Gascoyne: "Waren konstant das drittschnellste Auto"
Mike Gascoyne, Technikchef bei Toyota, im Interview über die Saison 2005, die neue Vorderradaufhängung und die Leistungen der Fahrer
(Motorsport-Total.com) - Mit 45 beziehungsweise 43 WM-Punkten landeten Ralf Schumacher und Jarno Trulli 2005 auf den starken Gesamtpositionen sechs und sieben, und Toyota verpasste als Team den Sprung auf das Jahrespodium nur wegen des Ferrari-Doppelsieges in Indianapolis. Dennoch fällt das Saisonfazit von Technikchef Mike Gascoyne nach den 19 zum Teil sehr erfolgreichen Rennen positiv aus.

© xpb.cc
Mike Gascoyne ist der bestverdienende Designer der gesamten Formel 1
Frage: "Mike, glaubst du, dass die starke Performance von Toyota zu Saisonbeginn einige Leute überrascht hat?"
Mike Gascoyne: "Wir haben zunächst eine Spezifikation unseres Autos präsentiert, die nur für das Rollout gedacht war, ähnlich dem letztjährigen Auto, und die Leute haben dazu natürlich ihre Kommentare abgegeben. Das war Absicht, denn wir wussten, dass wir für den Australien-Grand-Prix ein großes aerodynamisches Update bekommen würden. Wir wussten, dass da noch einiges an Performance drin steckt."#w1#
Im Winter hat Toyota die Karten noch nicht aufgedeckt
"Die Wintertests verliefen - abgesehen von einem Test in Barcelona, nachdem die Strecke neu asphaltiert worden war - positiv. Angesichts der Benzinmengen, die wir an Bord hatten, waren wir zufrieden. Ich habe gesagt, dass wir am Saisonende das zweit- oder drittschnellste Auto haben möchten, und viele meinten, dass das schwachsinnig sei, aber ich war recht zuversichtlich."
"Im ersten Rennen hatten wir ein nasses Qualifying, sodass wir in der ersten Reihe gestanden sind. Jarno hatte dann Probleme mit abfallendem Reifendruck, aber im ersten Stint war er sehr konkurrenzfähig. Alle haben das als kurzes Aufblitzen abgetan, aber die Pace des Autos wurde dadurch schon offensichtlich. Als wir es dann in Malaysia und Bahrain aus eigener Kraft geschafft haben, waren wir nicht überrascht über die beiden zweiten Plätze."
Frage: "Wie schätzt du ein, wie sich das Jahr entwickelt hat?"
Gascoyne: "Wir waren zu Saisonbeginn drei oder vier Zehntel hinter Renault und sahen gut aus, weil McLaren zunächst Schwierigkeiten hatte. In jener Phase hatten wir bei jedem Rennen aerodynamische Updates, es gab eine laufende Weiterentwicklung. Das Auto ist auch Schritt für Schritt leichter geworden. Zu Saisonmitte hatten wir Schwierigkeiten mit der Berechenbarkeit des Hecks, aber das konnten wir durch einige neue Teile aussortieren, und in den letzten fünf oder sechs Rennen waren wir sehr konstant."
Gascoyne wehrt sich gegen Vorwurf des mangelnden Fortschritts
"Die Annahme, dass wir gut begonnen haben, dann aber abgestürzt sind, ist meiner Meinung nach unfair. Ich denke, wir waren konstant das drittschnellste Autos des Feldes, zumindest in den letzten paar Rennen - und wahrscheinlich liegen wir jetzt wieder dieselben 0,3 bis 0,4 Sekunden hinter Renault wie zu Saisonbeginn. Ich sehe da jedenfalls keinen Abfall."
Frage: "Warum konntet ihr dann den frühen Schwung nicht ganz mitnehmen?"
Gascoyne: "Wir haben uns einige Resultate durch die Finger gehen lassen. Monaco hätte sehr stark werden können, aber dann passierte Ralfs Qualifying-Unfall, der Jarno auch beeinträchtigt hat, weil er der Nächste auf der Strecke war. Da wäre sicher ein Podium möglich gewesen. Am Nürburgring wäre Jarno sicher auf das Podium gekommen, aber wir konnten das Auto nicht rechtzeitig starten, und in Kanada lag er ja auf Podestkurs, als die Bremsen versagten. In Ungarn waren wir Dritter und Vierter, und im Regen von Spa waren wir auch konkurrenzfähig, aber wir haben uns dann strategisch falsch entschieden."
"Ich bin insgesamt zufrieden, bedaure aber die entgangenen Chancen auf Podestplätze, denn kombiniert mit Indy sind wir dadurch nicht auf dem dritten WM-Platz gelandet, mit dem ich sehr glücklich gewesen wäre. Insgesamt muss man aber sagen, dass wir das meistverbesserte Team sind, und wir sind in einer guten Ausgangsposition für nächstes Jahr, wenn man bedenkt, dass wir unser B-Modell noch vor Saisonende eingeführt haben."
Neue Vorderradaufhängung bringt aerodynamische Vorteile
Frage: "Was ist der Gedankenansatz hinter der Vorderradaufhängung des neuen TF105B?"
Gascoyne: "Der TF105B hat eine andere Vorderradaufhängung, und im Windkanal ergab sich dadurch eine erhebliche Verbesserung der Performance - mehr als erwartet. Mechanisch ist diese Vorderradaufhängung aber schwer zu implementieren, weshalb ich nicht das Risiko eingehen wollte, damit bis Januar zu warten. Wenn man dann nämlich Probleme hat, kann man diese nicht mehr vor Saisonbeginn beheben, also haben wir uns dazu entschlossen, die Änderungen in den TF105 einfließen zu lassen. Dadurch mussten wir Kompromisse eingehen, aber in erster Linie war es ja ein Test."

© xpb.cc
Mit der neuen Vorderradaufhängung des TF105B kam Schumacher besser zurecht Zoom
"Immer, wenn man etwas zum zweiten Mal macht, macht man es viel besser, weil man beim ersten Mal erst die Schwachstellen entdecken muss. Das war unser eigentlicher Antrieb, diese Variante noch bei den letzten Saisonrennen auszuprobieren. Es gibt einige mechanische Schwierigkeiten mit dieser Vorderradaufhängung. Man bekommt aerodynamische Vorteile, muss aber gleichzeitig mechanische Verluste in Kauf nehmen. Beim ersten Test hatten wir Probleme, aber insgesamt hat es sich als positiver Schritt herausgestellt, sogar größer als erwartet. Da jetzt ja die Testpause bevorsteht, war es richtig, die neue Vorderradaufhängung noch im Renneinsatz zu erproben."
Gascoyne mit beiden Fahrer durchaus zufrieden
Frage: "Bist du mit den Leistungen der beiden Fahrer zufrieden?"
Gascoyne: "Ja. Ralf ist sich selbst gegenüber sehr kritisch, was die Qualifying-Performances angeht, aber er hat viele Punkte gesammelt. Jarno war im Qualifying fantastisch, aber auch in den Rennen, in dem wir ihm ein konstantes Auto geben konnten. Er bedauert die verpassten Podestplätze in Monaco, am Nürburgring und in Kanada sehr."
Frage: "Du hast auch zuvor schon mit beiden zusammengearbeitet. Waren sie so gut wie erwartet?"
Gascoyne: "Beide sind besser als damals. Jarno ist ganz sicher ein besserer Rennfahrer als beim ersten Mal, als wir zusammengearbeitet haben, und auch Ralf ist seither reifer geworden. Beide haben noch das Talent, aber als Rennfahrer sind sie insgesamt kompletter geworden."

