• 27.08.2011 22:15

Hamilton: "Wir hatten Glück"

McLaren-Fahrer Lewis Hamilton über den kuriosen Zwischenfall mit Pastor Maldonado, seinen zweiten Startplatz und die Wetterlotterie von Spa

(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton hat einen aufregenden Nachmittag hinter sich: Erst kollidierte der Brite mit Pastor Maldonado (Williams), dann hatte Hamilton kurz die Pole-Position inne, um sie Sekunden später doch noch an Sebastian Vettel (Red Bull) zu verlieren. Unterm Strich zeigte sich der McLaren-Fahrer bei den schwierigen Wetterverhältnissen in Belgien in guter Form und nimmt den Großen Preis in Spa aus Position zwei in Angriff. Im Interview nimmt Hamilton ausführlich Stellung zu den Ereignissen.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Lewis Hamilton hatte eine interessante Qualifikation mit Unfall und Startplatz zwei

Frage: "Lewis, ein dramatisches Qualifying für dich - speziell in den letzten Augenblicken und auch am Ende der zweiten Teilsession. Kannst du uns erklären, was genau da zwischen dir uns Pastor Maldonado los war?"
Lewis Hamilton: "Ich muss mir diese Szene erst noch einmal anschauen. Ich war am Ende meiner Runde für Q2 und erreichte die Schikane. Ich stand kurz davor, meinen Umlauf zu beenden. Direkt vor mir waren die beiden Williams und saßen gewissermaßen auf der Strecke."

"Sie krochen regelrecht über den Kurs. Sie bereiteten sich wahrscheinlich auf den Start einer neuen Runde vor, doch die Ampeln waren schon rot. Ich musste versuchen, an ihnen vorbeizugelangen. Das klappte. Ich verlor dabei zwar viel Zeit, doch als ich durch Kurve eins hindurch war, sah ich Maldonado sehr schnell herankommen."

"Er fuhr um mich herum und ich bewegte mich nicht. Er schien dann zu mir herumzuziehen. Keine Ahnung, ob das Absicht war oder nicht. Ich denke, das werden wir in Kürze erfahren. Ich werde einfach hier sitzen und darauf warten, dass die Rennkommissare mich zu ihnen hochholen, statt hinunter zum Motorhome zu gehen."

Kollision nach karierter Flagge

Frage: "Das Manöver von Maldonado sah ziemlich rüde aus, er traf dich recht hart. Wie fühlte sich das im Auto an? Warst du überrascht davon?"
Hamilton: "Wenn du im Auto bist, musst du erstmal herausklettern und dir ein Bild machen. Ich kann mich nicht an alles ganz genau erinnern, doch es fühlte sich wie ein harter Schlag an. Ich dachte, meine Spur wäre hinüber, also rechnete ich mit einem Schaden am Vorderrad und an der Aufhängung."

"Es war ziemlich ernst und wir hatten recht viel Glück." Lewis Hamilton

"Die Lenkung war auf der restlichen Runde extrem leichtgängig. Ich fühlte einen großen Schub in die Seite meines Autos, der vom Rad ausging. Ich denke, auch mein Frontflügel war hinüber. Es war ziemlich ernst und wir hatten recht viel Glück, dass niemand von uns - speziell er nicht - einen Überschlag hinlegte oder einen ernsthaften Unfall hatte. Wir hatten Glück, denke ich."

Frage: "Es sah ziemlich gefährlich aus..."
Hamilton: "Aus meiner Sicht heraus, also aus dem Auto heraus, schien es gefährlich zu sein. Ich habe so etwas noch nie gesehen und es war meine erste Erfahrung dieser Art. Ich muss mir die Szene aber noch einmal ansehen, um die Schuldfrage und dergleichen beantworten zu können. Wie ich schon sagte: Wichtig ist, dass niemand verletzt wurde und dass wir trotzdem weitermachen konnten. Das war gut für mein Team."

Frage: "Hattet ihr nicht zwei Kollisionen?"
Hamilton: "Als ich zum Ende meiner Q2-Runde, meinem einzigen Versuch, in der Schikane auf einige Fahrzeuge auflief, musste ich an ihnen vorbei, um meine Zeit zu setzen. Maldonado wählte eine weite Linie, also ging ich nach innen. Er zog dann plötzlich herein und wir berührten uns leicht. Das war aber nichts Ernstes. Vielleicht war er anschließend wütend, keine Ahnung."

Frage: "Hattet ihr Sorgen, dass ihr nach der Kollision auf die Teilnahme an Q3 verzichten müsstet? Wie sehr war das Auto beschädigt?"
Hamilton: "Der Frontflügel war ziemlich mitgenommen. Mein Seitenkasten und - das dachte ich - meine vordere Aufhängung hatten ebenfalls etwas abgekriegt."

"Zum Glück brachten die Jungs alles wieder zusammen." Lewis Hamilton

"Die Spur schien ein bisschen verstellt zu sein, doch zum Glück brachten die Jungs alles wieder zusammen. Ich denke, sobald die Flagge zu sehen ist und die roten Lampen leuchten, muss man einfach kein Rennen mehr fahren. Es sollte dementsprechend nie und nimmer zu einem Zwischenfall kommen. So war es aber leider."

Frage: "Warst du bei den Rennkommissaren? Was ging dabei vor sich?"
Hamilton: "Darüber darf ich nicht zu viel sagen. Es war kein wirklich aufregendes Meeting. Sie zeigten uns die Onboard-Aufnahmen aus meinem Auto, doch sie schienen kein Pendant-Bildmaterial aus seinem Fahrzeug zu haben. Rubens hatte bei Williams wohl die Kamera installiert. Es wäre natürlich klasse, den Zwischenfall aus seiner Sicht zu sehen."¿pbvin|512|4002||0|1pb¿

Hamilton: "Es war kein Rennunfall"

Frage: "Wie siehst du die Sache nun also, nachdem du einen Einblick in die Bilder hattest?"
Hamilton: "Es war kein Rennunfall. Durch die letzte Kurve musste ich an ihnen vorbei und vielleicht berührten wir uns dabei ein bisschen. Möglicherweise, so dachte ich, hatte ihn das ein bisschen wütend gemacht. Vielleicht wollte er danach einfach nur seinen Standpunkt klarmachen, keine Ahnung."

"Er kommt von rechts und fährt nach links." Lewis Hamilton

"Ich habe mich nicht mit ihm darüber unterhalten, also weiß ich es nicht. Die Bilder zeigen aber klar, dass wir uns auf einer Gerade bewegen, die eine Biegung nach rechts hat. Er kommt von rechts und fährt nach links. Ich kann nicht noch weiter nach links und irgendwie landet sein Auto auf meinem Auto. Da kann sich dann jeder seine eigene Meinung bilden, doch ich fuhr nicht in jemanden hinein. Ich bin gespannt auf das Ergebnis."

Frage: "Ausgangs La Source schienst du einen kleinen Schlenker nach rechts zu machen, ehe du nach links fuhrst..."
Hamilton: "Am Ende der Session begann es wieder etwas zu regnen, denke ich. Da hatte ich vielleicht ein bisschen durchdrehende Räder. Ich blieb aber meiner Linie treu und fuhr ein kleines bisschen nach rechts."

"Ich sah, dass er sich neben mich setzte, und zog zurück. Danach war er in meinem toten Winkel und ich fuhr einfach weiter. Ich rechnete mit einem Überholmanöver. Dann war er direkt neben mir und wir hatten Glück, dass sein Hinterrad nicht auf mein Vorderrad traf. Sonst hätte es sicherlich mehr Schaden gegeben."

"Wir wussten nicht, was wir vom Samstag erwarten durften." Lewis Hamilton

Frage: "Sprechen wir über dein Ergebnis: Du startest wieder aus der ersten Reihe. McLaren war in den beiden vergangenen Rennen siegreich. Stimmt dich das zuversichtlich für Sonntag?"
Hamilton: "Ich denke, dass wir klarerweise ziemlich stark sind. Wir wussten nicht, was wir vom Samstag erwarten durften, doch das Team leistete fantastische Arbeit. Es brachte einige neue Komponenten an diese Strecke, was klasse zu sehen war. Diese Teile scheinen sehr gut zu funktionieren."

"Was mit Jenson passierte, weiß ich nicht, aber er schaffte es leider nicht in Q3. Die Vergangenheit hat aber schon gezeigt, dass von ziemlich weit hinten noch alles möglich ist. Es war sehr eng. Ich sagte gerade zu Sebastian, er habe eine fantastische Runde hingelegt. Ich hatte die Pole-Position für eine Sekunde, dann verlor ich sie wieder. Länger hatte ich Startplatz eins in diesem Jahr noch nie inne. Daran werde weiter daran arbeiten."

Flügelarbeit beim britischen Traditionsteam

Frage: "Es war ein Tag mit Höhen und Tiefen..."
Hamilton: "Allerdings. Die Jungs in der Box leisteten tolle Arbeit. Es war wirklich ein ereignisreicher Tag, eine ereignisreiche Stunde. Wir wussten nicht, was mit dem Wetter passieren würde und wollten einfach nur sicherstellen, die richtigen Reifen am Auto zu haben."

"Das ist das Tolle an dieser Strecke." Lewis Hamilton

"Dann musst du noch schauen, dass du deine Runde hinbekommst, wenn es darauf ankommt. Das Schlimmste ist, wenn du einen langsamen Versuch einschiebst, um deine Reifen zu schonen. Du hoffst einfach darauf, in deiner nächsten Runde an exakt dieser Stelle nicht auf Regen zu treffen. Das ist das Tolle an dieser Strecke."

Frage: "Am Freitag sprachst du von der Testarbeit an den Flügeln. Seid ihr deswegen so schnell, wenn es den Hügel hinaufgeht?"
Hamilton: "Es geht einfach nur darum, die richtige Balance zu finden. Du kannst den kompletten Abtrieb vom Auto herunternehmen und einen guten Topspeed haben, doch dann hast du im Mittelsektor zu kämpfen."

"Der Kompromiss steht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Es war noch immer nass und wir wissen nicht, was das Wetter am Sonntag macht. Es heißt, dass es trocken sein soll. Wir wählten daher nicht das optimale Abtriebsniveau für trockene Bedingungen. Ich rechne aber trotzdem damit, dass es trocken sein wird."

Frage: "Es ist also ein Kompromiss und weder das eine noch das andere, richtig?"
Hamilton: "Ja, genau."

"Wie viel Action es geben wird, weiß ich nicht zu sagen." Lewis Hamilton

Frage: "Die DRS-Zone ist in Spa-Francorchamps ziemlich lange. Inwiefern wünscht man sich da, gegen Rennende an zweiter Stelle zu liegen, um den verstellbaren Heckflügel einzusetzen? Wird man deiner Meinung nach reichlich Action sehen?"
Hamilton: "Wie viel Action es geben wird, weiß ich nicht zu sagen."


Fotos: Lewis Hamilton, Großer Preis von Belgien


"Ich glaube aber: Wir werden sicherlich einige Überholmanöver sehen. Man darf sich beim Verteidigen ja nur begrenzt bewegen. Das Überholen wird vermutlich recht einfach sein, vielleicht so wie in der Türkei. Wenn man nur nahe genug dran ist, kann man DRS ganz einfach einsetzen und vor Kurve vier überaus komfortabel vorbei sein."

Der McLaren sprüht Funken

Frage: "Am Ende von Q2 hüpfte dein Auto ziemlich und es flogen auch Funken. Muss man sich deswegen Sorgen machen? Ist dein Fahrzeug eher auf nasse Bedingungen abgestimmt?"
Hamilton: "Nein. Ich denke, heutzutage gibt es keinen so großen Unterschied mehr zwischen dem Setup für nasse und trockene Bedingungen. In der Vergangenheit und in anderen Kategorien stellte man das Auto einfach etwas weicher ein."

"Ich habe aber keine Ahnung, warum Funken fliegen sollten." Lewis Hamilton

"Heute ist es so, dass du zwischen Qualifikation und Rennen nichts mehr verändern darfst. Du musst also versuchen... Das Setup für trockenes Wetter und das Setup für nasses Wetter ähneln sich durchaus. Ich habe aber keine Ahnung, warum Funken fliegen sollten. Das Fahrzeug war entweder zu nieder oder es hing etwas weg. Ich habe das nicht bemerkt."

Frage: "Wenn ich es beschreiben müsste: Das Auto verhielt sich etwa so wie beim Anbremsen nach der langen Gerade in der Türkei. Etwas dergleichen..."
Hamilton: "Ja, deswegen meinte Sebastian, ich hätte auf meiner letzten Runde einen Verbremser produziert. Mein Auto hüpfte wie wild über die Curbs der letzten Schikane."

Frage: "Habt ihr in den vergangenen Tagen probiert, diese Problematik in den Griff zu kriegen, oder trat dieses Phänomen erst am Samstag auf?"
Hamilton: "Es ist etwas, das wir schon seit drei Jahren zu kurieren suchen."

"Wir haben niemals Probleme damit, die Reifen aufzuwärmen." Lewis Hamilton

Frage: "Wie schwierig ist es, die Reifen angesichts der schwierigen Bedingungen auf Temperatur zu bringen?"
Hamilton: "Nun, wir haben niemals Probleme damit, die Reifen aufzuwärmen."

Frage: "Bleiben wir bei den Reifen: Dein linker Vorderreifen warf Blasen. Ist das eine Sorge im Hinblick auf das Rennen?"
Hamilton: "Das weiß ich nicht. Ich muss mich erst einmal mit unseren Reifenspezialisten unterhalten. Mir ist es ebenfalls aufgefallen, dass ich drei Blasen auf dem Reifen habe, es fehlen drei Brocken. Keine Ahnung, ob das auch bei anderen Fahrern auftrat oder ob man es da nur nicht bemerkte. Das könnte ein Problem sein, schauen wir einmal."

Was macht das Wetter in Spa?

Frage: "Die Qualifikation war eine Lotterie. Was musst du tun, um am Sonntag den Jackpot zu gewinnen?"
Hamilton: "Ich denke, am Sonntag brauche ich ein bisschen Glück. Die Bedingungen sind sehr schwierig und wir wussten bei unseren Vorbereitungen nicht, ob es nass oder trocken sein würde."

"Wir wählten also ein bestimmtes Setup und hoffen, dass es passt. Wir wissen nicht, wie der Reifenverschleiß sein wird. Ich bete einfach, dass die Balance stimmt und dass ich das Rennen auf einem guten Platz beenden kann."

"Ich mag die Strecke und das wechselnde Wetter." Lewis Hamilton

Frage: "Ist die Wettersituation in Spa eigentlich spannend für dich oder nervt es eher?"
Hamilton: "Ich mag die Strecke und das wechselnde Wetter. Das macht dies alles zu einer unglaublichen Herausforderung. Die Ingenieure sagen dir: 'Der Regen wird stärker.' Wenn du aber dorthin kommst, ist da überhaupt kein Regen, sondern es trocknet ab."

"Ich finde das einfach sehr interessant. Es ist eine Strecke, auf der es nass, trocken und rutschig zugleich sein kann. Das macht die ganze Geschichte knifflig und zu einer Art Lotterie. Das ist aber gerade das Spannende daran. Und natürlich: Wenn du am Ende an der Spitze stehst, kannst du immer sagen, wie toll es ist."

"Im anderen Fall kann es wirklich ganz schön nerven. Unterm Strich ist es eine tolle Herausforderung. Zum Schluss war es trocken, wobei niemand von uns zuvor wirklich viele Runden im Trockenen zurückgelegt hatte. Wir hofften einfach nur, dass das Auto richtig abgestimmt sein würde. Darin liegt ja auch die Spannung: Macht man es richtig oder falsch?"