Ferrari fährt wieder allen auf und davon

Sah es noch in den Freien Trainings nach mehr Spannung als 2002 aus, so war Ferrari im Qualifying wieder gewohnt überlegen

(Motorsport-Total.com) - Was hat die FIA nicht alles unternommen, um die Formel 1 spannender zu machen, um den immensen Vorsprung Ferraris zu verringern. Spätestens nach dem heutigen Qualifying in Melbourne ist aber klar, dass die Italiener wieder nicht zu bremsen sind.

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Probleme im Freien Training, Sieger im Qualifying: Michael Schumacher

Selbst das neue Reglement, welches vorsieht, dass die Tankfüllung für das Rennen schon vor dem entscheidenden Einzelzeitfahren im Auto sein muss, brachte Ferrari nicht zu Fall: Michael Schumacher, der heute als 17. von insgesamt 20 Fahrern seinen Angriff startete, sicherte sich die 51. Pole-Position seiner Karriere und wischte damit alle Bedenken vom Tisch, er könnte mit dem Vorjahreswagen eventuell gegen McLaren den Kürzeren ziehen.

"Das war heute gutes Teamwork", strahlte der Deutsche. "Nach meinen Problemen am Vormittag konnte ich das Setup von Rubens übernehmen." Rückblende: Im Freien Training kam der Weltmeister überhaupt nicht mit seinem F2002 zurecht, er rutschte durch die Gegend, kam einige Male von der Piste ab, beschädigte dabei sogar einmal die Frontpartie und die Vorderradaufhängung, was seiner Crew eine Menge Arbeit bescherte.

Dennoch schaffte er rechtzeitig die Wende: "Im Qualifying ist es gut gelaufen, aber der neue Zeitplan macht den Teams das Leben schwerer, weil nach dem Warm-Up nur noch 15 Minuten bleiben, um sich für das Qualifying und das Rennen vorzubereiten. Ich beschwere mich darüber aber nicht, weil es für alle gleich ist." Mit dem Einzelzeitfahren an sich hat er kein Problem: "Im Cockpit hat sich nichts verändert ? man muss sich noch genauso konzentrieren."

"Meine Runde war wirklich am Limit, da war nichts mehr drin. Es scheint aber Tradition zu sein, dass ich jedes Melbourne-Wochenende einmal abfliege", spielte er lächelnd auf sein Missgeschick im Freien Training an. "Gott sei Dank haben sie in der Kurve im Vergleich zum Vorjahr die Auslaufzonen erweitert, denn so konnte das Team den Schaden ohne Probleme reparieren." Notfalls hätte Schumacher aber auch ins T-Car umsteigen können.

Rubens Barrichello ging wegen seiner Bestzeit vom Freitag als Letzter in die Qualifikation, er konnte diesen Vorteil aber nicht in die Pole-Position ummünzen: "Heute hatte ich ausgerechnet im Qualifying mein erstes Problem an diesem Wochenende", ärgerte er sich. "Ich war auf meiner guten Runde, als ich in Kurve sechs die Flagge für Öl oder Schmutz auf der Strecke sah. Mit der neuen Regel geht man aber davon aus, alleine auf der Strecke zu sein. Ich wurde mir unsicher und verlor die Konzentration."

Auslöser für den Zwischenfall war ein Ausrutscher Kimi Räikkönens zuvor. Am McLaren-Piloten musste Barrichello dann auch noch vorbeigehen: "Kimi war auf der richtigen Seite der Strecke, aber es lagen ein paar Teile seines Autos auf dem Asphalt. Ich beschwere mich nicht, aber es wäre eine bessere Zeit drin gewesen. Vielleicht sollten wir uns die Regeln für solche Situationen noch einmal durch den Kopf gehen lassen."

Den neuen Modus findet der Brasilianer "nicht so aufregend" wie das alte System, "weil man Benzin an Bord hat, welches ein Unter- oder Übersteuern hervorruft." Dadurch könne man nicht mehr so an die Grenzen des Fahrzeugs gehen. Aber: "Für die Zuschauer ist es vielleicht spannender geworden." Fest steht jedoch auch, dass das Einzelzeitfahren wegen der umstrittenen Nachtank-Regel völlig undurchschaubar geworden ist.

Die große Frage lautet nämlich, wer welche Spritmenge an Bord hat. Man darf annehmen, dass Ferrari die Antwort darauf schon mit dem Rennen im Hinterkopf gegeben hat. Ross Brawn, der Technische Direktor, hätte jedenfalls nicht mit einem so tollen Resultat gerechnet: "Ich bin überrascht über den großen Abstand zwischen uns und der Konkurrenz. Natürlich kann es sein, dass wir weniger Benzin gefahren sind. Das werden wir erst im Rennen sehen."

"Klarerweise freut es mich sehr, unsere Autos in der ersten Startreihe zu sehen", fuhr er fort. "Die Fahrer haben einen wirklich sehr guten Job gemacht. Auch die Reifen haben besser funktioniert, was vielleicht damit zusammenhängt, dass die Strecke griffiger war." Außerdem deutete Brawn an, dass man sich für die härteren Bridgestones entschieden hat: "Unsere Reifen sind vielleicht auf eine Runde nicht so schnell, aber für das Rennen ist es die sicherere Wahl."

Umso dramatischer erscheint der Vorsprung von 0,928 Sekunden auf den drittplatzierten Juan-Pablo Montoya. Da strahlte auch Teamchef Jean Todt: "Der F2002 hat uns wieder zufrieden gestellt und für eine erste Startreihe in Rot gesorgt. Bridgestone hat wieder einmal einen tollen Reifen geliefert, während Shell daran gearbeitet hat, uns optimale Treib- und Schmierstoffe zur Verfügung zu stellen." Nun müsse man die Autos im Rahmen des Erlaubten auf das Rennen vorbereiten und auf die Zuverlässigkeit hoffen.

Dem neuen Qualifying-Modus gab Todt ebenfalls seinen Segen: "Aufregung, Spannung und Vergnügen sind die Worte, die diesen Nachmittag in Melbourne am besten beschreiben. Wir haben jetzt ein besseres Verständnis für die Auswirkungen des neuen Sportlichen Reglements gewonnen ? nämlich das Wechseln von Komponenten nach dem Freien Training, ein hektisches Warm-Up über 15 Minuten und dann die Entscheidung in nur einer Runde. Das Endergebnis wird auch noch beeinflusst von der Spritmenge, die ein Fahrer schon für das morgige Rennen an Bord haben muss."