haben und eine Pressemitteilung herausgeben. Bis dahin kann man nur Vermutungen anstellen."

"Ich wünsche mir die besten Fahrer in den schlechtesten Autos!" Jenson Button

Frage: "Gibt es bestimmte Konstellationen, die dir gut gefallen würden?"
Button: "Ich wünsche mir die besten Fahrer in den schlechtesten Autos (lacht; Anm. d. Red.)! Das ist doch verständlich, oder? Mich selbst natürlich nicht eingeschlossen! Alonso wird im McLaren sitzen, aber ich weiß nicht, was Kimi machen wird. Die drei Topteams sind sowieso alle sehr gut. Da kann alles passieren."

Frage: "Wie steht es um dich?"
Button: "Ich bin bei Honda."

Frage: "Da gibt es keine Ausstiegsklauseln, keine Abwanderungsgedanken?"
Button: "Das Denken ist meistens etwas ganz anderes als das tatsächliche Handeln! Ich werde nächstes Jahr für Honda fahren."

Frage: "Wie sehen deine Ziele für den Rest der Saison aus?"
Button: "Zunächst einmal müssen wir das Beste aus unserem Paket herausholen. Das ist uns in den vergangenen paar Rennen nicht besonders gut gelungen. Wir wollen uns verbessern, wir müssen hart arbeiten, konzentriert bleiben und dürfen uns nicht runterziehen lassen. Vielleicht können wir dann ein bisschen was von unserem Rückstand zu Renault und Ferrari wieder aufholen."

Frage: "Was bedeutet das in Positionen gesprochen?"
Button: "Ich möchte das nicht auf Positionen umlegen, denn in einem Rennen kann so viel passieren. Am Ende des Rennens muss man halt schauen, ob man Dritter, Fünfter oder Siebenter ist. Wir können nur so hart wie möglich daran arbeiten, näher an die Topteams heranzurücken, und dann werden wir sehen, wo wir damit landen."

Ziele: Erst ein Sieg, dann der WM-Titel...

Jenson Button

Das bisher letzte Podium in Malaysia ist schon wieder ein Weilchen her... Zoom

Frage: "Punkte sind aber schon immer ein Ziel, oder?"
Button: "Ja. Wir wollen immer Punkte holen. Unser Hauptziel für diese Saison ist aber ein Sieg. Wir werden versuchen, so nahe wie möglich an dieses Ziel heranzukommen."

Frage: "Wie sehen deine Pläne für die etwas längerfristige Zukunft mit dem Honda-Team aus?"
Button: "Unser Ziel ist klar: Wir wollen so schnell wie möglich Weltmeister werden, aber wir verfallen nicht in Hektik. Der neue Windkanal wird einen großen Unterschied machen, denke ich, denn jetzt haben wir gleiche Voraussetzungen wie die anderen Topteams. Ich erwarte mir viel vom nächstjährigen Auto. Schon jetzt fließt viel Arbeit in das nächstjährige Auto, aber wir konzentrieren uns schon noch auf den Rest der laufenden Saison."

Frage: "Letzte Frage: Verfolgst du die Fußball-WM?"
Button: "Ein bisschen. Es ist schwierig, mit dem ganzen Reisen die Spiele zu verfolgen, aber die Engländer haben die Gruppe gewonnen und es läuft bisher ganz gut. Irgendwann werden wir auf Deutschland treffen, schätze ich. Es gibt meiner Meinung nach im Moment keine Mannschaft, die alle anderen überragt."

Frage: "Dein Finaltipp?"
Button: "England gegen Argentinien - wenn wir nicht davor schon ausscheiden..."