• 08.12.2016 16:05

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Duell der Privatiers: Hat Williams Platz vier für 2017 geopfert?

Force India hat Williams in die Knie gezwungen, dafür aber möglicherweise einen hohen Preis bezahlt - "Fundamentaler Schwenk hätte Bauchschmerzen bereitet"

(Motorsport-Total.com) - Vor der Formel-1-Saison 2016 hätten nicht viele Experten Geld darauf gewettet, dass Force India in der Konstrukteurs-WM besser abschneiden würde als Williams. Zehn Monate später ist die Sache Fakt und bedeutet für das britische Traditionsteam nicht nur einen tief sitzenden Stachel im Fleisch, sondern auch finanziell ein herber Verlust. Rund vier Millionen Euro an Preisgeldern gehen im kommenden Jahr flöten. Co-Teamchefin Claire Williams räumt ein: "Force India hat es verdient."

Titel-Bild zur News: Felipe Massa, Sergio Perez

Enges Duell der Privatiers: Force India war am Ende der Überraschungssieger Zoom

Sie zieht den Hut vor dem mit weniger Geld ausgestatteten Vijay-Mallya-Team: "Sie haben einfach bessere Arbeit geleistet. Aber klar, bei uns ist jeder enttäuscht" Denn Force India ist auch Mercedes-Kunde - hat also den gleichen Antriebsstrang im Heck - und bezieht das identische Getriebe. Deshalb ist auch Technikchef Pat Symonds enttäuscht: "Wir haben mehrere wesentliche Entwicklungspfade verfolgt, um in Ungarn ein finales Paket zu bringen. Aber in zwei Bereichen waren wir nicht so gut, wie wir hätten sein sollen", bedauert der Technik-Dinosaurier. "Es war ein guter Schlagabtausch", findet Williams' Amtskollege Robert Fernley und betont: "Die Fahrerpaarung und die technische Entwicklung haben am Ende den Ausschlag für uns gegeben."

Dabei kommt es einem kleinen Wunder gleich, dass Force India - zu Beginn der Saison noch weit hinter Williams - ohne einen eigenen Windkanal sein Chassis so rasant auf Vordermann brachte. Bei Toyota in Köln holte das alles aus dem VJM08 heraus und war im Sommer für enteilt. "Die Sache war gegessen", winkt Williams-Technikchef Pat Symonds ab, wenn er an die Lage der Dinge im September denkt. Auch seine Chefin bemerkt: "Es gab sechs Rennen zur Mitte Saison, bei denen es einfach nicht funktioniert hat. Obwohl wir die Schwächen des Autos sofort identifiziert hatten."

Symonds und seiner Crew waren jedoch die Hände gebunden: "Die Leute unterschätzen, wie lange es dauert, ein Auto zu entwickeln. Es braucht eine am Saisonanfang festgelegte Strategie." Und bei der hatte sich Williams offenbar mächtig verzockt und geriet in eine Sackgasse, aus der es kein Entrinnen mehr gab. "Hätten wir einen fundamentalen Schwenk gemacht und wären Vierter in der WM geworden, hätte ich jetzt richtig Bauchschmerzen", erklärt der Technik-Dinosaurier.


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In diesem Fall hätten die gesamten Ressourcen in Form von Geld und Personal dafür aufgewendet werden müssen, weiter für 2016 zu entwickeln. Die Aerodynamik-Novelle für das kommende Jahr wäre ausgeblendet worden, was Williams wohl teuer zu stehen gekommen wäre - teuerer als die vier Millionen, die nun der Gegner einstreicht. "Es tut weh, aber wir nehmen uns dem Problem hinter den Kulissen an", betont Claire Williams. Genau dort liegt die Schwachstelle Force Indias.

Nicht nur, dass in Silverstone offenbar mehr für 2016 getan wurde. Force India kann nur geringere Stückzahlen produzieren. Ergo muss das Team Teile für das 2017er-Auto in die Fertigung geben, in denen noch mehr Entwicklungspotenzial steckt. Einfach aus der Not heraus, rechtzeitig ein Auto auf die Beine zu stellen. Das macht die Upgrades im Saisonverlauf wertvoller, beschert aber wohl einen Rückstand zu Beginn.