• 17.07.2014 23:28

  • von Haidinger, Rencken, Sharaf, Ziegler

FRIC-Verbot: Konkurrenz hofft auf Mercedes-Nachteil

In Hockenheim werden alle Teams ohne das vernetzte Fahrwerk FRIC antreten - Wie die Rennställe darauf reagieren und mit welchen Auswirkungen die Fahrer rechnen

(Motorsport-Total.com) - FIA-Rennleiter Charlie Whiting hat es am Donnerstag bestätigt: Bei der Technischen Abnahme vor dem Grand Prix von Deutschland wurde bei keinem Auto das vernetzte Fahrwerk, auch unter dem Namen FRIC (Front and Rear Interconnected), gefunden. Somit haben alle Teams auf die Mitteilung der FIA reagiert, wonach das System als bewegliches aerodynamisches Hilfsmittel interpretiert werden kann und somit nicht dem Reglement entsprechen würde.

Titel-Bild zur News: Mercedes, Box

Wird Mercedes der Ausbau des FRIC-Systems am härtesten treffen? Zoom

Die Gefahr, dass der Grand Prix von Protesten überschattet werden könnte, scheint damit gebannt. Unklar ist allerdings, wie sich die Einschränkung auf das Kräfteverhältnis auswirken wird. Vor allem Mercedes und Red Bull galten bei der Entwicklung des hydraulisch vernetzten Fahrwerks, das eine ähnliche Wirkung wie eine aktive Radaufhängung haben soll, als führend.

Mercedes spielt mögliche Konsequenzen herunter

Werden diese Teams also auch am stärksten darunter leiden? "Jeden betrifft es auf eine gewisse Art und Weise - es ist also unmöglich, das einzuschätzen", winkt Mercedes-Pilot und WM-Leader Nico Rosberg ab. "Es könnte sich auswirken, aber wir müssen abwarten." Und Teamkollege Lewis Hamilton sieht sein Team ebenfalls nicht als Verlierer der Causa.

"Ich glaube nicht, dass wir darunter leiden werden, denn wenn wir es ausbauen müssen, dann ist es ja für alle gleich. Alle werden ungefähr gleich viel verlieren", sagt der Brite. Woher er wissen will, dass sich die Unterschiede in Grenzen halten werden? "Einige haben es ja bereits beim Test in Silverstone ohne FRIC probiert, und das Auto hat sich ziemlich gleich angefühlt", verlässt er sich auf Aussagen von Kollegen.

"Alle werden ungefähr gleich viel verlieren." Lewis Hamilton

Man müsse zwar das Setup etwas adaptieren, "aber durch den Simulator sollten wir eine gute Ausgangsposition haben. Wir werden morgen die gleichen Abläufe durchführen wie an jedem Wochenende."

Grosjean erklärt FRIC-Effekt

Also viel Lärm um nichts? Nicht unbedingt, denn Romain Grosjean ist anderer Meinung als die Silberpfeil-Piloten. Der Lotus-Fahrer glaubt, dass sich das Fehlen des Systems durchaus entscheidend auf die Setup-Arbeit am Freitag auswirken wird. "Wir müssen ja die Federn neu einstellen, auch den Bodenabstand", sagt er. "Wir müssen anders als sonst fahren."

Zudem rechnet er mit einem unterschiedlichen Fahrverhalten. "Natürlich wird das Auto dadurch Abtrieb verlieren, denn FRIC war ein sehr nützliches Werkzeug, um das Auto abzusenken, damit es besser liegt - und es war vor allem eine aerodynamische Hilfe. Es hat dafür gesorgt, dass der Bodenabstand an der Vorderachse in den Kurven so gering wie möglich ist, damit mehr Abtrieb erzeugt wird. Ohne das System wird das Auto jetzt am Ende der Geraden nicht so tief liegen, wie wir das gerne hätten, ohne dass es den Boden berührt."

"FRIC war ein sehr nützliches Werkzeug, um das Auto abzusenken, damit es besser liegt." Romain Grosjean

Weniger Abtrieb in langsamen Kurven

Er rechnet auch mit "Auswirkungen auf den Fahrstil". Wie sich das Auto verhalten wird, kann er nur bedingt einschätzen: "Ich habe das Auto einmal - in Mugello 2012 - ohne FRIC ausprobiert. Es war nicht so schlimm, aber das war vor zwei Jahren. Mal schauen, wie es bei diesem Auto ist."

Teamkollege Pastor Maldonado glaubt, dass die Piloten den Unterschied "vor allem in langsamen Kurven" spüren werden: "Da werden wir weniger Abtrieb haben, aber ich hoffe nicht, dass es so schlimm sein wird."


Fotostrecke: FIA-Fast-Facts: Deutschland

Was die Auswirkungen auf das Kräfteverhältnis angeht, sind beide Lotus-Fahrer zuversichtlich. "Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass es uns am härtesten treffen wird", prophezeit Maldonado. Und Grosjean deutet ebenfalls an, dass andere Teams mehr unter dem Verbot leiden könnten: "Wir wissen, dass manche Teams kompliziertere Systeme verwenden als wir, bei anderen sind sie einfacher und zeigen weniger Wirkung."

Red-Bull-Piloten hoffen auf Mercedes-Nachteil

Insgeheim hoffen aber alle, dass Mercedes darunter leiden wird. Die Red-Bull-Piloten machen daraus kein Geheimnis. "Wir werden verfrict noch einmal sehen", kann sich Dani Ricciardo einen kleinen Wortwitz nicht verkneifen. "Der Gedanke dahinter ist gut, dass man sagt, dass Mercedes vielleicht etwas mehr verliert als wir. Aber das ist nur unserer Hoffnung für jetzt."

Er glaubt aber, dass sich der Unterschied durch das Ausbauen des Systems nicht im Sekunden-Bereich bewegen wird, sondern eher "ein oder zwei Zehntel" kostet. Teamkollegen Sebastian Vettel hofft ebenfalls, "dass das Feld dadurch näher an Mercedes heranrückt, aber das ist schwer zu sagen." Seiner Meinung nach wird man die Lage erst nach dem Ungarn-Grand-Prix in einer Woche ernsthaft beurteilen können.

Nico Rosberg, Sebastian Vettel, Lewis Hamilton

Kann Red Bull das FRIC-Verbot nutzen, um Mercedes Konkurrenz zu machen? Zoom

Ferrari-Pilot Fernando Alonso spielt die Änderung herunter: "Vielleicht kommen einige Teams jetzt ein bisschen besser mit gewissen Reifenmischungen zurecht, andere vielleicht ein bisschen schlechter. Es wird sich aber nichts dahingehend ändern, dass wir jetzt plötzlich andere Leute auf der Pole-Position sehen."

FRIC-Debatte: Kaltenborn sieht Image-Problem

Und Sauber-Teamchef Monisha Kaltenborn denkt weniger an die Auswirkungen auf das Kräfteverhältnis, sondern an das Image der Formel 1. "Wir kreieren ein falsches Image, was mir Sorgen macht", sagt die Österreicherin. "Wir alle haben die Saison mit dem System begonnen, und zu Saisonmitte entscheiden wir, dass es nicht in Ordnung ist. Der Sport ist in gewisser Weise nicht in der Lage, einen stabilen und klaren Eindruck zu machen."

Mit Schuldzuweisungen hält sie sich aber zurück: "Der Weltverband ist für die Regeln verantwortlich, er muss sie überwachen und schauen, ob sie eingehalten werden oder nicht. Es ist aber nicht der Fehler des Weltverbandes, wenn wir unsere Systeme entwickeln, also müssen wir vielleicht Regeln finden, die solche Dinge auf Anhieb unterbinden."