• 31.07.2010 22:38

  • von Roman Wittemeier & Dieter Rencken

Flexible Flügel: Ausgerechnet jetzt...

McLaren will ein klares Signal bezüglich der flexiblen Frontflügel - Martin Whitmarsh: "Man muss sich fragen, ob es erlaubt sein kann" - Und nun die Sommerpause

(Motorsport-Total.com) - Red Bull verleiht Flügel - nicht nur schnelle, sondern auch sehr flexible. Zwei Tatsachen wurden im Qualifying von Ungarn sehr deutlich: Am Hungaroring bringt der F-Schacht wenig bis gar nichts, der flexible Frontflügel von Red Bull und Ferrari umso mehr. "Jetzt soll eine Klarstellung erfolgen. Entweder müssen wir dann unsere Herangehensweise ändern, oder jemand anderes muss dann umdenken", meint McLaren-Star Lewis Hamilton, der seine WM-Chancen schwinden sieht.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettels Auto schleift mit den Endplatten der Front teils am Boden

"Uns fehlt Abtrieb am Frontflügel. Das ist ganz klar. In den langsamen Ecken sind wir recht gut, aber in den schnellen Kurven verlieren wir", gibt McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh offen zu. Der Brite fordert daher eine schnelle Klarstellung seitens der FIA, um zu wissen, ob man in Zukunft ähnlich drastische Wege gehen darf. In Ungarn hat man zumindest das Nachsehen. "Die Flügel haben die technische Abnahme überstanden, also müssen sie legal sein", sagt Whitmarsh.#w1#

Rätsel: Wie funktionert der Flügel?

"Auch unser Frontflügel verbiegt sich leicht. Das lässt sich gar nicht verhindern. Aber unser Flügel tut dies ein einem Bereich, den wir für absolut in Ordnung halten. Hätten wir zu Beginn der Saison gewusst, dass man auch solch extreme Bewegungen akzeptiert, dann hätten wir es wohl anders gemacht", meint der McLaren-Teamboss. "Vielleicht liegen sie mit ihrer Interpretation da richtig. Wir müssten uns dann an die eigene Nase fassen. Wir waren dann vielleicht nicht mutig, kreativ und sorgfältig genug im Vergleich zu anderen Teams."

Whitmarsh will sich mit einer solchen Situation nicht abfinden. Selbst wenn Flügel für legal erklärt werden, weil sie den Belastungstest mit 50 Kilogramm durch die FIA aushalten, dann könnten solche Lösungen durchaus nicht dem Geist des Reglements entsprechen. "Ich will nicht Red Bull oder Ferrari kritisieren. Deren Job ist es nun einmal, bis an die Grenzen des Erlaubten zu gehen."

"Man muss mal klarstellen, wie weit die Endplatten nach unten dürfen." Martin Whitmarsh

"Es ist durchaus bekannt, dass wenn du die Endplatten des Flügels auf den Boden bringst, dann einen enormen Leistungsvorteil dadurch hast", sagt Whitmarsh, der als Ingenieur einen solchen Effekt durchaus einzuschätzen weiß. Ferrari und Red Bull treiben es teils auf die Spitze, sogar Funkenflug war schon zu sehen. Angeblich soll man auf gewissen Strecken, die viel Abtrieb erfordern, bis zu eine Sekunde gewinnen können - der Hungaroring ist eine solche Strecke.

"Die FIA soll sich nun genau anschauen, was akzeptabel ist. Man muss mal klarstellen, wie weit die Endplatten nach unten dürfen. Das alles wirkt sich auch am Heck positiv aus", erklärt Whitmarsh. Fraglich ist derzeit noch, wie die beiden Topteams ihre Lösungen überhaupt realisieren. Man spricht von Federn, die bei einer Belastung von mehr als 50 Kilogramm nachgeben und somit beim FIA-Test keinen Ärger machen, oder von neuen Materialeigenschaften.

Und jetzt kommt ausgerechnet die Sommerpause...

Möglicherweise könnte man durch eine spezielle Ausrichtung der Karbonfasern des Frontflügels einen solchen Effekt erreichen, lautet eine Theorie. Bei McLaren kennt man die Ansätze der Gegner nicht, hat aber bereits für den Fall der Fälle Ideen. "Vielleicht wird es auch bald gar nicht mehr erlaubt sein, dass die Endplatten den Boden berühren", erklärt der britische Teamboss. Die große Frage ist derzeit, wann man das entscheidende Signal von der FIA bekommen wird.

"Ich als Racer würde gern die Fabrik offen halten uns sofort weitermachen." Martin Whitmarsh

Die Team warten händeringend auf eine Entscheidung, angeblich schon seit Wochen sogar. "Mal sehen, wie sie entscheiden. Dann werden wir entsprechend reagieren", meint Whitmarsh. Allerdings kommt die aktuelle Unklarheit zum genau falschen Zeitpunkt. Den Teams ist während der anstehenden Sommerpause eine zweiwöchige Werksschließung auferlegt.

"Ich als Racer würde gern die Fabrik offen halten und sofort weitermachen, um zu verstehen, was uns da am Frontflügel fehlt. Das geht leider nicht", sagt der Dennis-Nachfolger. "Für das Personal ist diese Pause aber wichtig und gut", erklärt Whitmarsh und fügt nur halb lächelnd hinzu: "Wir machen Sonntagnacht den Laden zu und kommen dann gestärkt zurück - und hoffentlich mit frischen Ideen!"

Mercedes wartet erst einmal ab

"Wenn wir es erst bauen und dann werden die Regeln geändert, dann hätten wir jede Menge Zeit und Geld verschwendet." Ross Brawn

Einen Protest gegen die aktuellen Flügel von Red Bull und Ferrari erwägt im Moment niemand. Immerhin fehlen dafür auch die Ansatzpunkte, da der FIA-Technikdelegierte Charlie Whiting angesichts der flexiblen Luftleitwerke den Daumen nach oben streckte. "Ich kenne eine solche Situation selbst, dass Leute meinen Weg der Interpretation der Regeln hinterfragt haben", sagt Mercedes-Teamchef Ross Brawn mit Blick auf den Diffusor-Streit des Vorjahres.

"Bilder und Videos zeigen, dass Red Bull - und in gewissem Maße auch Ferrari - es geschafft hat, dass die Frontflügel den Boden berühren", so der Brite. Es stehe also außer Zweifel, dass man einen besonderen Weg zur Auslegung der Regeln gefunden haben müsse. "Bevor wir jetzt mit großem Aufwand etwas entwickeln, wollen wir einfach Klarheit haben, wie die Regeln aussehen."

"Es gibt viele Wege dies zu erreichen", sagt Brawn und gibt dadurch zu, dass man bei Mercedes entsprechende Frontflügel entwickeln könnte. "Bevor wir so etwas aber tun, wollen wir sicher sein, dass Charlie Whiting damit leben kann. Wenn wir es erst bauen und dann werden die Regeln geändert, dann hätten wir jede Menge Zeit und Geld verschwendet."