Exklusives Interview mit Pierre Dupasquier - Teil 1

Michelin-Sportchef Dupasquier über Verhandlungen mit Red Bull Racing, den Sauber-Deal, die Ferrari-Isolation und mehr

(Motorsport-Total.com) - Erst 2001 ist Michelin offiziell in die Formel 1 eingestiegen, nächstes Jahr werden die Franzosen aber bereits sieben von zehn Teams ausrüsten. Darüber und über weitere interessante Themen hat Sportchef Pierre Dupasquier am Dienstag von seinem Büro in Frankreich aus mit 'F1Total.com' gesprochen. Hier Teil eins unseres exklusiven Interviews.

Titel-Bild zur News: Michelin-Sportdirektor Pierre Dupasquier

Pierre Dupasquier würde intensive Ferrari-Testfahrten "absolut verstehen"

Frage: "Ford hat gestern den Verkauf des Jaguar-Teams an 'Red Bull' bekannt gegeben. Gleichzeitig hat Teamchef Tony Purnell bestätigt, dass das 2005er-Auto für Michelin-Reifen konzipiert wurde. Kannst du schon sagen, ob ihr Red Bull Racing 2005 beliefern werdet?"
Pierre Dupasquier: "Ich habe die Antwort noch nicht. Wir verhandeln darüber. Tony hat mich schon vor ein paar Wochen angerufen und mich über die neue Situation aufgeklärt. Ford hat uns darum gebeten, Reifen zu liefern, falls die neuen Eigentümer das wünschen. Jetzt müssen wir einmal herausfinden, was gebraucht wird und was wir diesbezüglich unternehmen können."#w1#

Partnerteams: Keine weiteren Veränderungen zu erwarten

Frage: "Wird es noch weitere Veränderungen in der Aufstellung eurer Partnerteams für nächstes Jahr geben?"
Dupasquier: "Nicht dass ich wüsste, aber in der Formel 1 kann man nie sicher sein. Ich denke aber, dass alles beim jetzigen Stand bleiben wird."

Frage: "Hat es seitens der beiden neuen Teams, die 2006 in die Formel 1 einsteigen wollen, also Midland F1 und Dubai F1, schon eine Anfrage gegeben, und wärt ihr bereit, diese auszurüsten?"
Dupasquier: "Ich würde sagen nein, denn im Moment sind wir am Limit unserer Kapazitäten. Es hängt von den Regeln ab. Wenn eine Testbeschränkung kommt, wäre es denkbar, aber wir müssten irgendwo einschränken, um woanders aufstocken zu können."

Frage: "Ihr habt kürzlich eure neue Zusammenarbeit mit Sauber bekannt gegeben. Ist es nicht kritisch, ausgerechnet mit dem Team zu kooperieren, das eine so enge Beziehung zu Ferrari, der Speerspitze von Bridgestone, hat?"
Dupasquier: "Ferrari liefert bekanntlich sogar Teile an Sauber, das ist kein Geheimnis, aber wir haben Sauber gebeten, keine technischen Informationen an unseren Rivalen zu liefern. An dieser Zusicherung von Peter Sauber haben wir auch keine Zweifel."

Frage: "Ist das auch im Vertrag verankert?"
Dupasquier: "Bis jetzt haben wir den Vertrag noch nicht in seiner finalen Form unterschrieben."

Michelin musste Saubers Bitte nach Reifen nachkommen

Frage: "Ihr werdet nächstes Jahr aller Voraussicht nach sieben Teams ausrüsten, Bridgestone nur drei. Siehst du da Kapazitätsprobleme auf euch zukommen oder könnte das aufgrund der Testbeschränkung auf 24 Tage während der Saison sogar eher zu einem Vorteil werden?"
Dupasquier: "Ich muss klarstellen, dass wir nicht unbedingt dahinter sind, unsere Reifen an mehr und mehr Teams zu liefern. Das ist nicht der Punkt. Wir haben Sauber zugesagt, weil sie zu einem Zeitpunkt an uns herangetreten sind, als wir überhaupt nicht wussten, wie es mit Jaguar weitergehen würde. Falls das neue Jaguar-Team 2005 mit Bridgestone gefahren wäre, hätte sich für uns die Situation ergeben, dass wir ohnehin verpflichtet gewesen wären, Sauber auszurüsten. Deshalb haben wir Sauber gar nicht ablehnen können."

Frage: "Mit der Perspektive, ohne Sauber und Red Bull Racing nur fünf Teams auszurüsten, hättet ihr also vom Reglement her (welches besagt, dass ein Reifenhersteller dazu in der Lage sein muss, mindestens sechs Teams zu beliefern; Anm. d. Red.) die Bitte von Sauber gar nicht ablehnen können?"
Dupasquier: "Das ist richtig."

Frage: "Unterstützt Michelin die neuen Testbestimmungen?"
Dupasquier: "Wir wissen nichts von neuen Testbestimmungen."

Gespräch mit Bernie Ecclestone in Interlagos

Frage: "Ich beziehe mich damit auf die Übereinkunft, die neun von zehn Teams vergangene Woche getroffen haben."
Dupasquier: "In Interlagos hat es Gespräche gegeben. Bernie Ecclestone ist zu mir gekommen und hat mich um einen Vorschlag gebeten, wie man die Testfahrten reduzieren könnte. Ich habe ihm geantwortet, dass wir, Michelin, im Prinzip keine eigenen Testkilometer für unsere Reifentests brauchen. Wir sagen unseren Partnern, dass sie testen sollen, wann und wie viel sie wollen, aber wir fordern von ihnen keine eigenen Testkilometer für Reifentests ein."

Frage: "Aber wenn jemand testen gehen will, nutzt ihr diese Gelegenheit natürlich..."
Dupasquier: "Das hängt von den Regeln ab. In jeder Sportart muss man sich an die Regeln halten. Unser Gegner ist Bridgestone, nicht Ferrari oder sonst irgendwer."

Frage: "Was sagst du dazu, dass Ferrari die Testbeschränkung der anderen Teams nicht akzeptiert? Schließlich könnte nächstes Jahr die Situation eintreten, dass neun Teams freiwillig nur 24 Tage während der Saison testen, Ferrari aber ohne Limit."
Dupasquier: "Das würde ich absolut verstehen. Es macht für ein Team keinen Sinn, sich an andere Regeln, an ein anderes Reglement zu halten. Beim Fußball darf man den Ball ja auch nicht in die Hand nehmen."

"Wir haben keinen Einfluss auf die Regeln"

Frage: "Das stimmt, aber neun Teams haben sich auf freiwilliger Basis auf ein Maximum von 24 Tagen verständigt. Wäre es nicht unfair von Ferrari, dies einfach zu ignorieren?"
Dupasquier: "Wir haben keinen Einfluss auf die Regeln. Die Teamchefs tun, was sie tun müssen, die FIA tut, was sie tun muss. Wir haben einen Vertreter in der Formel-1-Kommission, die demnächst in Monaco tagen wird. Wir werden natürlich dort sein, aber es liegt nicht in unserer Hand, diesbezüglich etwas zu unternehmen. Als Reifenhersteller machen wir unsere Arbeit und richten uns nach unseren Partnern."

Frage: "2005 muss ein Reifensatz für Qualifying und Rennen ausreichen. Was aber passiert, wenn ein Team über die Telemetrie einen sich anbahnenden Reifenschaden erkennt und die Reifen vor einem tatsächlichen Reifenschaden sicherheitshalber wechseln möchte? Gibt es nicht noch zu viele Fragezeichen?"
Dupasquier: "Als diese Ideen aufgekommen sind und als der FIA-Präsident vorgeschlagen hat, nur noch einen Reifenhersteller in der Formel 1 zu haben, waren wir die Ersten, die gesagt haben, dass das die Formel 1 zu einer zweitklassigen Rennserie machen würde. Das darf aber nicht passieren. Wir wollen auch nicht der einzige Reifenhersteller sein, denn dann macht man einfach den üblichen Job, aber man hat keine Anhaltspunkte bei einer Konkurrenzfirma. Aus Sicht der Ingenieure und Techniker ist das kein gutes Szenario. Also suchen wir nach Möglichkeiten, wie man die Performance der Fahrzeuge und die Kosten auf andere Arten reduzieren kann. Die Lösung, mit nur einem Reifensatz die ganze Renndistanz zu bestreiten, ist eine Lösung. Das ist kein Problem, es ist machbar. Schließlich hat es früher Autos gegeben, die mit vollem Tank, also 240 oder 245 Kilogramm Benzin, ins Rennen gegangen sind. Es ist also durchführbar. Das erwähnte Szenario mit einem Reifenschaden kann natürlich auftreten, aber die Mischungen werden härter sein und daher ist die Wahrscheinlichkeit für einen Reifenschaden prinzipiell geringer. Dennoch kann so etwas natürlich immer passieren. Das muss in den Regeln verankert werden. Ab Samstagmittag dürfen die Reifen nicht mehr gewechselt werden, aber wenn danach etwas passiert, muss es einen zusätzlichen Reifensatz für Notfälle oder irgendetwas in diese Richtung geben. Wir wissen, dass das noch nicht restlos geklärt ist."

FIA könnte Michelin sogar zum Ausstieg zwingen

Frage: "Wie du bereits angesprochen hast, gibt es Überlegungen, mit nur noch einem Reifenhersteller in der Formel 1 zu operieren. Wie will die FIA das handhaben, denn sie kann schlussendlich niemanden dazu zwingen, die Formel 1 zu verlassen?"
Dupasquier: "Die FIA hat alle Macht, sie stellen schließlich die Regeln zusammen. Wenn sie so eine Regel in einem angemessenen Zeitrahmen umsetzen wollen, ist das möglich, aber sie können natürlich nicht 24 Stunden vor der neuen Saison plötzlich auf diese Idee kommen. Alles kann passieren. Sollte es dazu kommen, müssen wir uns mit unseren Partnern an einen Tisch setzen und Lösungen diskutieren. Grundsätzlich ist aber alles denkbar, meine ich."

Frage: "Du hast gesagt, ihr werdet selber auch Vorschläge einbringen. Arbeitet ihr diesbezüglich mit Bridgestone zusammen?"
Dupasquier: "Ja. Wir haben uns mit Bridgestone an einen Tisch gesetzt und wir stimmen darin überein, dass es sinnvoll ist, einen Reifensatz für Qualifying und Rennen zu verwenden. Das hilft dem FIA-Präsidenten, in die Richtung zu gehen, die ihm vorschwebt."