Genervt: Kritische Medienberichte ärgern Kaltenborn

Weil der Sauber-Rennstall kaum über den Russland-Deal spricht, zweifeln die Medien daran, sehr zur Verärgerung von Teamchefin Monisha Kaltenborn

(Motorsport-Total.com) - Am 15. Juli hat das finanziell schwer angeschlagene Sauber-Team eine Partnerschaft mit einem russischen Staatsfond und dem russischen Institut für Luftfahrt und Technologie bekannt gegeben, doch Ruhe ist in Hinwil trotzdem nicht eingekehrt. Angesichts der zurückhaltenden Kommunikationspolitik der Schweizer nach Verlautbarung des Deals sprießen kritische Medienberichte weiterhin wie Pilze aus dem Waldboden.

Titel-Bild zur News: Monisha Kaltenborn

Teamchefin Monisha Kaltenborn liegt derzeit mit einigen Medien im Clinch Zoom

Unter anderem wird spekuliert, dass das Institut für Luftfahrt und Technologie einen Rückzieher machen könnte, und Staatspräsident Wladimir Putin soll seine Zustimmung ebenfalls verweigern. Angeblich soll die Pressemitteilung vom 15. Juli sogar nur auf Basis einer schwammigen Absichtserklärung herausgegeben worden sein. Und dass Sauber selbst kaum Informationen über den Stand der neuen Partnerschaft preisgibt, tut sein Übriges dazu, dass der Blätterwald weiterhin laut raschelt.

Am 13. August platzte den Sauber-Verantwortlichen dann aber der Kragen, sodass diverse kritische Medienberichte mittels Pressemitteilung als "Falschmeldungen und Gerüchte" abgetan wurden. Ferner hieß es darin: "Wir sind verwundert, mit welcher Leichtfertigkeit manche Medien Falschmeldungen und Gerüchte in die Welt setzen." Eine Formulierung, die in der Formel 1, in der kritische Themen zumeist hinter verschlossenen Türen geregelt werden, als unüblich gilt.

Fortschritte mit den Russen nur "Schritt für Schritt"

Warum also dieser verschärfte Ton gegenüber 'Die Welt', 'Bild', 'Blick' & Co.? "Weil es mir auf die Nerven geht, wenn jeden Tag von irgendjemandem irgendein Unsinn ohne jede Basis geschrieben wird", begründet Teamchefin Monisha Kaltenborn. Unmittelbar nach dem Grand Prix von Ungarn war sie zwar erneut in Moskau, um die Partnerschaft voranzutreiben, aber grundsätzlich sei alles klar: "Wir haben Fortschritte gemacht, so, wie wir es erwartet hatten. Es geht in die richtige Richtung, Schritt für Schritt. Sehr viel mehr gibt es dazu nicht zu sagen."

Allerdings räumt sie ein, dass "einige Dinge bei Unternehmen wie diesen einfach etwas länger dauern. Das gehört dazu." Man habe dies im Vorfeld "eindeutig nicht erwartet, aber wir müssen es akzeptieren und wir müssen uns darauf einstellen." Aus der Fassung bringen lässt sich die Österreicherin davon jedoch nicht: "Manches wird sich mit der Zeit ergeben. Das muss man sehr fokussiert und mit einer gewissen Ruhe weiterverfolgen."

"Weil es mir auf die Nerven geht, wenn jeden Tag von irgendjemandem irgendein Unsinn ohne jede Basis geschrieben wird." Monisha Kaltenborn

Diverse Medienberichte seien "sicher nicht gut" für Sauber gewesen: "Wenn man in Verhandlungen, auch mit anderen Partnern, damit beginnen muss, sich zu rechtfertigen, warum so etwas geschrieben wird, ist das nicht gut. Jeder denkt sich ja: Da muss ja etwas dran sein, wenn so etwas geschrieben wird." Selbst im Paddock ist die Stimmung von der anfänglichen Euphorie nach dem Deal gekippt - kaum jemand glaubt noch, dass Sauber damit endgültig gerettet ist.

Medienberichte schadem dem Sauber-Business

Aber Kaltenborn versucht gelassen zu bleiben, obwohl sie die Darstellung der aktuellen Situation in den Medien als geschäftsschädigend empfindet: "Ich habe für mich selbst gelernt, dass Spekulationen sowieso nicht aufhören, weil Menschen einfach reden, weil sie das Redebedürfnis haben. Also lasse ich sie weiter reden. Das sollte uns nicht beeindrucken", sagt sie und erklärt, dass man sich gar nicht erst die Mühe gemacht habe, die ursprünglichen Quellen hinter der kritischen Berichterstattung ausfindig zu machen.

Und sie zeigt sogar ein bisschen Verständnis für die schreibende Zunft, wenn sie eingesteht: "Wenn man als Team gewisse Dinge nicht sagen kann, ist es ja auch irgendwo zu akzeptieren, dass viele darüber spekulieren und dazu schreiben. Im Grunde brauchen wir Teams das ja auch, denn es ist ein gegenseitiges Nehmen und Geben, und wenn wir keine Informationen geben können, ist es das gute Recht eines jeden, darüber zu schreiben. Ich hoffe, je mehr wir kommunizieren können, desto ruhiger und stabiler wird es wieder."

Was die Partnerschaft mit den Russen angeht, so liege der Fokus derzeit auf Fahrer Sergei Sirotkin, der schon 2014 im Auto sitzen soll. Der Renault-World-Series-Pilot wird am kommenden Sonntag 18 Jahre alt und hat diese Woche zwei Tage in der Fabrik in Hinwil verbracht, wurde in Prozeduren und Arbeitsweisen eingeführt, dem etablierten Physiotherapeuten Josef Leberer vorgestellt und in Gesprächen mit der Teamleitung gründlich durchleuchtet.


Fotos: Sauber, Großer Preis von Belgien


Sirotkin-Demofahrt in Sotschi am 27. September

Schon in den nächsten Wochen soll er im Simulator sitzen und möglicherweise ein zwei Jahre altes Auto testen, bevor dann auf der neuen Rennstrecke in Sotschi ein erstes Highlight der russisch-eidgenössischen Partnerschaft auf dem Programm steht: "Wir werden das erste Team sein, das auf der Strecke eine Demofahrt absolviert, mit Sergei am Steuer, am 27. September." Theoretisch ein perfekter Anlass, um weitere Details zu veröffentlichen und die informationshungrigen Medien zu beruhigen...

Deren Annahme, dass die Russen bis zu 400 Millionen Euro ins Team pumpen sollen, löst bei Kaltenborn übrigens nur Kopfschütteln aus: "Wir kommentieren so etwas grundsätzlich nicht, aber jeder vernünftig denkende Mensch weiß, dass solche Zahlen in der Formel 1 heutzutage Träumerei sind. Nicht einmal ein Topteam darf von solchen Summen träumen." Was bisher an Geld geflossen ist, soll Kritikern zufolge nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein, wenn es darum geht, etwa offene Rechnungen bei Motorenlieferant Ferrari zu begleichen...

Aber Kaltenborn blickt unbeirrt in die Zukunft und konzentriert sich lieber auf die nächste Gesprächsrunde mit den neuen Partnern: "Ich werde sehr bald wieder nach Moskau fliegen, um über den nächsten Teil zu sprechen, nämlich die technische Seite", kündigt sie an. "Das dauert einfach länger. Wir haben das Institut gesehen, die Leute getroffen, können bestimmte Projekte bereits herauspicken: Aerodynamik, Berechnungen von Ressourcen, Materialien."