Ein Vierteljahrhundert Formel 1 mit Dave Stubbs

Unter den vielen Akademiker-Funktionären in der Formel 1 ragt Motorsport-Urgestein Dave Stubbs wie ein Eisberg hervor

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 ist heutzutage ein höchst wissenschaftliches und kommerzielles Geschäft, welches sich vom eigentlichen Sport auf der Rennstrecke immer weiter entfernt. Hat Frank Williams als Garagist in den 70er-Jahren noch mit 20 Leuten Grands Prix gewonnen, so freut sich heute Toyota mit mehr als 600 Mitarbeitern über jeden WM-Punkt.

Titel-Bild zur News: Dave Stubbs

Dave Stubbs: Vom Buchhalter zum Teammanager in der Formel 1

Einer, der diese Entwicklung mit all ihren Zwischenschritten miterlebt hat, ist Dave Stubbs, bisher Teammanager von Jaguar, durch den Ford-Rückzug im Moment aber arbeitslos. Der 48-Jährige ist einer der wenigen hochrangigen Funktionäre in der Königsklasse des Motorsports, die keinen Universitätsabschluss oder eine vergleichbare Ausbildung genossen haben, sondern ein klassischer Racer aus Leidenschaft ist.#w1#

"Nach der Schule habe ich im Bankwesen und in der Buchhaltung gearbeitet", erinnerte er sich. "Dann bin ich als Lieferwagenfahrer zu Williams gegangen. Mein heutiges Personal lacht mich jedes Mal aus, wenn ich ihnen das erzähle! Ich wurde nicht speziell ausgebildet, sondern habe mich einfach die Karriereleiter hochgearbeitet. Lieferwagenfahrer war ich nur ein Jahr, bis sie wussten, was ich eigentlich wert bin."

Ground-Effect-Ära kam für Stubbs zum richtigen Zeitpunkt

Das war 1978, also im Alter von 22 Jahren. Schon 1979 wurden ihm wichtigere Aufgaben zugeteilt: "In den Ground-Effect-Tagen, als Alan Jones, Clay Regazzoni und Carlos Reutemann für Williams gefahren sind, war ich dazu da, die Schürzen in der Fabrik zu sortieren und zu warten. Das System war damals noch neu. Als das Reglement dann geändert wurde und wir zu flexiblen Schürzen übergegangen waren, kümmerte ich mich mehr um das Einstellen des Fahrwerks."

Stubbs' großes Glück war, dass damals - Ende der 70er-Jahre - durch den Ground Effect eine neue Technologie in die Formel 1 kam, von der niemand wirklich eine Ahnung hatte. Sprich: Auch erfahrene Mechaniker hatten ihm an Wissen nicht viel voraus. Folglich wurde er von Frank Williams für diesen Bereich abgestellt, wodurch er sich weiter empfehlen konnte. Es folgte ein weiterer Aufstieg bei Williams, ehe er schlussendlich auch bei anderen Teams Erfahrungen sammelte.

Mit den Schürzen beschäftigte er sich nicht lange, weil der Ground Effect als zu gefährlich eingestuft und reguliert wurde. Also wechselte der heutige zweifache Familienvater neuerlich sein Metier: "Ich war für ein Jahr Lagerchef bei Williams, wechselte dann in den Einkauf und als Peter Collins zu Benetton wechselte, wurde ich Teammanager." Stubbs war damals keine 30, hatte sich aber binnen weniger Jahre ohne echte Ausbildung hochgearbeitet.

Vom Buchhalter zum Chef eines 70-Kopf-Rennteams

Dass ein Universitätsabschluss und ein klassischer Ausbildungsweg notwendig sind, um in der Formel 1 Erfolg zu haben, glaubt er nicht: "Ich denke nicht, dass man über spezifische Qualifikationen verfügen muss. Man muss nur verstehen, was es mit dem Rennsport auf sich hat. Ein Formel-1-Fan zu sein, hilft auf jeden Fall. Ich selbst war Buchhalter in Harwell und hatte darauf keine Lust mehr, also wollte ich in den Motorsport einsteigen."

"Ich genieße diesen Sport immens, sonst würde ich ihn nicht ausüben, aber seit den alten Williams-Tagen hat sich viel verändert. Damals sind wir nur zu neunt mit dem Rennteam unterwegs gewesen, aber jetzt sind wir 70! Auf gewisse Weise ging es auch damals schon sehr professionell zu, aber es waren keine großen Hersteller da, bis Renault und Alfa Romeo eingestiegen sind. In der Boxengasse gab es nur Typen wie Frank Williams und Guy Ligier", schwelgte der Brite in Erinnerungen.

Gemessen an heutigen Verhältnissen war der damalige Aufwand für die Formel 1 natürlich verschwindend gering. Selbst das Jaguar-Team, welches zu den kleinsten der Formel 1 gehört und wegen Erfolglosigkeit vom Ford-Konzern zum Verkauf angeboten wird, sprengt die früheren Dimensionen bei weitem: "Wir haben", so Stubbs, "heute 360 Leute in unserer Fabrik in Milton Keynes. Der Sport ist nicht mehr zu eng verstrickt wie früher, aber es ist noch immer eine tolle Arbeitsumgebung."

Von Fliegern, Mietautos und Hotelbuchungen

Und was waren bei Jaguar zuletzt eigentlich deine Aufgaben, Dave? "Im Prinzip deckt mein Job alle Bereiche ab", entgegnete der Teammanager der "Raubkatzen". "Dazu gehört die Leitung des Rennteams auf täglicher Basis, das Anheuern und Feuern von Mechanikern und das Sicherstellen davon, dass wir die richtigen Leute am richtigen Ort und zur richtigen Zeit in der richtigen Jobposition haben. Auch das Testteam unterliegt meiner Aufsicht."

"Vor einem Grand-Prix-Wochenende muss ich dafür sorgen, dass 70 Mitarbeiter in den richtigen Fliegern sitzen, ich kümmere mich um die Mietautos und Hotels. Vor Ort selbst ist mein Job auch eher organisatorisch, aber in der Hinsicht, dass ich auf die Einhaltung des Reglements achte. Ich bin derjenige, der das Reglement in- und auswendig kennt, und wenn die Mechaniker fragen, ob sie dies und jenes machen dürfen, kann ich ihnen eine Antwort geben. Ich stelle also sicher, dass wir keine dummen Fehler machen und dafür bestraft werden", schilderte er.

Bis zu dieser verantwortungsvollen Position musste Stubbs aber einige Karrierestationen zurücklegen: Bei Williams arbeitete er sich zwischen 1978 und 1985 vom Schürzen-Betreuer über den Lagerchef bis hin zum Teammanager hoch. 1990 wechselte er als Teammanager zu Brabham, ehe er einige Jahre später die Leitung des Formel-3000-Rennstalls von Paul Stewart übernahm. Mit den Stewarts stieg er schließlich auch in die Formel 1 auf und machte den Verkauf an Jaguar mit.