Herbert: "Ich setze auf Lewis und McLaren"

(Motorsport-Total.com) - Johnny Herbert setzt im Titelkampf der Formel 1 auf seinen Landsmann Lewis Hamilton. Der Brite könne sich bei seinem Team McLaren auf weitere Fortschritte verlassen, die Mannschaft um Teamchef Martin Whitmarsh sei traditionell am Saisonende immer stark, argumentiert Herbert im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. Der frühere Benetton-Teamkollege stellte sich nach seinem Gaststart im Volkswagen Scirocco R-Cup in Brands Hatch wichtigen Fragen zur aktuellen Situation in der Königsklasse.

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Herbert abolvierte einen unterhaltsamen Gaststart im VW Scirocco R-Cup

Frage: "Johnny, hältst du die aktuelle Kritik an Sebastian Vettel für gerechtfertigt?"
Johnny Herbert: "Nein, ich finde es in gewissem Sinne nicht ganz fair. Er ist ein junger Kerl, der erheblich unter Druck steht. Sie haben ein tolles Auto, daher ist der Druck nochmal erheblich größer. Sie hätten schon im vergangenen Jahr den Titel holen können, aber das hat nicht geklappt. Mark Webber hat gleichzeitig erheblich zugelegt."

"Mark war immer schon gut im Qualifying, wenn es auf diese eine schnelle Runde ankommt. Da war er immer schon einer der Besten, aber seine Rennen waren meist nicht stark genug. Nun legt er gute Qualifikationen und gute Rennen hin. Sebastian ist der Goldjunge von Red Bull, er hat eine lange Beziehung zu denen. Aber Mark ist jetzt extrem stark und konstant."

"Sebastian hat nicht nur eigene Fehler gemacht, sondern er hatte auch Pech. Durch dieses Pech hat er sich einen Rückstand eingehandelt. Anschließend wollte er umso stärker zurückschlagen, um wieder aufzuholen - dabei sind diese Fehler passiert. Jeder macht aber Fehler: Mark macht welche, Lewis auch, Jenson und Michael ganz genauso - einfach alle."

"Sebastians Pech ist es, dass seine Fehler immer auf den Großbildschirmen der Formel 1 ganz genau zu sehen sind. Er wird daraus lernen und noch stärker werden. Das Team wird ihm ganz sicher dabei helfen, Christian Horner kann so etwas. Es wird in diesem Jahr vielleicht nicht mehr für ihn reichen, aber er ist für die Zukunft in einer grandiosen Ausgangslage."

"Ich finde es wirklich etwas unfair, ihn so hart zu kritisieren. Junge Leute machen Fehler, das war auch bei Lewis Hamilton so. Lewis ist ein gutes Beispiel: Er ist einer der schnellsten Jungs im Feld. Aber auch er macht Fehler. Sein Ruf hat darunter aber nicht gelitten. Wenn du im nächsten Rennen Erster oder Zweiter wirst, dann ist so etwas ganz schnell wieder vergessen."

Frage: "Aber Sebastian steht in der Öffentlichkeit erheblich unter Druck..."
Herbert: "Ja, weil Mark ihm so zusetzt, ist es nicht einfach. Er hatte noch nie so viel Druck von einem Teamkollegen. Mark liegt nur knapp hinter Lewis in der Gesamtwertung, der Druck wird für Sebastian also ganz bestimmt bleiben. Aber solch einen Druck wird er immer haben. Sebastian ist ein schlauer Kerl, der damit umgehen kann. Das wird für ihn kein Problem."

Frage: "Hat Mark Webber eher die nötige Reife für den Titel?"
Herbert: "Das kommt darauf an, wie man Reife in diesem Zusammenhang interpretiert. Vom reinen Talent her müsste es Sebastian schaffen. Mark musste hart daran arbeiten, um dorthin zu gelangen, während es bei Sebastian einfach so passiert. Mark ist derjenige, der sich mit großem Abstand am meisten verbessert hat. Sebastian muss seine Fehler analysieren und abstellen. So wie es bei Lewis schon gelungen ist."

Frage: "Ist Christian Horner der richtige Mann, um das Red-Bull-Schiff in solchen Zeiten zu steuern?"
Herbert: "Christian ist eher auf der Seite der Fahrer. Er ist nicht so hart wie ein Flavio Briatore, Ron Dennis oder Frank Williams. Christian Horner passt gut ins Red-Bull-Konzept, er hat eine harmonische Bindung zu seinem Boss Dietrich Mateschitz. Er hat bestimmt keinen leichten Job, wenn so Dinge kommen wie mit Mark in Silverstone."

"Im Moment hat Christian Horner alles gut im Griff. Aber wenn sie den Titelgewinn auch in diesem Jahr wieder verpassen, dann muss man vielleicht an einigen Stellen etwas ändern. Im zweiten Jahr in Folge haben sie das beste Auto. Sie sollten also mindestens einmal den Titel holen. In diesem Jahr haben sie gute Karten, weil die Zuverlässigkeit besser ist. Wenn es wieder nicht klappt, dann muss sich wohl etwas ändern."

Frage: "Ist Sebastian nun schon aus dem Titelrennen?"
Herbert: "Nein, das würde ich nicht sagen. Der Abstand ist nicht allzu groß. Früher gab es mal gerade neun Punkte für einen Sieg, heutzutage sind es satte 25 Punkte. Wenn Lewis bald man eine Nullrunde schreibt und Mark auch demnächst, dann kann Sebastian mit zwei guten Rennen wieder voll dabei sein. Es kann noch so viel passieren. Auch Jenson und sogar in gewisser Weise auch Fernando haben noch Chancen - zumindest wenn Ferrari schnell genug ist. Man muss konstant in den Top-Drei sein."

Frage: "Monza ist die einzige wirkliche Highspeedstrecke, bevor es für den Rest der Saison auf Strecken für mehr Abtrieb geht. Vorteil Red Bull?"
Herbert: "Ich sehe auch McLaren ganz gut dabei. Aber Red Bull arbeitet immer noch am F-Schacht und ich bin sicher, dass Adrian Newey es immer besser hinbekommen wird. Red Bull wird weiter nachlegen müssen. Außerdem gehe ich davon aus, dass Kubica den allen noch einige Punkte stehlen kann. Der F-Schacht von Renault scheint prima zu funktionieren. Wenn der so weiter macht, dann kann er viele Punkte holen."

Frage: "Nun sag uns bitte einen Namen: Wer wird Weltmeister?"
Herbert: "Wenn ich mir die verbleibenden Rennen so anschaue, dann setze ich auf Lewis und McLaren. Die waren in den vergangenen Jahren sehr oft am Saisonende extrem stark. Sogar im vergangenen Jahr, wo sie überhaupt nicht gut in die Saison gekommen sind, waren sie am Ende richtig gut. Ich glaube, dass Lewis und Jenson richtig überrascht waren, dass sie nach der Sommerpause in Spa so gut dabei waren. Bei McLaren kann man sich darauf verlassen, dass sie immer weiter vorankommen, daher tippe ich auf Lewis."

¿pbvin|512|3104||0|1pb¿Frage: "Wie war dein Gaststart im VW Scirocco R-Cup in Brands Hatch?"
Herbert: "Sehr gut. Es hat Spaß gemacht, gegen Leute wie Mark Blundell, Derek Bell und Martin Brundle zu fahren. Wir kennen uns schon so lange. Mark und ich sind gleichzeitig in die Formel Ford eingestiegen, Martin war uns damals ein paar Schritte voraus. Aber später haben wir alle Sportwagen und Formel 1 gemacht. Wir mögen uns richtig gerne."

"Bei mir lief es am Freitag erst einmal gar nicht gut. Ich fragte mich, was ich falsch mache. Im Qualifying und im Rennen lief es viel besser. Ich hatte einen tollen Kampf mit Mark. Ich ging an ihm vorbei und wollte mich absetzen, aber er konterte. Er hatte sich einfach den Extraschub vom Push-to-Pass aufgespart, während ich zu Beginn mehrfach draufgedrückt hatte."

"Das Auto war auch toll. Wenn man sich erstmal daran gewöhnt hat, dann kann man mit diesen Autos viel Spaß haben. Es war auch toll, endlich mal wieder in Brands Hatch fahren zu dürfen. Ich hatte unglaublich viel Freude daran und Mark ging es bestimmt nicht anders. Er war beeindruckend, denn er hatte sich schon nach fünf Runden auf den Wagen eingeschossen. Dass er außen überholen konnte, lag natürlich auch etwas an der immensen Streckenkenntnis."