• 15.12.2009 17:20

Di Grassi: "Das Team ist hervorragend strukturiert"

Virgin-Neuzugang Lucas di Grassi über sein bevorstehendes Formel-1-Debüt, das Virgin-Team und die Aussichten für die Formel-1-Saison 2010

(Motorsport-Total.com) - Nach einigen Saisons in der GP2-Meisterschaft hat es Lucas di Grassi nun endlich geschafft: Im kommenden Jahr wird der Nachwuchspilot in die Formel 1 aufsteigen und an der Seite von Timo Glock für das neue Virgin-Team fahren. In seiner Medienrunde spricht di Grassi am Rande der offiziellen Teampräsentation über die Erfüllung seines Traumes, die Planungen von Virgin und über den Beginn einer neuen Ära in der Formel 1 - die just 2010 durch Virgin eingeleitet werden könnte...

Titel-Bild zur News: Lucas di Grassi

Lucas di Grassi freut sich sehr über seinen Aufstieg zum Stammfahrer bei Virgin

Frage: "Lucas, jetzt bist du endlich ein Formel-1-Fahrer..."
Lucas di Grassi: "Ja. In den vergangenen Jahren habe ich wirklich sehr viel harte Arbeit und reichlich Vorbereitung in diese Sache investiert. Jetzt endlich ein Cockpit zu erhalten - da wird ein Traum für mich wahr. Es ist einfach klasse. Ich habe nun schon einige Saisons in der GP2 verbracht, hatte gute Ergebnisse und testete noch dazu zwei Jahre lang für Renault."#w1#

"Jetzt befinde ich mich - so denke ich - auf dem bisherigen Höhepunkt meiner Karriere. Ich bin bestmöglich vorbereitet. Es ist also eine großartige Möglichkeit für mich, mit einem so soliden Team zu beginnen und gleich einen so guten Teamkollegen zu haben."

Frage: "Hattest du jemals Zweifel, dass dieser Tag kommen würde?"
Di Grassi: "Meiner Meinung nach ist mir diese Chance schon mehrfach durch die Lappen gegangen - manchmal aus gutem Grund, manchmal nicht. Ich denke nicht, dass 'Zweifel' das richtige Wort dafür ist. Ich habe immer so hart wir möglich gearbeitet - und zwar an jedem einzelnen Aspekt meiner Karriere."

"Ich habe immer so hart wir möglich gearbeitet." Lucas di Grassi

"Ich wollte eben die größte Chance darauf haben, dass dieser Tag einmal kommt. Ich habe immer daran geglaubt und habe niemals aufgehört, Druck zu machen. Jetzt ist es endlich passiert und nun beginnt für mich eine neue Herausforderung. Ich werde also noch motivierter zu Werke gehen und werde noch härter arbeiten, um mit der Formel 1 klarzukommen."

"Die Formel 1 weist ein anderes Niveau auf als die GP2 und dort Rennen zu fahren ist auch etwas anderes als Formel-1-Tests zu bestreiten. Ich muss mich daran gewöhnen und mich bestmöglich darauf vorbereiten. Ich kann eine erfolgreiche Formel-1-Karriere haben. Und genau darauf habe ich es abgesehen."

Virgin misst sich 2010 an den anderen Neueinsteigern

Frage: "Hat Virgin im kommenden Jahr überhaupt eine Chance, sollte Michael Schumacher 2010 zurückkehren?"
Di Grassi: "Ich denke nicht, dass das etwas damit zu tun hat, ob Michael Schumacher zurückkehrt, oder nicht. Es gibt Teams, die schon seit 50 Jahren am Start sind und Formel-1-Autos bauen. Es wird also eine große Herausforderung sein, einen Wagen zu konstruieren, der sehr konkurrenzfähig ist."

"Ein Formel-1-Fahrzeug zu bauen ist überaus schwierig. Gleichzeitig kommt es natürlich immer auch darauf an, was die anderen anstellen. Man kann zu diesem Zeitpunkt also nur schwer sagen, wie sich das Auto im kommenden Jahr verhalten wird. Mir ist schon klar, dass Virgin nur mittlere Erfolgschancen hat. Langfristig - also in drei bis fünf Jahren - können sie allerdings schon hoch sein."

"Mir ist schon klar, dass Virgin nur mittlere Erfolgschancen hat." Lucas di Grassi

"Das ist wohl die Zeitspanne für ein neues Team, bis es Rennen gewinnen kann. Sicher kannst du dir aber nie sein. Das kommende Jahr kann eine Überraschung beinhalten. Das Beste, was wir da machen können, ist, uns bestmöglich vorzubereiten."

Frage: "Richard Branson möchte nicht zu viel Geld ausgeben. Macht dich das ein bisschen nervös?"
Di Grassi: "Die Formel 1 steht an der Schwelle zu einer Saison, in der sehr viele neue Privatteams zur Serie hinzustoßen. Außerdem ist da noch die Idee, die Budgets in den kommenden Jahren sukzessive herunter zu fahren."

"Ich gehe allerdings nicht davon aus, dass Geld und Erfolg in einem direkten Zusammenhang stehen. Wir haben ja gesehen, wie einige Teams richtig viel Geld in die Formel 1 investiert haben, und doch keine Ergebnisse erzielen konnten. Gleichzeitig haben wir im vergangenen Jahr gesehen, wie Teams mit einem kleineren Budget ganz ausgezeichnete Resultate einfahren konnten."

"Die Unterschiede zwischen den Teams werden noch geringer sein." Lucas di Grassi

"Jetzt sind die Regeln noch etwas enger und der Trend geht dahin, mehr Standardteile einzuführen und die Autos etwas anzugleichen. Ich denke, die Unterschiede zwischen den Teams - vom ersten bis zum letzten Platz - werden noch geringer sein."


Fotos: Virgin-Präsentation in Notting Hill


Nick Wirth konstruiert ein brandneues Auto

Frage: "Was sind Richards Erwartungen für die kommende Saison?"
Di Grassi: "Meiner Meinung nach weiß Richard ganz genau, was er tut. Es ist eine große Herausforderung, einen Formel-1-Rennwagen zu bauen und dabei von Null zu beginnen. Richard plant mittel- bis langfristig, um in der Formel 1 richtig großen Erfolg zu haben."

"Realistisch und optimistisch zu sein, sind aber natürlich zwei Paar Stiefel. Richard sieht die möglichen Ergebnisse für das kommende Jahr sehr realistisch. Aber das kann man nur schwer absehen, bis wir den Wagen auf der Strecke haben. Es wird aber sicherlich sehr schwierig werden, gleich im ersten Jahr richtig erfolgreich zu sein."

"Es wird sicherlich sehr schwierig werden." Lucas di Grassi

Frage: "Wie groß ist das Risiko, einen Rennwagen ohne Windkanal zu bauen?"
Di Grassi: "Dadurch hält eine neue Technologie in diesen Sport Einzug - ein Auto, das komplett durch CFD entstanden ist. Sehr viel kann ich aber nicht darüber sagen. Nachdem, was ich bislang gesehen habe, sieht das Auto fantastisch aus. Ich hoffe nur, es ist tatsächlich so schnell, wie es aussieht."

"Das werden wir aber erst feststellen können, wenn es auf der Strecke ist. Nick hat in meinen Augen schon mit dem LMP1-Prototypen sehr gute Arbeit geleistet. Die Formel 1 ist ein anderes Niveau. Doch in Anbetracht der Anstrengungen, die er in dieses Projekt fließen lässt, sollte ein gutes Fahrzeug dabei herauskommen."

Frage: "Was hat dich bei Virgin überzeugt?"
Di Grassi: "Zunächst einmal handelt es sich bei der Virgin-Gruppe um ein sehr solides Unternehmen, das dem Sport nicht beigetreten ist, um schlechte Arbeit abzuliefern. Sie wollen mitmischen, um mittel- bis langfristig gute Arbeit zu leisten und sie haben eine solide Grundlage sowie gute Beziehungen zu John (Booth, Sportdirektor und Manor-Teamchef; Anm. d. Red.) und Nick (Wirth, Technischer Direktor; Anm. d. Red.)."

"Sie wollen mitmischen, um mittel- bis langfristig gute Arbeit zu leisten." Lucas di Grassi

"Das Team ist ganz hervorragend strukturiert und das war eigentlich der Hauptgrund, weshalb ich mich für Virgin entschieden habe - abgesehen davon, dass ich John und Nick schon sehr lange kenne. Ich hoffe nur, meine Partnerschaft mit ihnen verläuft so gut, wie sie begonnen hat."

Di Grassi orientiert sich an den früheren Rivalen

Frage: "Wie werdet ihr 2010 im Vergleich zu den anderen neuen Teams aussehen?"
Di Grassi: "Ich denke, das sind unsere größten Referenzpunkte in der kommenden Saison. Wir werden uns an den anderen neuen Teams messen, denn auch diese Rennställe mussten beim Bau ihrer Fahrzeuge von Null anfangen."

"Wie ich schon sagte: Um genau feststellen zu können, wo wir liegen, müssen wir erst einmal das Auto auf die Strecke bringen. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass Nick ein ausgezeichnetes Produkt abliefern wird."

"Ich bin zuversichtlich, dass Nick ein ausgezeichnetes Produkt abliefern wird." Lucas di Grassi

Frage: "Wer ist dein persönlicher Referenzpunkt in der neuen Saison?"
Di Grassi: "Ich hatte nun schon einige Teamkollegen, die es bis in die Formel 1 geschafft haben - auch einigen meiner Gegner ist der Sprung schon gelungen. 2007 war Buemi mein Stallgefährte bei ART und mit Timo habe ich mich 2007 um den Titel gestritten. 2005 bin ich in der Formel 3 gegen Kubica und Vettel angetreten und Kobayashi war einer meiner Rivalen in der GP2. Lewis und Rosberg habe ich ebenfalls in der Formel 3 getroffen."

"Über viele Jahre hinweg war ich also auf einem Niveau mit den Jungs unterwegs, die schon in der Formel 1 sind. Wenn ich aber bereits vor etwa vier Jahren in der Formel 1 gelandet wäre, dann hätte ich vermutlich nicht die Chance, eine so lange Karriere zu haben, wie das nun der Fall sein könnte."

"Jetzt bin ich nämlich deutlich erfahrener und auch erwachsener als noch vor drei oder vier Jahren. Ein Beispiel dafür ist Massa. Er ist ein großes Talent und kam sehr jung in die Formel 1. Aber nach einem Jahr hätte er sein Cockpit fast wieder verloren."

"Nach nur einer Saison machte er den Schritt zurück, wurde Testfahrer und kehrte mit deutlich mehr Erfahrung in die Formel 1 zurück, wo er heute zu den Topfahrern zählt. Ich möchte das also Schritt für Schritt angehen. Ich denke, dafür habe ich eine gute Ausgangsposition."

"Ich möchte das Schritt für Schritt angehen." Lucas di Grassi

Frage: "Musstest du Sponsorengelder mitbringen, um diesen Platz zu erhalten?"
Di Grassi: "Nein, darum ging es niemals. Ich versuche aber, einige Unternehmen in den Sport zu bringen, denn die Formel 1 steht vor einer neuen Ära. Die Marketingseite ist also sehr wichtig. Schon im kommenden Jahr wird mich eine Firma unterstützen. Wir arbeiten hart daran, dass das bald möglichst viele Unternehmen tun."

Frage: "Demnach wirst du bezahlt?"
Di Grassi: "Ja. Ich wurde von Virgin angestellt."