• 20.07.2005 10:01

Hockenheim: Hochmoderne Strecke, viel Tradition

Obwohl für den Umbau im Jahr 2002 die langen Waldgeraden geopfert werden mussten, ist der Hockenheimring unverändert spektakulär

(Motorsport-Total.com) - Wer noch nie bei einem Formel-1-Rennen vor Ort war, der weiß nicht, warum viele Fans immer wieder bis zu 300 Euro und mehr für Eintrittskarten auf den Tisch legen, um in Hockenheim live dabei zu sein, obwohl man vor Ort weniger vom Rennen mitbekommt als vor dem Fernseher. Der Sound spielt in der Formel 1 aber eine gewaltige Rolle - und dieser ist schlichtweg phänomenal.

Titel-Bild zur News: Das Motodrom in Hockenheim

Das Motodrom erinnert vom Aufbau her an eine der berühmten Fußballarenen...

Wenn im Training in Hockenheim ein Auto das Motodrom in Richtung Wald verlässt und das Kreischen des Motors immer mehr verhallt, läuft den Formel-1-Fans ein kalter Schauern den Rücken hinunter - auch wenn seit 2002 die langen Waldgeraden zum größten Teil verschwunden sind. Dafür bleibt das Motodrom, wo Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher und seine Kollegen auch in diesem Jahr mit Jubelrufen, Tröten, Raketen, Böllern und Rauchbomben frenetisch gefeiert werden. Die Stimmung dort ist in der Formel 1 einzigartig.#w1#

Alte Waldgeraden werden nur noch zum Teil befahren

Die erste alte Waldgerade wird nur noch zu einem Drittel benutzt, die zweite Waldgerade ist gar nicht mehr in den Streckenverlauf integriert und das letzte gerade Teilstück durch den Wald zurück in Richtung Motodrom wurde ebenfalls um zwei Drittel gekürzt. Dennoch gehört die Strecke immer noch zu den schnelleren Pisten, auch wenn der Hochgeschwindigkeitscharakter verloren gegangen ist. Die Länge des Kurses ist von 6,815 Kilometer auf 4,489 Kilometer gesunken, somit können die Zuschauer die Autos während dem Rennen 67 statt früher 45 Mal sehen. Zusammen mit zusätzlichen langsamen Kurven, Haarnadelkurven und neuen Tribünen wird die badische Strecke für die Fans attraktiver.

Der neue Kurs, der nun den Namen "Hockenheimring Baden-Württemberg" trägt, bietet eine um mehr als 40.000 Sitzplätze auf 120.000 Zuschauer erhöhte Zuschauerkapazität. Der Umbau kostete inklusive der neu gestalteten Verkehrsanbindung und Wiederaufforstungsmaßnahmen cirka 62 Millionen Euro. 15 Millionen davon steuerte das Bundesland bei, was mit der Streckenumbenennung honoriert wurde.

Das Design des Hockenheimrings stammt aus der Feder des deutschen Architekten Hermann Tilke, der für die gelungenen Hightech-Pisten von Sepang/Malaysia, Manama/Bahrain oder Shanghai/China ebenso verantwortlich zeichnet wie für das neue Layout des Nürburgrings. Sein Hauptanliegen beim Entwurf von neuen Kursen: Die Fahrer sollen öfter überholen können, die Fans besser sitzen und einen größeren Einblick auf die Strecke erhalten. Die Strecke ist 14 Meter breit und durch ihre großzügigen Auslaufzonen ermuntert sie die Fahrer zum Gas geben.

Atmosphäre im Motodrom ist unverändert einzigartig

Die intensive Stadion-Atmosphäre im Motodrom dürfen jetzt noch mehr Motorsport-Begeisterte genießen - die Südtribüne wurde in einem zweiten Bauabschnitt erweitert. "Am allerwichtigsten ist mir aber, dass die Fahrer eine neue Strecke mögen", so Tilke. Dass dem so ist, dafür sorgt schon allein der intensive Dialog mit Piloten vom Schlage eines Michael Schumacher, mit dem sich der "Kopf der Kurse" regelmäßig beim Entwurf neuer Kurvenradien, der Gestaltung von Auslaufzonen oder Überholmöglichkeiten berät.

Nach der Start- und Zielpassage biegen die Fahrer durch die leicht modifizierte Nordkurve in eine rund 500 Meter lange Gerade ein. Ihr folgt eine Rechts-Links-Kurvenkombination, an die sich die lang gezogene und leicht geschwungene Parabolika mit einer Länge von 1.047 Metern anschließt - sie ermöglicht Geschwindigkeiten von bis zu 315 km/h. Für die anschließende Haarnadel ist ein Tempo von ungefähr 70 km/h vorgesehen - hier sind also spannende Ausbremsmanöver garantiert.

Auf der Mercedes-Tribüne wird den Fans am meisten geboten

Nach dieser engen Spitzkehre kehrt die Strecke wieder auf die bestehende Trasse des Hockenheimrings zurück. Durch zwei neue temporäre Tribünen in diesem Bereich, auf denen 32.000 Zuschauer Platz finden, sowie die Mercedes-Tribüne entsteht eine Art zweites Motodrom. Auf dem Weg zurück in den alten Stadionabschnitt erwartet die Fahrer dann noch eine anspruchsvolle Kurvenkombination, deren Charakteristik Positionskämpfe mit parallel fahrenden Fahrzeugen erwarten lässt.

Am 29. Mai 1932 wurde als Eröffnungsveranstaltung auf dem damaligen nicht asphaltierten Dreieckskurs das erste Motorradrennen gestartet. 1938 wurde die Strecke zum ovalförmigen 'Kurpfalzring' umgebaut. 1957 wurde erneut modernisiert und auch das Motodrom gebaut. Am 2. August 1970 fand der erste Formel-1-Grand-Prix statt, es siegte Jochen Rindt. 1977 wurde der Grand Prix von Deutschland dauerhaft ins Badische verlegt, lediglich 1985 kehrte er noch einmal auf den Nürburgring zurück.

Der Grand Prix von Deutschland (der 53. insgesamt) wird in diesem Jahr zum 29. Mal in Hockenheim ausgetragen. 22 Mal gastierte der WM-Lauf auf dem Nürburgring, einmal - 1959 - auf der Berliner Avus. Die schnellste Runde in diesem Rennen wurde von Tony Brooks mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 240 km/h gefahren; diese Bestmarke des Deutschland-Grand-Prix hielt bis 1992 in Hockenheim Riccardo Patrese mit 241,498.

Formel 1 gastiert seit 1970 in Hockenheim

Die Formel 1 trat 1970 erstmals im Motodrom auf - Sieger: Jochen Rindt im Lotus-Ford. Seit 1977 gastiert der Grand Prix jährlich in Nordbaden, mit Ausnahme von 1985, als auf der neuen Grand-Prix-Strecke des Nürburgrings gefahren wurde. Fünf Fahrer haben den deutschen Grand Prix je dreimal gewonnen: Juan-Manuel Fangio, Jackie Stewart, Nelson Piquet, Ayrton Senna und Michael Schumacher. Mika Häkkinen siegte 1998 in Hockenheim mit 0,427 Sekunden vor seinem McLaren-Mercedes-Teamkollegen David Coulthard. Es war der knappste Zieleinlauf in einem deutschen Grand Prix.

Spannender Sport im Motodrom und der auf den Feldern der Region drumherum angebaute Spargel haben der Rennstadt Hockenheim in der Nähe von Heidelberg weltweite Bekanntheit eingebracht. Für die Gemeinde mit 20.000 Einwohnern ist die Rennstrecke heute wichtigster Wirtschaftsfaktor.

Erst seit 1895 ist Hockenheim eine Stadt

Die Region Hockenheims ist seit der Jungsteinzeit besiedelt. Im Jahr 769 wurde die Ortschaft erstmals urkundlich erwähnt. Ab 1462 gehörte Hockenheim zur Kurpfalz, seit 1803 ist es badisch. 1895 wurde Hockenheim zur Stadt erhoben. Im 17. Jahrhundert brachten die Franzosen den Tabak ins Land und ab 1860 entwickelte sich eine prosperierende Zigarrenindustrie. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Branche jedoch ihren Niedergang - von einst 2.200 Arbeitsplätzen existiert heute keiner mehr. Anfang des 20. Jahrhunderts verdrängte der Spargel den früheren Hopfenanbau. Die Saison des Edelgemüses ist allerdings zum Grand-Prix-Termin bereits vorbei.

1986 wurde neben dem Motodrom das Motorsport-Museum eröffnet. Ausgestellt sind zahlreiche Rennfahrzeuge, darunter Weltrekord-Motorräder des 1998 verstorbenen Wilhelm Herz, der die Geschichte des Hockenheimrings mit geprägt hat. Eine Attraktion für Besucher aus aller Welt ist das nahe gelegene Heidelberger Schloss, eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Deutschlands. Die im pfälzischen Erbfolgekrieg stark in Mitleidenschaft gezogene Anlage beherbergt unter anderem das weltgrößte Holzfass (221.726 Liter). Vom Königstuhl bei Heidelberg - Auffahrt mit dem Auto oder per Standseilbahn - bietet sich ein einmaliger Blick über weite Teile der Rheinebene.

Heidelberg und Mannheim als benachbarte Städte

Heidelberg hat als Einkaufsstraße die Hauptstraße, Mannheim, von Hockenheim ebenso einfach zu erreichen, hat die Planken. Beide Straßen sind Fußgängerzonen und laden zum Shopping ein.

Ob an der badischen Bergstraße oder ihrem Pendant, der Weinstraße in der benachbarten Pfalz - in den Weinbaugebieten gibt es viele kleine Lokale, die neben einheimischen Gewächsen auf der Weinkarte auch eine schmackhafte, bodenständige Küche bieten. Wer es lebhafter mag, ist in den Fußgängerzonen von Mannheim und Heidelberg mit ihren zahlreichen Straßencafés gut aufgehoben.

Klein, elegant und eine hoch gelobte Küche, das ist das 'L'Epi d'Or' in Mannheim, H7,3. Auf jeden Fall etwas Hunger aufheben für eines der himmlischen Desserts. Exzellente italienische Küche mit französischen Akzenten ist die Spezialität von 'Da Gianni', Mannheim, R7,34. Man sagt, dieses gehört zu den Lieblingslokalen von Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl.

Mitten in der engen Heidelberger Altstadt liegt das 'Simplicissimus', Ingrimstrasse 16. Bei schönem Wetter lockt der lauschige Innenhof. Im Heidelberger Stadtteil Grenzhof liegt das gleichnamige 'Landhaus', das mit einer abwechslungsreichen Küche aufwartet. Das Haus 'Landgraf' in Walldorf, Hauptstrasse 25, ist ein malerisches Fachwerkhaus mit engen, verwinkelten Räumen. Die Küche ist bodenständig mit Spezialitäten der Region.

Schumacher der erfolgreichste Fahrer in Hockenheim

Wie nicht anders zu erwarten, ist Michael Schumacher auch auf dem Hockenheimring der erfolgreichste aktive Pilot. 53 Punkte konnte der Deutsche im Laufe seiner Karriere auf dieser Piste sammeln - dabei jedoch nur drei Siege einfahren, was im Vergleich zu anderen Strecken, auf denen er teilweise schon siebenmal gewinnen konnte, eher dürftig ist.

Eine Besonderheit trifft auf das Rennen in Hockenheim zu: In den letzten 13 Rennen gewannen zehn verschiedene Fahrer. So schafften es nur Michael Schumacher und Gerhard Berger, zwei Mal oder öfter den Deutschland-Grand-Prix zu gewinnen. In den vergangenen Jahren hatten auch Juan-Pablo Montoya, Ralf Schumacher, Rubens Barrichello, Mika Häkkinen, Eddie Irvine und Damon Hill die Ehre, auf das oberste Treppchen des Podestes zu klettern.

2004:
Michael Schumacher sicherte sich neun Jahre nach seinem ersten Triumph in Hockenheim den dritten Sieg im Badischen - und den elften im zwölften Saisonrennen. Der Deutsche führte in einem Grand Prix, in dem bis auf Sauber-Petronas alle auf drei Boxenstopps setzten, vom Start bis ins Ziel. Hinter dem Ferrari-Star ging es aber munter zur Sache: Gleich am Start fuhr sich Rubens Barrichello seine Ferrari-Nase an David Coulthards "Silberpfeil" ab, einige Runden später verunfallte dann McLaren-Mercedes-Pilot Kimi Räikkönen. Anschließend stand die sensationelle Aufholjagd von Jenson Button im Vordergrund, der sich von Startplatz 13 aus mit seinem BAR-Honda noch auf Rang zwei nach vorne schob. Dritter wurde Renault-Pilot Fernando Alonso.

2003:
Juan-Pablo Montoya war der Dominator der 2003er-Ausgabe des Deutschland-Grand-Prix. Der BMW WilliamsF1 Team Pilot sicherte sich die Pole Position, die schnellste Rennrunde und den Sieg vor David Coulthard im McLaren-Mercedes und Jarno Trulli auf Renault. Michael Schumacher musste sich nach einem Reifenschaden mit dem siebenten Platz zufrieden geben. Schon vor der ersten Kurve war das Rennen für Rubens Barrichello (Ferrari), Kimi Räikkönen (McLaren-Mercedes) und Ralf Schumacher (BMW WilliamsF1 Team) nach einer Kollision vorzeitig gelaufen. Letzterer musste sogar vor einem FIA-Gericht seine Unschuld an dem Unfall beweisen.

2002:
Nach seinem vorzeitigen Gewinn des WM-Titels bescherte Michael Schumacher seinen Fans in Hockenheim einen weiteren Grund zum Jubeln: Der frischgebackene Weltmeister gewann das erste Rennen auf der umgebauten Strecke. Das Rennen selbst wird vielen in Erinnerung bleiben, denn McLaren-Mercedes-Pilot Kimi Räikkönen und BMW WilliamsF1 Team Fahrer Juan-Pablo Montoya lieferten sich ein gnadenloses Duell um den vierten Platz. Der Finne wurde später noch von einem Reifendefekt geplagt, und Barrichellos Tankklappe versagte kurzfristig beim Nachtanken. Michael Schumacher gewann souverän vor Montoya, Ralf Schumacher und Barrichello.

2001:
Die Entlassung von Heinz-Harald Frentzen bei Jordan-Honda sorgte im Vorfeld für viele Diskussionen, der Deutschland-Grand-Prix 2001 selbst war fest in der Hand des BMW WilliamsF1 Teams, doch am Ende des Tages blieb der eigentliche Held unbelohnt: Juan-Pablo Montoya führte in der ersten Hälfte des Rennens klar und deutlich vor seinem Teamkollegen Ralf Schumacher, bis ein Motorschaden seine Siegesambitionen zerschmetterte. Somit gewann Ralf Schumacher mit mehr als 45 Sekunden Vorsprung auf Rubens Barrichello im Ferrari. Jacques Villeneuve schaffte es im BAR-Honda als Dritter auf das Podest. Freudenstürme auch bei Prost: Jean Alesi holte als Sechster immerhin einen Punkt. Michael Schumacher fiel mit Problemen an der Benzinzufuhr aus.

2000:
Es war eines der ungewöhnlichsten Rennen der Geschichte: Der späterer Sieger Rubens Barrichello, der seinen ersten Sieg einfahren sollte, startete nur von Rang 18, einen Platz hinter Heinz-Harald Frentzen, doch einige Zwischenfälle spülten den Brasilianer immer weiter nach vorne. In der Anfangsphase fuhren Barrichello und Frentzen an den Gegnern vorbei, als hätten diese geparkt. Michael Schumacher hingegen kollidierte bereits am Start mit Giancarlo Fisichellas Benetton und schied aus. In der 26. Runde musste das Safety-Car eine heikle Situation beenden: Ein französischer Mercedes-Mitarbeiter demonstrierte auf der ersten Waldgeraden gegen seine Entlassung. In den letzten Runden setzt ein Gewitterschauer das Motodrom unter Wasser, doch während viele die Boxen ansteuern, kämpfte sich Barrichello durch den Regen und gewann vor Mika Häkkinen und David Coulthard.