Die wirtschaftlichen Folgen der Farce von Indianapolis

Nach dem Skandalrennen in den USA drohen der Formel 1 auch finanziell Verluste - Fan verklagt Ecclestone, FIA und Michelin

(Motorsport-Total.com) - Abgesehen vom immensen Imageschaden, den die Formel 1 speziell in den USA, zum Teil aber auch weltweit vom Farce-Rennen in Indianapolis mit nur sechs Teilnehmern davongetragen hat, drohen nun auch finanzielle Schadenersatzforderungen. Insgesamt könnte der Rückzug der 14 Michelin-Autos vom Grand Prix der USA dem Sport um die 300 Millionen Euro kosten.

Titel-Bild zur News: Amerikanische Zeitungen nach Indianapolis 2005

Die Medien tragen den Imageschaden für die Formel 1 in die weite Welt hinaus

Unmittelbarste Folge des Fiaskos sind die aufgebrachten Fans, die mehrheitlich die Kosten für ihre Eintrittskarten zurückerstattet haben wollen. Sollten die Veranstalter tatsächlich zu einer Rückerstattung gezwungen werden, würde sich der Verlust auf rund 15 Millionen Euro belaufen. Dass ein solches Szenario gar nicht so unwahrscheinlich ist, zeigt ein Fan, der den Eintrittspreis sowie seine Anreisekosten nun gerichtlich einfordert.#w1#

Fan aus Colorado will sich sein Geld zurückklagen

Konkret handelt es sich dabei um Larry Bowers aus Colorado, der der Anweisung von Indianapolis-Betreiber Tony George gefolgt ist und sich in der Angelegenheit von Bernie Ecclestones Formula One Management (FOM), der FIA und Michelin sein Geld zurückholen will. Bowers hat über den in Indianapolis ansässigen Rechtsanwalt William Bock III. Klage eingereicht und könnte im Erfolgsfall auslösen, dass weitere Zuschauer, die am Sonntag an der Rennstrecke waren, seinem Weg folgen werden.

"Das angebliche Rennen, an dem nur drei Teams teilgenommen haben, entsprach nicht einem echten Grand Prix unter FIA- und Formel-1-Regeln, weil die Teilnehmerzahl unausreichend war", heißt es in den Vorwürfen. Bowers war zu bisher jedem US-Grand-Prix seit 2000 nach Indianapolis gekommen und hatte für die diesjährige Auflage der Veranstaltung fünf Tickets erworben. Deren Gegenwert sowie alle damit in Verbindung stehenden Kosten fordert er nun zurück.

Gleichzeitig blüht der FOM eine Klage seitens des 'Indianapolis Motor Speedway', der geschätzte 20 bis 25 Millionen Euro an Franchisegebühren für die Austragung der Veranstaltung überweisen muss beziehungsweise dies schon getan hat. Joie Chitwood, Geschäftsführer des 'Indianapolis Motor Speedway', deutete dies noch am Sonntag im Rahmen einer improvisierten Pressekonferenz an: "Wir werden unsere Position in den kommenden Tagen sorgfältig prüfen", sagte er.

Nach 2006 nie wieder Formel 1 in Indianapolis?

Für die Formel 1 könnte der Unmut in Indianapolis aber noch weitreichendere Folgen haben, zumal der Vertrag für den Grand Prix nächstes Jahr ausläuft. Im Moment sieht es nicht nach einer Verlängerung aus, denn Streckenbetreiber Tony George hatte bis zuletzt versucht, gemeinsam mit den Verantwortlichen in Form einer Schikane das Rennen für die Fans zu retten, hatte damit aber keinen Erfolg. Die Auswirkungen seien nun verheerend, Chitwood sprach sogar von einem "massiven Rückschlag".

Selbst wenn sich der 'Indianapolis Motor Speedway' schadlos halten kann, ist der Imageschaden beträchtlich, weshalb davon auszugehen ist, dass 2006 wesentlich weniger Fans an die Strecke kommen werden als bisher. Bei der Premiere im Jahr 2000 waren es mehr als 200.000, am Sonntag immerhin noch - offizielle Zahlen gibt es nicht - 110.000 bis 140.000. Besonders ärgerlich ist dies aus Sicht von George und Chitwood, weil Indianapolis seinerzeit für die Formel 1 zu hohen Kosten eine eigene Grand-Prix-Strecke innerhalb des berühmten Ovals bauen musste.

Auch Teams Leidtragende der Affäre

Die sieben betroffenen Teams, die im Endeffekt umsonst von Montréal nach Indianapolis gereist sind, verlieren durch die entstandenen Logistikkosten insgesamt etwa 35 Millionen Euro, also sieben Millionen Euro pro Rennstall. Darüber hinaus entgeht den Sponsoren und Partnern dieser Teams natürlich ein immenser Werbewert für die verlorene TV-Präsenz, was gerade beim US-Grand-Prix, der in Europa zur besten Sendezeit übertragen wurde, besonders tragisch ist. Ob Sponsoren den Teams gegenüber diesbezüglich Ansprüche geltend machen werden, ist noch unklar.

Den vermutlich größten Schaden könnte langfristig aber die Stadt Indianapolis davontragen, die jährlich ein Wirtschaftsvolumen von 180 Millionen Euro durch die Formel 1 generiert. Sollte der Grand Prix durch das Fiasko vom Wochenende tatsächlich nur noch einmal oder gar überhaupt nicht mehr ins Mekka des amerikanischen Motorsports kommen, wäre dieser Betrag natürlich hinfällig.

Roland Dorson, Vizepräsident der Handelskammer von Indianapolis, befürchtet einen "Domino-Effekt", sollte die Veranstaltung gestrichen werden, weil zahlreiche Fans, die von weiter her anreisen, ihren Aufenthalt in der Stadt mit einem Urlaub verbinden und dadurch viel Geld in der Region lassen - in Hotels, Restaurants, Einkaufszentren und so weiter. Der Tourismus ist sogar ein gewichtigerer Faktor als beim Indy 500, wo der Anteil der aus der Ferne angereisten Fans wesentlich geringer ist.

Australischer Wettanbieter verlor 80.000 Euro

Dass sich beim Rennen selbst naturgemäß Außenseiter durchgesetzt haben beziehungsweise auf das Podium oder in die Punkte gefahren sind, mit denen im Vorfeld niemand gerechnet hätte, kostete indes den Buchmachern eine ordentliche Stange Geld. 'Centrebet' in Australien hat dadurch beispielsweise 80.000 Euro verloren, während andere Wettanbieter noch wesentlich schlimmer getroffen wurden.

Doch wie wurde die Angelegenheit von den Wettbüros eigentlich gehandhabt? "Wenn Events ausfallen, werden die Quoten bei uns nachträglich zurückgesetzt. Das heißt, die Kunden bekommen ihren Einsatz zurück. Im konkreten Fall haben wir uns entschlossen, uns für unsere Kunden zu entscheiden, und haben für all jene Fahrer, die nicht starten konnten, die Einsätze zurückbezahlt. Gleichzeitig haben wir aber Gewinne für die angetretenen Fahrer, also zum Beispiel Michael Schumacher, voll ausgezahlt", erklärte 'betandwin'-Sprecher Hartmut Schultz gegenüber 'F1Total.com'.

'betandwin' hat etwaige Gewinne trotzdem ausgezahlt

Genau wie viele andere Wettbüros hat 'betandwin' ab einem bestimmten Zeitpunkt alle Wetten in Zusammenhang mit dem Rennen in Indianapolis aus dem Angebot genommen, aber: "Wir haben die bis zu dem Zeitpunkt abgeschlossenen Wetten auf teilnehmende Fahrer ganz normal ausgezahlt", so Schultz. "Für uns stand also das Kundeninteresse im Vordergrund."

Unabschätzbar sind indes die Verluste, die Reifenhersteller Michelin, der die ganze Affäre angestoßen hat, im Zuge des Nichtantretens erleiden wird beziehungsweise schon erlitten hat. Die Aktien des Unternehmens knickten zu Handelsbeginn am Montagmorgen leicht ein und sanken um mehr als ein Prozent an Wert. Inzwischen hat sich die Aktie wieder erholt. Das Motorsportpublikum könnte am vergangenen Wochenende aber an Vertrauen in die Marke verloren haben.