Hintergrund: Der Weg zum perfekten Setup

Die Fahrzeugabstimmung entscheidet in der Formel 1 über Sieg oder Niederlage, doch wie gehen Piloten und Teams vor, damit das Auto perfekt auf der Straße liegt?

(Motorsport-Total.com) - Sie entscheidet über Sieg oder Niederlage. Sie ist ein Kompromiss aus Qualifying und Rennen. Und sie ist von deutlich größerer Bedeutung als in der Vergangenheit. Die Fahrzeugabstimmung zählt zu den größten Mysterien der Formel 1. Doch welchen Anteil am Setup hat der Pilot selbst? Welche technischen Hilfsmittel ziehen er und sein Team zu Rate? Und welche Rolle spielt dabei der Teamkollege? Fragen, die nur die Akteure selbst aufschlussreich beantworten können.

Titel-Bild zur News: Jenson Button, Lewis Hamilton, Setup

Teamwork: Die McLaren-Piloten basteln mit den Ingenieuren am Setup

Fakt ist, dass ein beträchtlicher Teil der Arbeit schon absolviert wurde, wenn der Pilot am Freitag im ersten Freien Training erstmals auf die Strecke geht. Die Renningenieure der Piloten bemühen sich bereits in der Fabrik um ein Basis-Setup. "Wir nützen die Zeit und führen Simulationen durch", erzählt Andrew Shovlin, der bei Mercedes als leitender Renningenieur fungiert. "Wir sehen uns die Strategieoptionen und die ungewöhnlichen Faktoren bei den jeweiligen Kursen an. Das Grund-Setup wird dann in der Woche vor dem Rennen ermittelt."

Die Renningenieure besprechen die Herangehensweise meist vor der Abreise zur Rennstrecke mit den Piloten - an der Strecke gibt es vor dem Trainingsauftakt weitere Besprechungen. Geht es dann zur Sache, dient der Renningenieur in beide Richtungen als Übersetzer zwischen dem Fahrer und dem restlichen Team. Der Pilot kommuniziert an den Renningenieur, was er auf der Strecke spürt, dieser interpretiert die Aussagen und leitet sie an die unterstützenden Ingenieure weiter.

Fahrer bringen Ordnung ins Datenchaos

Wichtig ist auch, dass der Fahrer genau weiß, worauf er sich konzentrieren muss, wenn er im Auto sitzt, denn das Auto ist für die Ingenieure durch die Telemetrie beinahe transparent. Ohne die Informationen der Fahrer können sie die Datenlawine aber nicht nutzen. "Ich überlege immer schon, bevor ich mich ins Auto setze, was ich auf der Rennstrecke machen werde", bestätigt Caterham-Pilot Witali Petrow.

"Es gibt eine Unmenge an Systemen auf dem Computer, wo man die Aerodynamik, die Bremsen, Gas, Lenkrad, Dämpfer und viele andere Dinge analysieren kann. Wir könnten stundenlang darüber sprechen und würden trotzdem nie fertig werden. Das Wichtigste ist, dass man zu hundert Prozent weiß, was mit dem Auto auf der Rennstrecke passiert. Dann kann man den Ingenieuren die richtigen Antworten geben und sie können das Setup einstellen. Man kann dann die Daten überprüfen und Millionen Dinge analysieren."

Witali Petrow

Oft findet in der Formel 1 die entscheidende Arbeit an der Box statt Zoom

Telemetrie sorgt für Transparenz

Ferrari-Testfahrer und Ex-Le-Mans-Sieger Marc Gene verrät, dass die Piloten bei der Scuderia auch mit einem Telemetrie-Spezialisten in engem Kontakt stehen. "Ein Formel-1-Auto ist mit hunderten Sensoren ausgestattet, die einem bei der Suche nach dem richtigen Setup helfen", gibt der Spanier Einblicke. "Durch die Sensoren entsteht eine Flut an Informationen. Der Telemetrie-Spezialist wartet dann darauf, dass der Fahrer eine Information abgibt, bevor er sich etwas anschaut."

Gene gibt ein Beispiel: "Der Fahrer sagt, dass es ein Problem mit der Vorderrad-Aufhängung gibt. Dann nimmt man die Sensoren an der Vorderrad-Aufhängung unter die Lupe. Wenn man als Fahrer aber nichts sagt, dann gibt es so viele Informationen, dass es viel zu lange dauern würde, um das Problem zu finden. Der Fahrer filtert daher die Informationen und hilft damit dem Telemetrie-Spezialisten, die Probleme schneller zu finden."

Wenn es im Qualifying um jede Sekunde geht und oft rasche Änderungen an der Abstimmung von Nöten sind, kann der Fahrer den Telemetrie-Spezialisten sogar aus dem Cockpit konsultieren. Wie das funktioniert? "Im Qualifying sind wir bei Ferrari neben den TV-Bildern auch immer mit dem Telemetrie-Spezialisten in Kontakt", erklärt Gene.

"Die Fahren fragen ihn nach Informationen - zum Beispiel nach dem Vergleich mit dem Teamkollegen. Der Telemetrie-Spezialist druckt das dann entweder aus und gibt es an die Fahrer weiter, oder man sieht es auf dem Bildschirm auf einem anderen Kanal. Der Fahrer kann den Kanal wechseln und sieht dann, was der Telemetrie-Spezialist gerade macht."

Teamkollege liefert Vergleichswerte

Vor allem der Vergleich mit dem Teamkollegen ist für die Erstellung der richtigen Abstimmung von enormer Bedeutung. Es ist für den Piloten der einzige Weg, um zu erkennen, wo er das Limit seines Materials nicht auslotet. "Es ist sehr wichtig, dass man einen Vergleich hat", bestätigt Pedro de la Rosa, der jahrelang für McLaren testete und 2012 bei HRT ein Comeback feiert. "Man vergleicht sich immer mit etwas oder jemandem - meistens mit dem Teamkollegen. Eine Grafik ohne Vergleichswert hat keine Aussagekraft für einen Fahrer."

Doch worauf achten die Piloten, wenn sie die eigenen Daten über die des Teamkollegen legen? "Wir sehen uns immer die Geschwindigkeit an", verrät der routinierte Spanier. "Ich schaue mir auch sehr gerne die Bremskraft an, denn das zeigt mir, wie viel Energie dein Teamkollege aufbringen kann, wenn er hart bremst und das Auto in der Kurve stabilisiert. Auch der Gang ist wichtig, denn dann weiß man, wie sie die Schaltung nutzen, um in die Kurven zu gehen."

Sebastian Vettel

Renningenieur Rocquelin und Weltmeister Vettel gelten als eingespieltes Duo Zoom

Seit dem Vorjahr gibt es zwei weitere interessante Parameter: DRS und KERS. "Manche Fahrer haben die Fähigkeit, diese Hilfsmittel in gewissen Kurven besser einzusetzen", fällt de la Rosa auf, weshalb er auch stets bei der Telemetrie-Analyse die Nutzung der Überholhilfen im Auge hat. Auch Williams-Pilot Pastor Maldonado, der in Melbourne mit einer tollen Leistung überraschte, schwört auf die Telemetrie: "Da sehen wir Speed, Lenkwinkel und viele Optionen. Man sieht, was im Auto vor sich geht. Man kann sich ansehen, wie man bremst, wie man beschleunigt. Man sieht die seitliche Beschleunigung, die G-Kräfte."

Der Vergleich mit dem Teamkollegen ist auch für ihn sehr aufschlussreich: "Da sieht man genau, wo man Zeit verliert und wo man Zeit gewinnt. Man kann sich auch die Technik ansehen, die andere Fahrer verwenden, um sich zu verbessern. Zuerst schauen wir aber auf die Geschwindigkeit, denn so sehen wir, was wirklich vor sich geht."