Die Top-5-Technikinnovationen von Jerez

Skurrile Nasen und Motorenprobleme habe in Jerez für die meisten Schlagzeilen gesorgt, aber es gab auch andere Bereiche von technischem Interesse

(Motorsport-Total.com) - In Jerez wurden die neuen Formel-1-Autos der Saison 2014 zum ersten Mal der Öffentlichkeit und auch der Konkurrenz präsentiert. Neben den gewöhnungsbedürftigen optischen Neuerungen standen vor allem die Antriebseinheiten im Mittelpunkt, die - besonders auf Seiten Renaults - erwartet schwierig anliefen. Manche Ingenieure haben sich jedoch auch ganz besondere Innovationen einfallen lassen, die im Rahmen des neuen Reglements gewisse Vorteile mit sich bringen könnten. Wir haben die fünf vielversprechendsten Neuerungen zusammengefasst.

Titel-Bild zur News: Felipe Massa

Williams hat mit seiner Variante des Beam Wings für Aufmerksamkeit gesorgt Zoom

ERS-Lichter

Als der Mercedes W05 vor den Photographen enthüllt wurde, leuchtete der Überrollbügel in einem Licht von einer Reihe grüner LEDs. Es war keine Reflektion des Farbschemas des Benzinsponsors, sondern verschaffte uns einen ersten Blick auf ein neues Sicherheitssystem für das kraftvollere ERS. Bis zum vergangenen Jahr musste jedes Auto mit KERS an Bord eine Sicherheitsleuchte auf dem Chassis haben, um Streckenposten und Mechaniker vor dem elektrischen Status des Autos zu warnen.

Aber die Position dieser Sicherheitsleuchte aufrecht vor dem Cockpit war aus der Ferne nur schwer zu erkennen, weshalb für 2014 weitere Sicherheitsleuchten zum Überrollbügel und der Rückleuchte hinzugefügt wurden. Diese Leuchten werden von der Elektronik des Autos gesteuert. Wenn das ERS sicher ist, dann sind die Lichter grün; wenn nicht, dann rot. Diese Leuchten werden aktiviert, wenn das Auto in die Boxengasse kommt oder stehenbleibt.

Mercedes

Eine neue Kontrolleuchte signalisiert die Funktionsfähigkeit des ERS Zoom

LED-Armatur

Mit der zunehmenden Bedeutung von ERS für 2014 wurde den Teams erlaubt, eine komplexe Armatur auf ihrem Lenkrad zu haben. Obwohl die Teams schon in den frühen 2000er-Jahren angefangen hatten, große LCD-Displays auf ihren Lenkräder zu setzen, hat die Einführung der Kontroll-ECU der FIA 2008 diesem Trend Einhalt geboten - nur eine McLaren-Electronics-PCU-6D-Armatur war erlaubt. Dieses LED-Display bot nur eine beschränkte Bandbreite an angezeigten Informationen. Und für viele war dies ein regressiver Schritt, Informationen an den Fahrer weiterzugeben.

Das neue PCU-8D ist ein neues 4,2-LCD-Farbdisplay, das den Teams fast unbegrenzte Möglichkeiten gibt, Informationen an die Fahrer weiterzugeben. Die Teams haben die Möglichkeit, die Armatur zu verwenden oder auf das ältere Format zurückzugreifen. Der Unterschied liegt darin, wie viele Informationen die Fahrer brauchen, und in einem Zusatzgewicht von 100 Gramm für das neue Display.

Lenkrad, Toro Rosso

So sieht das neue Lenkrad der Scuderia Toro Rosso aus Zoom

McLarens Aufhängungsblocker

Bei seiner Präsentation hat McLarens hintere Aufhängung mit ihren Querlenkern, deren ganz hintere Teile in einem ziemlich ungewöhnlichen Winkel stehen, sowie weiteren Teilen im direkten Umfeld für Aufmerksamkeit gesorgt. Nach diversen Verzögerungen am ersten Testtag, die mit Hydraulikproblemen zusammenhingen, ging der MP4-29 schließlich auf die Strecke und überraschte sofort mit der Verkleidung jener Aufhängungsteile.

Bei genauerer Betrachtung lässt die Verkleidung Blocker erkennen, die an einen Cricket-Schläger erinnern, der vorn abgerundet ist und hinten eine flache, lippenartige Oberfläche hat. Dabei handelt es sich natürlich nicht um eine mechanische oder strukturelle Lösung, sondern um ein rein aerodynamische, um den Verlust des "Beam-Wings" zu kompensieren, der in diesem Jahr den Regeln entsprechend weichen musste.

McLaren hat eine clevere Entscheidung getroffen, die Blocker in die gesamte Heckphilosophie des Autos zu integrieren, da so auch das Getriebe und die hintere Crash-Struktur angepasst werden mussten. Durch die angewinkelten Teile erfüllt McLaren immer noch das Reglement und führt gleichzeitig den Luftstrom zum hinteren Ende des Diffusors. Dieser wird von jener Lösung besonders beeinflusst, weil die "Cricket-Schläger" in der Nähe der Hinterreifen in eine konventionelle dünne Form übergehen.

Wenn der Luftstrom über die Seitenkästen auf das Heck zuströmt, trifft es zunächst auf jene großen Teile der Verkleidung. Die Luft strömt unter- und oberhalb vorbei, wodurch ein starker Unterdruck direkt hinter dem Auto erzeugt wird. So wird mehr Luft durch den Unterboden gezogen, was zusätzlichen Anpressdruck erzeugt. Das hat natürlich auch einen Nachteil: Diese Lösung bringt einen enormen Luftwiderstand mit sich, was sich in einer auf Spritsparen ausgelegten "neuen" Formel 1 negativ auswirken kann.

McLaren Querlenker Heck

Das Heck des neuen McLaren MP4-29 offenbart die Querlenker Zoom

Gary Anderson, technischer Berater von 'Autosport', glaubt, dass die Verkleidung bei Höchstgeschwindigkeiten größere Lücken erzeugen könnte, um den Luftwiderstand bei hohen Geschwindigkeiten zu verringern. Obwohl es sich klar um die Aerodynamik handelt, scheinen diese Verkleidungsteile in den meisten Interpretationen des Reglements legal zu sein. Sie werden zu den ungefederten Teilen des Chassis gezählt und dürfen sich deshalb bewegen. Sie sind im Querschnitt symmetrisch und liegen innerhalb der Maximallänge für Aufhängungsteile.

Seit vielen Jahren haben Teams die aerodynamischen Vorteile der Aufhängung bereits ausgenutzt. Wenn man ein Formel-1-Auto ohne Aufhängungsteile bauen würde, gäbe es ohne den Querlenker weniger Abtrieb. Aber das wäre eine extreme Interpretation der Regeln. Obwohl die FIA zufrieden mit den Regeln scheint, findet manch anderer, dass diese Formgestaltung über die Grenzen hinausschießt und älteren technischen Richtlinien widerspricht.

Den einzigen Bereich, den Gary Anderson und andere Beobachter möglicherweise für kontrovers halten, ist, dass die Verkleidung die Luft an der hinteren Kante des Diffusors entlang leitet, während sich die Aufhängungsteile genau zwischen der inneren und äußeren Aufhängung befinden. Wir werden auf das erste Rennwochenende in Melbourne warten müssen, bevor irgendwelche formalen Proteste gegen das Design hervorgebracht werden können.

Williams' "Beam Wing"

Die Abschaffung des hinteren "Beam Wings" stellt die Aerodynamiker vor gewisse Probleme, denn er leitete bis dato den Luftstrom vom Diffusor zum Heckflügel. Nun, da der "Beam Wing" verschwunden ist, haben die Autos in der Summe weniger Anpressdruck. McLaren hat eine aggressive Lösung für dieses Problem gefunden, aber Williams hat etwas Einfacheres und Eleganteres. So hat man einen Flügel im "Beam-Wing"-Stil weit unten über dem Diffusor angebracht. Dieser sitzt unterhalb der Maximalhöhe für Luftleitbleche beim Diffusor von 150 Millimetern und ist vollkommen legal.

Das Profil des neuen Flügels ist durch das Getriebe etwas abgespeckt, während 2013 noch der alte Flügel für jene Vorteile sorgte. Williams hat also keine Säule zur Unterstützung des Heckflügels mehr. Die anderen Teams werden vermutlich mit ähnlichen Lösungen in Melbourne aufwarten. Im Heck der Autos gibt es diverse Bereiche, die Spielraum für ähnliche Vorrichtungen bieten.

Ladeluftkühler

Eine Herausforderung für die Designer stellt in diesem Jahr auch die Kühlung der Antriebseinheit dar. Ein Faktor für den erhöhten Kühlungsbedarf ist die durch den Turbolader verdichtete Luft, bevor sie in den Motor gelangt. Kühlere und dadurch auch dichtere Luft enthält mehr Sauerstoff und kann somit mehr Kraft erzeugen. Typischerweise haben die Formel-1-Teams Ladeluftkühler verwendet. Eine kühlerähnliche Struktur lässt die Luft durch winzige Röhren fließen, wodurch der äußere Luftstrom die Hitze aus dem Ladeluftkühler nimmt.

Dies ist thermisch effizient und leicht. Aktuelle Ladeluftkühler sind jedoch ziemlich groß - drei- oder viermal so groß wie ein normaler Wasserkühler - und füllen jeweils einen kompletten Seitenkasten aus. Aufgrund des Luftwiderstands der kühleren Bereiche ist das schlecht für die Aerodynamik. Auch der Zwang, die Seitenkästen für die Ladeluftkühler zu vergrößern, schafft ein Problem. Ein anderes Mittel ist die Kühlung durch Wasser. Dabei schließt das Wasser die Luft wie eine Jacke ein. Es führt die Hitze von den Rohren weg, dann wird es separat mit einem Wasserkühler in den Seitenkästen gekühlt.

Thermisch ist diese Lösung deutlich effizienter, da es nur kleinere Ladeluftkühler braucht, zudem kleinere Wasserkühler. Der Vorteil: Der Wasser-Luft-Zwischenkühler hat keine Einflüsse auf die Aerodynamik, außerdem sorgt der kleinere Wasserkühler für weniger Luftwiderstand und verringert die Größe des Seitenkastens. Selbst die Leitungen können kürzer sein, sodass die Verzögerung durch den Turbo etwas verringert werden kann.

Folgende Lösung wurde in der Formel 1 bereits früher angewandt: Der Toleman-Hart-Motor der frühen 1980er-Jahre nutzte anfangs eine Wasser-Luft-Kühlung für den einfachen Turbo. Aber wenn diese Lösung bewiesenermaßen funktioniert und erhebliche aerodynamische Vorteile hat, warum wird sie dann nicht erneut von mehr Teams angewendet? Die Antwort liegt hier in der Komplexität der Rohre, der Wasserpumpe und der Wasserjacke, die allesamt Gewicht im Auto bedeuten. Nur wenige Teams waren also in der Lage, diesen Weg zu gehen, weil die Autos ohnehin bereits nah am Gewichtslimit gebaut sind.

Ferrari F14 T

Ferrari und Mercedes gehen mit den Nasen einen anderen Weg als die meisten anderen Zoom

Es scheint so, als würden Ferrari, Marussia und Sauber die Wasser-Luft-Variante benutzen, ebenso wie Mercedes. Zumindest die beiden Topteams können sich das zusätzliche Gewicht leisten, weil sie es durch aerodynamische Vorteile wieder ausgleichen können. Die Seitenkästen könnten so womöglich einen besseren Luftfluss zum Heck hin erzeugen, der für höheren Anpressdruck sorgt. Es ist möglich, dass Ferrari und Mercedes aus diesem Grund auch keine "Ameisenbären-Nase" haben, sondern eher auf Abtrieb am Heck setzen als vorne.