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Haug: "Ferrari hätte in Melbourne gewinnen können"
Im 'F1Total.com'-Interview spricht Mercedes-Sportchef Norbert Haug über das derzeitige Kräfteverhältnis, seine Fahrer und die 'GPWC'
(Motorsport-Total.com) - Obwohl Juan-Pablo Montoya und Kimi Räikkönen in Australien das Podium klar verfehlt haben, darf sich McLaren-Mercedes zu den Gewinnern des Saisonauftakts zählen, denn die "Silberpfeile" verfügen offenbar erstmals seit Jahren über ein absolut konkurrenzfähiges Auto. Schon in Malaysia möchte man dieses Potenzial in einen zählbaren Erfolg umsetzen.

© xpb.cc
Norbert Haug ist zuversichtlich, dass eine positive Saison für sein Team bevorsteht
Mercedes-Sportchef Norbert Haug nahm sich für 'F1Total.com' Zeit, um das erste Rennen des Jahres 2005 noch einmal zu analysieren. Dabei sparte er nicht mit Kritik am neuen Reglement, gleichzeitig wies er aber auch darauf hin, dass man die Kombination Schumacher/Ferrari noch keineswegs abschreiben darf. Und er machte neuerlich die eindeutige Position der Hersteller in der Zukunftsdiskussion um den Grand-Prix-Sport klar.#w1#
Haug sieht kein Speed-Defizit bei McLaren-Mercedes
Frage: "Herr Haug, die schnellste Rennrunde eines McLaren-Mercedes in Melbourne war um mehr als eine halbe Sekunde langsamer als jene von Fernando Alonso. Machen Sie sich darüber Gedanken?"
Norbert Haug: "Beide Rundenzeiten haben wenig Aussagekraft. Wir waren mit Renault und Ferrari am Wochenende an drei Tagen immer bei den Schnellsten, mussten aber im Gegensatz zu Giancarlo Fisichella und Renault unser Qualifying im Regen absolvieren."
Frage: "Wie lautet Ihr Fazit nach dem ersten Rennen, wenn man bedenkt, dass die Wintertests so positiv verlaufen sind?"
Haug: "Unsere Basis ist gut, aber das Wetter machen nicht wir, sondern der liebe Gott."
Frage: "Renault und McLaren-Mercedes scheinen vom Speed her in etwa auf demselben Level zu sein, Ferrari liegt aber ein bisschen zurück. Schreiben Sie Michael Schumacher schon ab? Wer ist Ihr WM-Favorit?"
Haug: "Ferrari und Michael Schumacher hätten in Melbourne gewinnen können, wären sie aus der ersten Reihe gestartet. Das Wetter hat dies vereitelt und nicht mangelnder Speed. Wer gesehen hat, dass Barrichello von Platz elf auf Platz zwei fuhr, sollte annehmen, dass Michael Schumacher nach geglücktem Training auch zum Beispiel von Platz zwei auf Platz eins hätte fahren können. Dies soll natürlich nicht die großartige Leistung von Giancarlo Fisichella und Renault schmälern."
Unzufriedenheit über die derzeitigen Regeln bei Silber
Frage: "Unabhängig vom Ergebnis hat Melbourne gezeigt, dass Sie ganz gut bei der Musik sind. Sind Sie zufrieden aus Australien abgereist oder eher enttäuscht?"
Haug: "Zufrieden, weil wir Speed und Zuverlässigkeit gezeigt haben, unzufrieden, weil wir derzeit Regeln in der Formel 1 haben, bei denen das Wetter mehr als das beste Team Einfluss auf Ergebnisse nehmen kann."
Frage: "Beide Fahrer haben im Rennen eines der Barge-Boards verloren und wurden dafür von Ron Dennis kritisiert. Darf so etwas Profis wie Juan-Pablo Montoya und Kimi Räikkönen passieren? Oder liegt der Fehler beim Team, weil die Teile nicht robust genug sind?"
Haug: "Die Strecke in Melbourne hat die Charakteristik, dass so etwas passieren kann. Ich bin sicher, mit einem anderen Startplatz wären beide Fahrer vorne gefahren, ohne dabei Teile abzustreifen. So etwas passiert beim Kampf im Verkehr - wenn man schneller ist, aber nicht überholen kann - eher als wenn man unbeeinflusst sein eigenes Tempo gehen kann."
Keine Angst vor dem großen Krach zwischen den Fahrern
Frage: "Juan-Pablo und Kimi scheinen im Moment gut zu harmonieren, aber das war anfangs mit Senna und Prost nicht anders. Glauben Sie, dass Ihre Fahrerpaarung irgendwann explodieren könnte?"
Haug: "Nein, das glaube ich nicht, ich sehe dafür keinen Grund. Beide wollen gewinnen, beide respektieren sich. Sollte es trotzdem mal Spannungen geben, dann regeln wir das untereinander."
Frage: "Wer hat Alexander Wurz an seinem 31. Geburtstag beigebracht, dass er bei den ersten drei Rennen nicht Freitagstestfahrer sein wird, und wie hat er es aufgenommen?"
Haug: "Alex hat sich auf das Reifenentwicklungsprogramm mit dem überarbeiteten Vorjahresauto konzentriert und dabei hervorragende Arbeit geleistet. Dass der Michelin-Reifen in Melbourne so gut funktioniert hat, dazu hat Alex seinen Beitrag geleistet. Er hat mit seiner Größe nicht auf Anhieb problemlos in den MP4-20 gepasst, aber das wird geändert. Alex ist ein Teamplayer und hat - so gerne er bei den ersten Rennen die Freitagstests gefahren wäre - Verständnis für die augenblickliche Situation."
"Temperaturen und einer Luftfeuchtigkeit wie in der Sauna"
Frage: "Nun steht das Hitzerennen von Malaysia vor der Tür, bei dem die Motoren ihr zweites Rennen überstehen müssen. Erwarten Sie diesbezüglich mehr Schwierigkeiten als in Australien, wo es kühler als angenommen war?"
Haug: "Ein zweites Rennen für ein und denselben Motor ist klarerweise eine extreme Belastung, insbesondere bei den klimatischen Bedingungen von Kuala Lumpur mit 35 Grad und mehr Außentemperatur. Es ist keine anderthalb Jahre her, da mussten Motoren rund 400 Kilometer halten, jetzt wird fast die vierfache Zahl verlangt. Dass das Rennen in Malaysia üblicherweise bei Temperaturen und einer Luftfeuchtigkeit wie in der Sauna stattfindet, macht die Herausforderung nicht kleiner."
Frage: "Wie geht es nun für Ihr Team weiter? Sind schon jetzt weitere Entwicklungsschritte geplant und wenn ja, welche sind dies? Oder kommen signifikantere Modifikationen erst ab Imola zum Einsatz?"
Haug: "Wir werden uns Schritt für Schritt weiterentwickeln und dazu gibt es, wie in jedem Team, eine sehr präzise Planung. Diese Schritte groß anzukündigen, macht indes wenig Sinn."
Haug plädiert für einen neuen Qualifying-Modus
Frage: "Wir haben ein sportlich wertloses Qualifying erlebt, kaum Überholmanöver gesehen und BAR-Honda hat aus taktischen Gründen beide Autos an die Box geholt. Wie beurteilen Sie die Premiere der neuen Regeln?"
Haug: "Wie bei den meisten Kollegen, mit denen ich gesprochen habe, hält sich meine Begeisterung in Grenzen. Unsere Vorschläge wurden oft gemacht und sehen anders aus. Für uns bei Mercedes-Benz muss der Kunde, der Zuschauer also, im Mittelpunkt stehen. Und dieser möchte einzig und alleine wissen, wer am jeweiligen Wochenende oder Tag die schnellste Fahrer/Fahrzeug-Kombination der Formel 1 darstellt. Dies ist nicht zu ermitteln, wenn einer bei Trockenheit mit Slicks, der andere bei Platzregen mit Intermediates und der dritte bei starkem Regen mit Regenreifen unterwegs ist."
"Dabei geht es nicht um die Momentaufnahme in Melbourne und ob die ungleichen Bedingungen nun uns getroffen haben oder andere. Es geht vielmehr darum - im Sinne des Zuschauers - möglichst gleiche Voraussetzungen für alle Wettbewerber zu schaffen. Skispringer können nicht alle auf einmal von der Schanze springen, Formel 1-Fahrer können aber alle miteinander bei gleichen Streckenbedingungen trainieren."
Frage: "Ferrari hat ohne Wissen der anderen Teams ein neues Concorde Agreement unterschrieben, inzwischen angeblich auch Red Bull Racing und Jordan. Wie sehen Sie die Tatsache, dass Weltkonzerne wie Mercedes, BMW, Renault, Honda und Toyota in dieser Frage einfach übergangen worden sind?"
Haug: "Das Concorde Agreement haben alle Teams der Formel 1 unterschrieben und es ist bis Ende 2007 gültig. Was Ferrari unterschrieben hat, ist offensichtlich eine langfristige Abmachung, der die Ferrari-Bezüge in der Formel 1 regelt. Ob dies zielführend ist, wird sich zeigen."
Haug sieht "Handlungsbedarf" bezüglich der Formel-1-Zukunft
Frage: "Die geplante 'GPWC'-Serie wird zum Teil noch immer als Säbelrasseln und Verhandlungspoker betrachtet. Was haben Sie dem entgegenzusetzen?"
Haug: "Jeder sieht, dass die Formel 1 heute noch mehr Menschen fasziniert als noch vor zehn Jahren. Aber klar ist auch, dass Handlungsbedarf besteht. Wir stehen für die gerechte Verteilung der erwirtschafteten Gelder und wollen dabei sehr wohl, dass die herstellerungebundenen Teams ihren fairen Anteil erhalten, wir bauen auf Langfristigkeit und Planbarkeit und wir wollen uns für Kostensenkungen stark machen und ganz besonders dafür, dass dem Zuschauer das Allerbeste geboten wird, sowohl vor dem Fernsehschirm als auch auf der Rennstrecke."
"Dies sind allesamt Zielsetzungen, die dem Sport, seinen Teams und seinen Zuschauern zugute kommen. Niemand, der die Formel 1 absichern will, kann sich diesen Zielen verschließen. Den Herstellern geht es nicht um eine eigene Serie, sondern um die bestmögliche Formel 1, die sich zu allervorderst am Zuschauer orientiert."

