• 09.09.2010 15:03

  • von Stefanie Szlapka

Brundle: "Mir gefällt Vettels Aggressivität"

Ex-Pilot Martin Brundle exklusiv: Warum die Kritiker Vettel unrecht tun, Horner für Red Bull der richtige Mann ist und ihm der Scirocco-Cup Spaß macht

(Motorsport-Total.com) - Der langjährige Formel-1-Pilot Martin Brundle ist dem Motorsport treu geblieben. Nach seiner aktiven Karriere kümmerte er sich um das Management von David Coulthard - inzwischen überzeugt er bei der 'BBC' mit seinen kompetenten Analysen. Doch auch heißen Rad-an-Rad-Duellen ist der 51-Jährige nicht abgeneigt. Das bewies er beim VW-Scirocco-Cup am Hockenheimring mit Platz drei, in Brands Hatch wurde er Siebenter. Kurz darauf traf er 'Motorsport-Total.com' zum Interview.

Titel-Bild zur News:

Nach wie vor im Rennfieber: Ex-Formel-1-Pilot Martin Brundle

Frage: "Martin, Sebastian Vettel muss für seine Fehler viel Kritik einstecken. Zurecht?"
Martin Brundle: "Die meisten Leute, die ihn kritisieren, sind noch nicht mit einem Formel-1-Auto gefahren. Natürlich sind Fehler dieser Art auf diesem Level nicht wirklich erlaubt - und er hat in diesem und im letzten Jahr viele gemacht. Doch er ist jung, enthusiastisch, fokussiert und außerdem darf man an den Tagen, an denen er Fehler begeht, auch die anderen Tage nicht vergessen, an denen er großartig fuhr, Mut bewiesen hat und den Sieg holte. Man muss da etwas relativieren."

"Mit Sicherheit hat Webber jetzt einen klareren, ruhigeren Kopf als Vettel." Martin Brundle

"In Spa war er etwas ungestüm - er wurde hinter Jenson Button in die Bremszone hineingesaugt und war dann etwas überaggressiv, was bei ihm vorkommt. Und durch den Aerodynamik-Effekt, das harte Bremsmanöver, das Runterschalten passierte dann das Unvermeidbare. Ich würde nicht zu hart mit ihm umgehen - mir gefällt seine Aggressivität, seine Hingabe. Und das Eine ergibt das Andere. Es gibt keinen herausfordernden, aufregenden jungen Mann in einem Formel-1-Auto ohne die Schattenseiten."#w1#

Frage: "Ist Webber da reifer?"
Brundle: "Ja, Mark hat seine Lektionen auf die harte Tour gelernt - er hatte schwere Unfälle, warf Rennen weg. Mit Sicherheit hat er jetzt einen klareren, ruhigeren Kopf als Vettel."

Lob für Horner, Tadel für Red Bull

Frage: "Müsste Red Bull mit diesem Auto in der WM-Wertung nicht viel mehr Vorsprung haben?"
Brundle: "Ja, auf jeden Fall. Sie haben viele Rennen durch Fehler bei der Rennstrategie und die Stallkollision verloren. Sie haben beim Auto einen großen Vorteil und haben nicht das Beste herausgeholt. Wenn man so oft aus der Pole-Position startet und die Rennen nicht gewinnt, dann kann man zurückblicken und wird vor allem in Vettels Fall sehen, dass es da den Zündkerzendefekt, den Bremsdefekt und die Sache mit der Radmutter gab. Sie werden so viele Gründe finden, doch das bringt jetzt nichts - am Ende zählen nur die Punkte."

Frage: "Ist Christian Horner der richtige Teamchef für Red Bull?"
Brundle: "Er hat sich als sehr kompetent und professionell erwiesen. Man darf nicht vergessen, dass Red Bull eigentlich ein unabhängiges Privatteam mit einem Kundenmotor von Renault ist. Das ist nicht Ferrari, Mercedes-Benz oder Renault. Sogar McLaren ist im Grunde ein Werksteam. Red Bull basiert auf dem Stewart-Team und auf Jaguar - und sie haben ein fantastisches Auto. Dazu muss man Christian gratulieren. Er hat die richtigen Leute geholt."

"Man muss Christian Horner gratulieren - Er hat die richtigen Leute geholt." Martin Brundle

Frage: "Monza ist die einzige Strecke mit wenig Abtrieb - das liegt McLaren. Werden sie bei den Strecken danach Probleme bekommen?"
Brundle: "Red Bull wird es in Monza nicht leicht haben, dafür werden sie auf allen anderen Strecken schnell sein. Ich bin etwas überrascht, dass sie im Mittelsektor in Spa nicht viel schneller als die anderen waren. Hätte Kubica keinen Fehler gemacht, dann wäre Red Bull dort nur die dritte Kraft gewesen. In Anbetracht der Tatsachen, dass es neue Tests für flexible Flügel gibt und alle ständig weiter entwickeln, ist es vor den restlichen sechs Rennen unmöglich zu sagen: McLaren, Red Bull, Red Bull, Red Bull, Red Bull, Red Bull. Das wäre nicht richtig."

Frage: "Dieses Jahr unterstützen ehemalige Rennfahrer die FIA-Stewards - die richtige Entscheidung?"
Brundle: "Das ist eine großartige Entscheidung, denn die Fahrer fördern einen rationellen Denkprozess. Davor wurden die Stewards auf eine gewissen Art und Weise kontrolliert. Jetzt haben sie mehr Freiheit und die Erfahrung von jemandem, der weiß wie es sich anfühlt, ein Auto bei Tempo 300 im Rad-an-Rad-Duell zu bewegen. Sie kennen die Herausforderung und wissen, wann es gefährlich ist und wann nicht. Sie bringen ein besseres Verständnis mit."

VW-Scirocco-Cup: Linksbremsen als Herausforderung für Brundle

Frage: "Du warst in Brands Hatch Gasstarter im VW-Scirocco-R-Cup. Hat es Spaß gemacht?"
Brundle: "Es macht wirklich Spaß, das Auto zu fahren - der Cup ist sehr eng und konkurrenzfähig. Die jungen Fahrer sind beeindruckend, sie kennen ihr Auto sehr gut, besonders jetzt am Ende der Saison. Es ist außerdem schön, alte Freunde wie Mark Blundell und Johnny Herbert wieder zu treffen. Oder Carlos Sainz und Frank Biela, die ja in Hockenheim dabei waren - oder Jacques Laffite und Derek Bell."

Frage: "Wie fährt sich das Auto in Brands Hatch?"
Brundle: "Das ist nicht die beste Strecke für das Auto - ich denke, es hat sich in Hockenheim besser angefühlt. Die Strecke ist kurz und eng. Der Scirocco hat viel Power, man würde es nie glauben, dass er mit Gas betrieben wird, bis man den Gastank sieht."

Frage: "Fühlt es sich ungewohnt an, diesen Gastank hinter dir zu haben?"
Brundle: "Nein, das vergisst man sehr schnell. Für uns ist eher der Vorderradantrieb ungewohnt - vor allem bei Rennautos. Wir sind unser Leben lang Sportwagen, Tourenwagen oder Monoposto-Rennwagen gefahren - alle hatten Hinterradantrieb. Das ist also eine neue Disziplin, sie benötigt andere Skills. Ich bin solche Autos schon gefahren, doch das ist 30 Jahre her."

"Im Scirocco musst du mit dem linken Fuß bremsen, doch leider ist mein linker Fuß gebrochen." Martin Brundle

Frage: "War es schwierig, sich daran zu gewöhnen?"
Brundle: "Nicht wirklich, es ist eine Frage der Technik. Du musst wirklich mit dem linken Fuß bremsen. Doch leider ist mein linker Fuß - ähnlich wie bei Johnny - gebrochen. In unserer Ära saß man im Monoposto-Rennwagen weiter vorne als heute. Wenn du da einen Unfall hattest, dann hast du dir Beine und Knöchel gebrochen - darunter leiden wir jetzt. Doch man sollte wirklich mit dem linken Fuß bremsen. Abgesehen davon hat man eine gewisse Power und einen gewissen Grip - und da versucht man, das Maximum herauszuholen. Es gibt da eine gewisse Technik, wie man das Auto sehr schnell dreht - dann kann man die Lenkung wieder aufmachen und kommt aus der Kurve. Die Vorderräder drehen und treiben das Auto an - das darf man nicht vergessen."

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