• 23.10.2015 01:35

  • von Dieter Rencken & Roman Wittemeier

Ein Jahr danach: Die Boykottandrohung, die keine war?

Vor einem Jahr trieben Sauber, Force India und Lotus den Kampf um gerechtere Geldverteilung auf die Spitze: Der drohende Rennboykott von Austin 2014

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 gastiert an diesem Wochenende an jener Stelle, an der die Privatteams Sauber, Force India und Lotus ihren lauten Ruf nach mehr Geld 2014 auf die Spitze trieben. Mit der knallharten Darstellung der üblen finanziellen Rahmenbedingungen und mit einem angeblich drohenden Boykott des Rennens in Austin rückten Robert Fernley (Force India), Monisha Kaltenborn (Sauber) und Gerard Lopez (Lotus) ihre Anliegen in den Fokus der Formel-1-Öffentlichkeit.

Titel-Bild zur News: Monisha Kaltenborn

Blick bleibt ernst: Für Monisha Kaltenborn hat sich seit 2014 wenig verändert Zoom

"Das mit dem Boykott ist damals irgendwo aufgekommen. Das wurde zum großen Thema gemacht. Wir haben das aber aktiv niemals in Erwägung gezogen. Irgendwoher kam das, dann hat es sich verselbstständigt", will Kaltenborn ein Jahr später von einem angeblichen Plan zum Auslassen des Rennens aus Protest gegen ungerechte Geldverteilung und mangelnden Einfluss auf die Regeln im Grand-Prix-Sport nichts mehr wissen.

Die Boykottandrohung als großer Bluff? Als Mittel zum Durchsetzen der eigenen Interessen? Nein, sagt die Österreicherin. Allerdings hätte ein solcher Schritt womöglich greifbare Veränderungen herbeigeführt, die seit dem Aufschrei der drei Teams komplett ausgeblieben sind. Der Ruf ist verhallt, die Aufregung hat sich gelegt. "Was sich verändert hat: Wir haben jetzt diese Eingabe gemacht. Das ist der große Unterschied", sagt Kaltenborn und meint den Schritt von Sauber und Force India zur EU nach Brüssel.

Was hat sich seit Austin 2014 geändert? Fast nichts!

"Plötzlich gibt es sogar Mitglieder der Strategiegruppe, die meinen, dass man diese nicht hätte einführen sollen. Es gab nur wenig Bewegung bis zu dieser Eingabe. Seither gibt es einen großen Unterschied zu der Zeit davor", ist sich die Sauber-Teamchefin sicher. Formel-1-Boss Bernie Ecclestone hatte damals Hilfe versprochen. Der Brite bot damals an, alle Verträge mit den Teams zu zerreißen und die Szene bezüglich der Verteilung der Vermarktungserlöse neu aufzustellen.

Nur wenig später wusste der Brite zu berichten, dass ein solches Vorgehen nur mit Zustimmung aller Teams möglich sei - und diese Zustimmung blieb natürlich aus, weil Teams wie Ferrari, Red Bull und Co. nicht freiwillig auf Einnahmen zugunsten der Mitbewerber verzichten. "Das System ist so. Dieses System ist allerdings nicht aus irgendeiner Historie heraus gewachsen. Man kann nicht sagen, dass das, was wir heute haben, historisch immer schon so gewesen ist. Es ist ein Ergebnis der Verhandlungen aus dem Jahr 2012", meint Kaltenborn.


Fotostrecke: 400. Grand Prix für Sauber

"Natürlich haben wir alle unsere Verträge unterschrieben. Man muss aber mal die Situation sehen, der wir ausgesetzt waren", so die Juristin. "Wir kannten zu jenem Zeitpunkt gar nicht alle Privilegien. Das wurde erst in letzter Zeit auch durch die Medien bekannt. Zudem ist es gar nicht relevant. Wenn man vor der Entscheidung steht, entweder zu unterschreiben oder den Laden zuzusperren, dann unterschreibt man. Da denkt man nicht lange nach."

Der Ball liegt nun bei den EU-Wettbewerbshütern, die entscheiden müssen, ob das aktuelle Vorgehen bei Geldverteilung und Regelfindung gültigem Recht entspricht. Sollten die Fachleute in Brüssel zu der Erkenntnis gelangen, dass die Formel 1 wettbewerbsrechtlich auf dem falschen Weg ist, dann könnte das von Ecclestone skizzierte Szenario tatsächlich wahr werden. In einem solchen Fall dürfte der Brite die Verträge zwar nicht zerreißen, aber sie würden von der EU womöglich schlichtweg für ungültig erklärt.