Formel-1-Countdown 2009: Red Bull

Red Bull geht mit zwei großen Hoffnungen in die Saison 2009: Sebastian Vettel und Adrian Newey - Fünftes Jahr des Teams in der Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Neue Aerodynamik, Comeback der Slicks, Einführung der Hybridtechnologie KERS, neue Fahrer, ein neues Team: Nie zuvor hat sich in der jüngeren Vergangenheit von einer Formel-1-Saison auf die nächste so viel geändert wie im Winter 2008/09. 'Motorsport-Total.com' nimmt daher bis zum Eintreffen der Grand-Prix-Community im Albert Park am kommenden Donnerstag der Reihe nach alle zehn Teams genau unter die Lupe. Heute: Red Bull.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel, Barcelona, Circuit de Catalunya

Der Sonne entgegen: Sebastian Vettel will bei Red Bull groß durchstarten

Wie doch die Zeit vergeht: Red Bull Racing, wie das A-Team des österreichischen Energydrink-Herstellers offiziell heißt, geht 2009 bereits in seine fünfte Saison in der Formel 1. Schnee von gestern ist die erste Sternstunde, als David Coulthard und Christian Klien 2005 in Malaysia gleich im zweiten Grand Prix den Ferrari von Rubens Barrichello überholt haben, längst vergessen die bisherigen drei Podestplätze. Die Formel 1 ist ein schnelllebiges Business.#w1#

Vettel folgt Coulthard nach

David Coulthard und Sebastian Vettel, Circuit de Jerez

Tipps vom Vorgänger: Sebastian Vettel im Gespräch mit David Coulthard Zoom

Wer die Worte Red Bull, Hoffnung und 2009 in einem Satz sagt, der denkt automatisch: Sebastian Vettel. Der 21-jährige Heppenheimer mit Wohnsitz in der Schweiz hat im Vorjahr in Monza sensationell seinen ersten Grand Prix gewonnen und wurde dafür mit der Beförderung vom B-Team Toro Rosso zur A-Mannschaft Red Bull belohnt. Praktisch, dass David Coulthard zeitgleich einsah, dass er mit einem 'BBC'-Mikrofon in der Hand besser aufgehoben ist als mit einem Lenkrad.

Doch auch wenn - oder besser: gerade weil - Vettel vor allem in Deutschland als neuer Messias gehypt wird, ihm von vielen schon Michael Schumachers viel zu große Siebenmeilenstiefel angezogen werden, sollte man keine Wunderdinge erwarten. Immerhin kommt der sympathische Blondschopf neu in ein Team, das er zwar schon gut kennt, aber sein Stallgefährte Mark Webber ist im dritten Jahr bei Red Bull eigentlich der Platzhirsch.

Es liegt an Vettel selbst, dies mittelfristig zu ändern: "Ich traue Sebastian zu, dass er Webber schlagen kann", glaubt 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer. "Webber ist ein sehr guter Qualifyer. Vielleicht werden sie im Qualifying gleichauf sein und im Rennen hat Sebastian dann Vorteile. Wir werden sehen." Vettels vielleicht größter Vorteil ist, dass Webber eine Woche vor seinem Heimrennen in Melbourne immer noch humpelt.

Webber nach Freizeitunfall angeschlagen

Mark Webber

Der harte Weg zurück: Mark Webber beim Training nach seinem Fahradunfall Zoom

Hintergrund: Der begeisterte Freizeitsportler, ein Kumpel von Tour-de-France-Legende Lance Armstrong, zog sich bei einem Fahrradunfall im Rahmen seiner eigenen Charity-Challenge in Tasmanien schwere Verletzungen zu. Gerade gehen kann der 32-Jährige immer noch nicht, aber das will er nicht als Ausrede gelten lassen: "Ich humple zwar noch ein bisschen, aber beim Fahren bin ich überhaupt nicht beeinträchtigt." Das passt zum toughen Image des Fitnessfreaks.

Was Webber Vettel voraus hat, ist die Erfahrung, ein Team zu führen. Surer: "Bei Toro Rosso bekam Sebastian mehr oder weniger ein fertiges Auto hingestellt, dass er dort nur im Detail weiterentwickeln und abstimmen musste. Jetzt fährt er für ein Team, das ein eigenes Auto baut. Da muss er ganz anders auftreten und mit seinem Feedback das Team führen. Er muss sozusagen erwachsen werden", erläutert der ehemalige Formel-1-Pilot.

Vettels Karriere in der Königsklasse ist einmalig: Bestzeit gleich am ersten Trainingstag, Achter im ersten Grand Prix und damit jüngster Punktesammler aller Zeiten, jüngster Polesetter aller Zeiten, jüngster Sieger aller Zeiten - und bald auch jüngster Weltmeister aller Zeiten? Um den noch taufrischen Rekord von Lewis Hamilton zu knacken, müsste "Baby-Schumi" (Copyright: 'Bild'-Zeitung) den Titel spätestens 2010 gewinnen.

"Bruderkampf" im Hause Red Bull

¿pbvin|512|1264|red bull|0pb¿Die Befürchtungen, wonach Vettel mit dem Wechsel von Toro Rosso zu Red Bull einen schweren Fehler gemacht haben könnte, scheinen sich jedenfalls nicht zu bestätigen. Motorenpartner Renault durfte mit Erlaubnis der FIA nachrüsten und hat nun kein entscheidendes Handicap mehr und rein operativ wird sich Red Bull gegen den "kleinen Bruder" kein zweites Mal eine Blöße wie 2008 erlauben. Die Klatsche aus Faenza vom Vorjahr sitzt in Milton Keynes immer noch tief.

Nach acht Saisonrennen stand es im internen Duell zwischen Red Bull und dem Schwesternteam noch 24:7, doch nach allen 18 Grands Prix hatte Toro Rosso die Nase mit 39:29 vorne. Das spricht einerseits für das von Gerhard Berger und Franz Tost geführte B-Team des Energydrink-Herstellers, andererseits aber vor allem gegen das A-Team. Denn wer aus acht Rennen 24 Punkte holt und dann aus zehn nur noch fünf, der hat etwas falsch gemacht.

Die beiden Teams starten 2009 im Gegensatz zu 2008 von Anfang an mit gleichem Material in die Saison - nur der Motor (Toro Rosso fährt mit Ferrari-V8-Power) unterscheidet sich. War es am vorjährigen RB4 die Haifischflosse, die überrascht hat, so wartet Starkonstrukteur Adrian Newey am RB5 mit ungewöhnlichen Finnen auf der Nase auf. Generell sticht das Auto aus der Masse der anderen 2009er-Renner optisch ein wenig hervor.

Greift endlich der Newey-Effekt?

Red-Bull-Renault RB5

Der Red-Bull-Renault RB5 unterscheidet sich optisch von den Konkurrenzteams Zoom

Experte Surer glaubt, dass der RB5 "ein guter Wurf" sein könnte: "2009 schlägt die große Stunde der wahren Könner, die die Zusammenhänge rechtzeitig erkennen und entsprechend ihr Auto bauen. Das hat Adrian Newey in diesem Jahr mit seinem Konzept, das ein bisschen anders ist als bei den anderen, eindeutig geschafft. Das geht sicherlich auf ihn zurück, wobei man nicht vergessen darf, dass da auch noch andere Leute im Hintergrund sind."

Das System Red Bull sollte im Idealfall so funktionieren: Newey hat die genialen Einfälle, denen Ex-Honda-Konstrukteur Geoff Willis dann Feinschliff und Zuverlässigkeit verpasst. Schon der RB4 war ein Produkt dieser Kooperation, denn das von 2007 übernommene Basiskonzept, das Newey entwickelt hatte, war keineswegs schlecht, musste aber einer Wellnesskur inklusive Radikaldiät unterzogen werden. In Monza gewann Vettel mit dem von den beiden konstruierten Auto einen Grand Prix.

Bei den Wintertests ließ Red Bull vor allem zu Beginn mehrmals aufhorchen, als der RB5 auf Anhieb Bestzeiten fuhr, aber ebenso oft mit technischen Problemen stehen blieb. Je näher die Saison kam, desto zuverlässiger wurde der RB5 - aber auch immer langsamer. "Die anderen haben schneller entwickelt als wir", vermutet Webber, der außerdem findet, dass das Handling eher dem Fahrstil von Vettel als seinem eigenen entgegenkommt.

Schnell, aber unzuverlässig

Red-Bull-Fabrik

In der Red-Bull-Fabrik in Milton Keynes arbeiten derzeit knapp 600 Angestellte Zoom

"Das Auto sah bei den Testfahrten sehr schnell aus, aber sie hatten auch immer wieder technische Probleme", analysiert Surer. Seiner Meinung nach zählt Red Bull nicht mal mehr zum Kreis der Geheimfavoriten, sondern schon eher zu den realistischen Topkandidaten - aber zwischen dem letzten Red-Bull-Test in Barcelona und dem Auftaktrennen in Melbourne liegen 17 Tage, in denen in den Formel-1-Fabriken dieser Welt noch viel passieren kann.

Für das 600 Mann starke Team (Red Bull Technology eingeschlossen) spricht, dass das Topmanagement seit dem Formel-1-Einstieg im Wesentlichen unverändert geblieben ist: Teamchef Christian Horner (35) ist seit dem Coulthard-Rücktritt endlich älter als seine Fahrer, Helmut Marko hat als Berater gewissen Einfluss, Gerhard Berger steht zwar nicht offiziell, aber als Freund von Eigentümer Dietrich Mateschitz immer mit Rat und Tat zur Seite.

Mateschitz freut sich besonders darüber, dass sein Juniorenkader endlich Früchte trägt und mit Vettel ein im eigenen Haus gefördertes Talent für das A-Team fährt, das echte Erfolgschancen hat - was bei Christian Klien, Vitantonio Liuzzi, Scott Speed und Co. bekanntlich nicht der Fall war. Dem österreichischen Milliardär gehören inzwischen beide Teams zu 100 Prozent, auch wenn Toro Rosso mittelfristig verkauft werden soll.

Keine Geldsorgen in Fuschl

David Coulthard, Dietrich Mateschitz (Red Bull-Boss), Gerhard Berger, Jerez, Circuit de Jerez

Tests in Jerez: Dietrich Mateschitz, Gerhard Berger und David Coulthard Zoom

Akute Geldsorgen hat Red Bull nicht: Die energiehältigen Getränkedosen verkaufen sich weiterhin prächtig und erobern - nicht zuletzt dank des Marketinginstruments Formel 1 - rasend schnell neue Märkte. So kann man sich in Milton Keynes ungefähr 600 Mitarbeiter und ein Jahresbudget von geschätzten 120 Millionen Euro leisten. Durch die Synergien mit Toro Rosso klingt das allerdings nach mehr, als es wirklich ist.

Gespannt wartet die Journaille indes darauf, ob Red Bull trotz Weltwirtschaftskrise auch dieses Jahr wieder das Luxusmotorhome Energy-Station II samt allen Begleiterscheinungen wie rauschenden Partys und entspannten Chillouts zu den Rennen bringen wird. Einerseits kommt es beim "kleinen Mann" derzeit nicht gut an, wenn die oberen 10.000 in Saus und Braus leben, andererseits definiert sich die Marke Red Bull über ein dynamisches, junges, wildes Image.

Fazit: Was man in Melbourne von Vettels neuem Team erwarten darf, kann im Moment niemand mit Sicherheit vorhersagen - Red Bull zählt aufgrund der schwankenden Testleistungen zu den großen Unbekannten dieses Winters. Ein Mindestziel geben wir der Truppe aber vor: Das B-Team Toro Rosso mit den Fahrern Sébastien Bourdais und dem jungen Schweizer Sébastien Buemi sollte klar in die Schranken gewiesen werden...


Fotos: Red Bull, Testfahrten in Barcelona


Saisonstatistik 2008:

Team:

Konstrukteurswertung: 7. (29 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Podestplätze: 1
Ausfallsrate: 22,2 Prozent (6.)
Durchschnittlicher Startplatz: 11,0 (6.)
Testkilometer 2009 mit dem neuen Auto: 5.047 (7.)

Mark Webber (Startnummer 14):

Fahrerwertung: 11. (21 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 9,2
Bestes Ergebnis Qualifying: 2.
Bestes Ergebnis Rennen: 4.
Ausfallsrate: 16,7 Prozent (8.)
Testkilometer 2009: 2.610 (13.)

Sebastian Vettel (Startnummer 15):

Fahrerwertung: 8. (35 Punkte)
Siege: 1
Pole-Positions: 1
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 11,1
Bestes Ergebnis Qualifying: 1.
Bestes Ergebnis Rennen: 1.
Ausfallsrate: 33,3 Prozent (18.)
Testkilometer 2009: 2.438 (14.)