• 25.06.2006 13:32

Fry: "Es gibt Vor- und Nachteile"

Der Honda-Teamchef versucht, die Situation um Geoff Willis und Shuhei Nakamoto zu erklären - langfristig soll die neue Struktur den Erfolg bringen

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Innerhalb des Honda-Teams ist an den vergangenen Tagen viel passiert. Geoffrey Willis ist als Technischer Direktor weg, Shuhei Nakamoto hat nun die Verantwortung. Kannst du uns genauer erklären, was genau passierte und wie?"
Nick Fry: "Die Chronologie ist recht einfach. Das Jahr verlief enttäuschend, speziell die vergangenen Rennen. Dabei war die Vorsaison viel versprechend und die Leistung in den ersten Rennen gut. Wir wollen die Leute, die in Japan und England am Auto arbeiten, eng zusammenführen. Auf einigen Gebieten funktioniert das im Moment sehr gut, auf anderen weniger gut. Daher wurde Nakamoto befördert, der in Formel-1-Kreisen ja sehr bekannt ist. Er hat sechs Jahre bei unserem Team in England gearbeitet, kennt das Team also, und war davor 17 Jahre im Rennsport in Japan tätig. Er soll das alles zusammenführen und mir direkt Rechenschaft ablegen."#w1#

Titel-Bild zur News: Nick Fry

Nick Fry hofft, dass die Umstrukturierung zu Verbesserungen führen wird

"Gleichzeitig führten wir auch andere Änderungen durch. Der komplette Einsatz unterstand Geoff, das haben wir aufgeteilt. Zudem gab es auch im japanischen Management einige Änderungen. Ich denke, dass man sich jetzt sehr auf Geoff konzentriert und auch auf das, was mit ihm geschehen wird. Aber das ist nur ein Teil der Umstrukturierung. Die Organisation ist flacher als das, was wir bis dahin hatten. Wir wollen, so lange es praktikabel ist, so viele Leute wie möglich mit einbeziehen - in England und Japan. Das ist kein kurzfristiger Plan. Vielmehr brauchen wir Zeit, bis sich das auswirkt, aber langfristig verbessert das hoffentlich unsere Leistung."

"Was Geoff betrifft: Er ist derzeit beurlaubt. Die Diskussionen werden aber in den kommenden Wochen weitergehen, wir werden dann sehen, welche Zukunft in einer gegenseitigen Entscheidung offen steht. Aber wir sind momentan hier in Amerika und Geoff in England, daher wird das vor der Woche, in der wir zurückgehen, nicht gelöst werden."

Zukunft von Willis noch nicht entschieden

Frage: "Hat Geoff seinen Posten schon niederlegt, noch ehe Nakamoto versetzt wurde?"
Fry: "Nein, dass passierte alles zur gleichen Zeit. Die Rolle von Geoff im Team war Gegenstand der Diskussionen zwischen ihm und mir. Vor einigen Monaten kamen wir überein, dass er zu weniger Rennen kommen würde, wir arbeiteten also an der Neustrukturierung der gesamten Organisation. In dieser Woche trafen wir hierzu natürlich ein paar offensichtlichere Entscheidungen."

Frage: "Wollte er selbst diese Beurlaubung, oder wolltet ihr ihn einfach loswerden?"
Fry: "Nein, nein, nein. Er bleibt ein Angestellter des Teams. Er wird jetzt sicher Mountainbike fahren, also den Berg hoch und runter und darüber nachdenken, was er machen möchte. Wir haben dem gemeinsam zugestimmt und auch der Ausgang dieser Geschichte wird von uns entschieden. Die Beziehungen sind weiterhin gut. Ich habe mit Geoffrey vier Jahre lang gearbeitet und er ist ein persönlicher Freund von mir. Ich bin sicher, dass wir etwas finden werden, was für ihn und uns akzeptabel ist."

Frage: "Und wenn ihr nun getrennte Wege geht, wie wollt ihr eine Kontinuität sicherstellen? Wer führt dann beispielsweise die Arbeit im Windkanal an?"
Fry: "Warum denn den Windkanal? Wir haben Mariano Alperin schon zum Leiter dieser Abteilung ernannt. Er ist schon lange bei uns und macht auch weiter. Der neue Windkanal ist bald fertig, 30 neue Leute sind schon eingestellt, die darin arbeiten sollen. Darunter sind auch Aerodynamiker von anderen Teams. Wir fühlen uns da gut ausgerüstet und ich habe Vertrauen in Mariano."

Frage: "Wie ist denn die Stimmung im gesamten Team nach diesen Umstellungen?"
Fry: "Die ist gut. Die Jungs ließen ihre Köpfe nie hängen. Wir sind ja noch nicht so lange dabei, aber in dieser Zeit hatten wir schon Höhen und Tiefen. Sie hätten sich schon aufgeben können, aber ich finde es bemerkenswert, dass sie es immer versuchen, weiterzumachen. Als ich vor vier Jahren beim Team einstieg, stellten wir klar, dass es schwieriger und nicht einfacher werden würde. Je weiter vorn man ist, desto schwerer wird es. Es war ja klar, dass es nicht einfach ist, Teams wie McLaren und Ferrari, die seit 40 beziehungsweise 55 Jahren dabei sind, zu schlagen. Rennen wie in Silverstone sind aber ein Schock, ganz klar, aber nach 24 Stunden arbeitet man einfach weiter."

Nakamoto als großer "Zusammenführer"

Frage: "Wird es aber für Nakamoto nicht schwierig, diese neue Rolle auszufüllen? Immerhin kommt er aus der Motorenabteilung, nun untersteht ihm aber auch der Chassisbereich."
Fry: "Nakamoto hat schon andere Fähigkeiten als Geoff, da gibt es Vor- und Nachteile. Ein Pluspunkt ist sicher, dass er die Organisationen in Japan kennt und weiß, wie man die Fähigkeiten dort bestmöglich einsetzt, damit sie dem Team helfen. Er ist da sicher besser aufgehoben als jeder andere."

"Auf der anderen Seite ist seine Formel-1-Kenntnis natürlich nicht so umfangreich wie die von Geoff. Aber das ist ja auch keine Arbeit für eine einzige Person. Formel-1-Teams sind heute sehr breit aufgestellt und wir haben gute Chefingenieure, die nun die Chance haben, sich noch stärker einzubringen. Die Änderungen sorgen natürlich für Irritationen, aber langfristig sollen sie Gutes bewirken, denn wir wollen lange in der Formel 1 bleiben. Es gibt also Vor- und Nachteile, wie überall, aber es soll der beste Weg nach vorn sein."

Frage: "Wenn diese Umstrukturierung erst noch Ergebnisse bringen soll, dann könnten die Resultate ja erstmal noch schlechter werden. Wie lange plant ihr denn die Leidenszeit, bis ihr Rennen gewinnen wollt? Gibt es dazu auch Druck aus Japan?"
Fry: "Der Druck ist natürlich groß, sowohl intern als auch aus Japan. Wir alle sitzen im selben Boot. Die Pläne für dieses Jahr sind ja schon so weit fortgeschritten, dass ich da keinen Abfall erwarte. Aber wir sind auch auf Störungen vorbereitet. Das wollen wir natürlich minimieren, aber es wäre töricht, wenn wir nicht damit rechnen würden. Wir wollen einfach alle hart arbeiten. Die Rennen sind natürlich eine andere Sache, aber wir müssen uns konzentrieren und so hart wie möglich arbeiten."

Frage: "Geht man in Japan schon davon aus, dass man die Saison 2006 abschreiben kann?"
Fry: "Ich denke nicht, dass man sie abschreiben kann. Wir haben noch viele Rennen vor uns, es ist ja nicht einmal Halbzeit. Wir müssen einfach hart weiterarbeiten und sehen, was uns das bringt."

Frage: "Warum erklärte eurer Sportlicher Leiter Gil de Ferran noch am Sonntagabend in Silverstone, dass es keine Änderungen geben wird? Sagte er nicht die Wahrheit oder wusste er zu diesem Zeitpunkt selbst noch nichts?"
Fry: "Ich weiß nicht, ob er etwas sagte oder nicht. Aber Gil ist für die sportliche Seite verantwortlich, und das läuft auch so weiter. Jacky Eeckelaert ist nun stärker involviert, aber das war auch schon vorher geplant."