Formel-1-Countdown 2009: Williams

Nico Rosberg hat für 2009 wieder kein Weltmeisterauto, obwohl Williams alles versucht hat, um die Gegner mit kreativen Ideen auszubremsen

(Motorsport-Total.com) - Neue Aerodynamik, Comeback der Slicks, Einführung der Hybridtechnologie KERS, neue Fahrer, ein neues Team: Nie zuvor hat sich in der jüngeren Vergangenheit von einer Formel-1-Saison auf die nächste so viel geändert wie im Winter 2008/09. 'Motorsport-Total.com' nimmt daher bis zum Eintreffen der Grand-Prix-Community im Albert Park am nächsten Donnerstag der Reihe nach alle zehn Teams genau unter die Lupe. Heute: Williams.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg, Barcelona, Circuit de Catalunya

Kein Weltmeisterauto: Auf Nico Rosberg könnte ein weiteres hartes Jahr warten

Der Traditionsrennstall mit Sitz im britischen Grove ist effektiv das letzte Privatteam in der Königsklasse des Motorsports, denn selbst hinter herstellerfremden Organisationen wie Red Bull, Toro Rosso und Force India stehen milliardenschwere Konzerne. Frank Williams ist sozusagen der letzte Dinosaurier der Formel 1 - und ein bewundernswerter noch dazu: Seit einem schweren Autounfall mit Peter Windsor im Jahr 1986 ist er an den Rollstuhl gefesselt.#w1#

Das letzte Privatteam

Der 65-Jährige gründete schon in den 1960er-Jahren sein eigenes Motorsportteam, aber dieses musste er mangels Kleingeld an den austro-kanadischen Ölmagnaten Walter Wolf verkaufen. Williams trat aus der Organisation aus, nahm Patrick Head mit und gründete gemeinsam mit seinem Landsmann 1977 die Firma Williams Grand Prix Engineering. Bis heute gehören Williams 70 und Head die restlichen 30 Prozent.

Patrick Head und Frank Williams

Patrick Head und Frank Williams 1978: Präsentation des ersten eigenen Autos Zoom

Ohne großen Automobilhersteller im Rücken - Toyota liefert zwar kostenlose V8-Motoren, ist aber kein Werkspartner - fehlt es dem britischen Traditionsteam mit seinen rund 500 Mitarbeitern vor allem an einem: Geld. Mit der Baugur-Gruppe, Lenovo und Petrobras gingen drei große Sponsoren verloren, die 2008 immerhin 35 Millionen Euro zum Gesamtbudget beigetragen haben. Nach 2010 wird auch noch der 15-Millionen-Etat der Royal Bank of Scotland (RBS) wegbrechen.

Doch in Grove sieht man die knifflige finanzielle Lage nicht nur als Bürde, sondern vor allem als Chance. Der Ingenieursstab um Sam Michael war schon immer gut darin, aus wenig Geld viel zu machen - und genau darauf kommt es wegen des neuen Reglements an. Trotzdem waren die Zeiten im Winter nicht beeindruckend: "Bei den Testfahrten hat mich Williams nicht sonderlich überzeugt. Sie fahren halt mit, fallen aber nicht positiv auf", sagt Marc Surer.

Zwei Highlights, ansonsten immer Rückstand

Dem 'Motorsport-Total.com'-Experten stachen in den vergangenen Wochen nur zwei Highlights ins Auge: Nico Rosbergs Zeit von 1:19.774 Minuten am 12. März in Barcelona und die 1:18.071er-Runde des Deutschen am Dienstag in Jerez. Beide Male belegte er hinter einem Brawn-Mercedes den zweiten Platz im Tagesklassement - und beide Male war wenig Benzin an Bord. An die starke Winterperformance der vergangenen Jahre kam Williams 2008/09 nicht heran.

Williams-Fabrik

In der Fabrik in Grove sind derzeit ungefähr 500 Mitarbeiter beschäftigt Zoom

Andererseits konnte man sich von den Fabelzeiten bei den Tests 2007 und 2008 ohnehin wenig kaufen, auch wenn Rosberg im Vorjahr in Australien - zugegeben mit ein bisschen Glück - sensationell der Sprung auf das Podium gelang. Ein solches Ergebnis wäre am 29. März eine faustdicke Überraschung, denn derzeit hat Williams kaum jemand auf der Rechnung. Vorbehalt: Heute und morgen könnte Kazuki Nakajima in Jerez noch ein bisher verstecktes Ass aus dem Ärmel ziehen.

Ein Ass im Ärmel ist sicherlich der Diffusor des FW31, mit dem Williams das Reglement perfekt ausgeschöpft hat. Mit einer vom Prinzip her simplen, aber sehr effektiven Lösung ist es Sam Michael, Ed Wood und dem Rest des Designteams gelungen, mehr Anpressdruck zu generieren als die Konkurrenz. Das Partnerteam Toyota setzt auf eine ähnliche Lösung, ebenso wie Brawn - alle anderen haben auf diesem Gebiet Nachholbedarf.

Suche nach technischen Innovationen

Überhaupt wurde in Grove versucht, mit innovativen Ideen einen Vorsprung zu erlangen. So tauchten bei den Testfahrten zwischendurch hohe Luftleitbleche auf Cockpithöhe, so genannte "Skate-Fins", auf, die den Luftstrom um die Airbox beruhigen und die Effizienz des Heckflügels verbessern sollten. Auf Drängen von FIA-Mann Charlie Whiting wurden diese jedoch wieder entfernt. Und dann ist da auch noch die Hybridtechnologie KERS.

Kazuki Nakajima, Barcelona, Circuit de Catalunya

Die "Skate-Fins" neben dem Cockpit wurden von der FIA im Keim erstickt Zoom

Williams setzt als einziger Entwickler in der Formel 1 nicht auf eine konventionelle Lösung mit einer Lithium/Ionen-Batterie als Energiespeicher, sondern auf eine mechanische Variante mit einem Schwungrad. Das eliminiert die Gefahr eines Stromschlags und lässt vor allem viel Spielraum für Weiterentwicklung. Nur: Geht es nach der Teamvereinigung FOTA, dann wird KERS ab 2010 standardisiert. Und: Zumindest in Australien wird das System noch nicht eingebaut.

Experte Surer glaubt dennoch, dass Williams den richtigen Weg eingeschlagen hat: "Das Schwungrad-KERS könnte ein Vorteil sein, weil die anderen Teams mit ihrer Batterielösung viel Gewicht mitschleppen müssen und auch ein gewisses Risiko mitschwingt", so der ehemalige Formel-1-Pilot. "Außerdem wird es nächstes Jahr vermutlich ein Standard-KERS geben. Vielleicht bekommt dafür dann Williams mit dieser Lösung den Zuschlag."

Standard-KERS als Chance für Williams?

Das wäre für die angeschlagene Kriegskasse von Williams und Head natürlich ein Segen, schließlich ist man mangels Sponsoren für jede neue Einnahmequelle dankbar. Genau wie übrigens auch für Nico Rosberg, denn das deutsche Ausnahmetalent rettete die ansonsten völlig verpatzte Saison 2008 mit seinen zwei Podestplätzen in Australien und Singapur. Insofern ist es auch kein Wunder, dass der "Rollstuhlgeneral" den Weltmeistersohn nicht ziehen lassen will.

Nico RosbergJerez, Circuit de Jerez

Nico Rosberg verabschiedete sich in Jerez mit einem Unfall aus dem Testwinter Zoom

Rosberg hatte Ende 2007 ein Angebot von Ron Dennis vorliegen, als Nachfolger von Fernando Alonso zu McLaren-Mercedes zu wechseln. Gleichzeitig stand er jedoch weiterhin bei Williams unter Vertrag. Williams verweigerte die Freigabe, ließ sich aber als Kompromiss auf eine Gehaltserhöhung ein - und sicherte sich die Dienste seiner großen Hoffnung bei der Gelegenheit gleich bis einschließlich 2010.

Gebunden zu sein, ist bei der aktuellen Formkurve von Williams kein Idealzustand: "Nico muss eher früher als später von Williams weg", findet Surer. "Sein Talent ist unbestritten, aber wenn er zu lange hinterherfährt, besteht die Gefahr, dass er dort einrostet, wo er ist. Das haben wir zum Beispiel bei Giancarlo Fisichella schon erlebt. Der ist auch ein ewiges Talent geblieben. Ich hoffe, dass das mit Nico nicht passieren wird."

Die Fahrer: Rosberg und Nakajima

2008 schwebte der 23-Jährige - übrigens der erste GP2-Champion aller Zeiten - nach dem dritten Platz in Australien auf Wolke sieben, doch anschließend folgte eine Serie von Pleiten, Pech und Pannen. Der Frust war dem Sohn von Ex-Williams-Weltmeister Keke Rosberg deutlich anzusehen - nicht nur einmal kam es vor, dass er sich entnervt über seinen Renningenieur beschwerte, der ihn via Funk immer gut gemeint anfeuert: "Was soll ich machen? Das Auto geht halt nicht schneller..."

Kazuki Nakajima, Circuit de Jerez

Der Japaner Kazuki Nakajima ist ein starker Teamkollege für Nico Rosberg Zoom

Zweiter Mann bei Williams ist der Japaner Kazuki Nakajima, der in seine zweite volle Saison startet. Der 24-Jährige verdankt sein Grand-Prix-Ticket dem Toyota-Konzern, an den er vertraglich immer noch gebunden ist. Nakajima, Sohn von Ex-Formel-1-Pilot Saturo Nakajima, kommt genau wie Rosberg aus der GP2, gilt aber nicht als Überflieger. Zumindest hat er sich in seiner ersten Saison aber teamintern Respekt verschafft.

Die Vorzeichen deuten für Williams also nicht auf den ersten WM-Titel seit 1997 (Jacques Villeneuve) oder den ersten Sieg seit 2004 (Juan Pablo Montoya) hin, doch zumindest sentimental ist der letzte Privatrennstall für viele Fans Favorit. Außerdem ist der Williams-Toyota FW31 laut Leserumfrage das schönste Rennauto der Generation 2009. Dafür kaufen kann sich das Team um Rosberg und den deutschen Testfahrer Nico Hülkenberg freilich nichts...

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Saisonstatistik 2008:

Team:

Konstrukteurswertung: 8. (26 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Podestplätze: 2
Ausfallsrate: 11,1 Prozent (2.)
Durchschnittlicher Startplatz: 13,6 (8.)
Bisherige Testkilometer 2009 mit dem neuen Auto: 8.111 (4.)

Nico Rosberg (Startnummer 16):

Fahrerwertung: 13. (17 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 12,1
Bestes Ergebnis Qualifying: 5.
Bestes Ergebnis Rennen: 2.
Ausfallsrate: 11,1 Prozent (3.)
Bisherige Testkilometer 2009: 4.313 (4.)

Kazuki Nakajima (Startnummer 17):

Fahrerwertung: 15. (9 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 15,1
Bestes Ergebnis Qualifying: 10.
Bestes Ergebnis Rennen: 6.
Ausfallsrate: 11,1 Prozent (3.)
Bisherige Testkilometer 2009: 2.998 (11.)