• 23.10.2006 01:29

Das große Weltmeisterinterview mit Fernando Alonso

Doppelweltmeister Fernando Alonso über den zweiten Platz in Brasilien, den zweiten Titel und seine Vorfreude auf den Wechsel zu McLaren-Mercedes

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Fernando, nur ein Punkt war notwendig, um Weltmeister zu werden, und das hast du als Zweiter beeindruckend geschafft. Jetzt bist du Doppelweltmeister."
Fernando Alonso: "Ja. Es war ein fantastisches Wochenende, vor allem das Rennen, das offensichtlich sehr lang war. Wir brauchten nur einen Punkt, aber ich wollte dem Team auch in der Konstrukteurs-WM helfen und wusste, dass ich dazu in der Lage sein würde. Alles war so geplant."

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Fernando Alonso schreibt als jüngster Doppelweltmeister Formel-1-Geschichte

"Ferrari war zu schnell, aber ich konnte Kimi (Räikkönen; Anm. d. Red.) beim ersten Boxenstopp überholen. Danach stand ich unter großem Druck von Jenson (Button; Anm. d. Red.), aber wir wurden Zweiter. Auf die Position kam es gar nicht an, sondern das Wichtigste war der WM-Titel, der zweite hintereinander, und wir haben es geschafft. Mehr gibt es nicht zu sagen. Es ist ein unglaubliches Gefühl."#w1#

Jüngster Doppelweltmeister aller Zeiten

Frage: "Wieder Weltmeister zu sein, muss großartig sein, nicht wahr?"
Alonso: "Es war ein fantastisches Wochenende, aber ich brauche noch Zeit, um realisieren zu können, dass ich erneut Weltmeister bin. Ich bin 25 Jahre alt, zweifacher Weltmeister, auch zweimal bei den Konstrukteuren. Es ist auch wunderschön, meine fünfjährige Partnerschaft mit Renault mit so einem Erfolg abzuschließen. Diese Erinnerungen werde ich mein ganzes Leben mit mir tragen, denn von so einem Abschluss wagt man nicht einmal zu träumen, weil es so viel mehr ist als erwartet."

"Wir haben das Rennen von Anfang an kontrolliert und pushten nicht mehr als notwendig." Fernando Alonso

Frage: "Wie hast du dir das Rennen eingeteilt, nachdem Michael Schumacher sein Problem hatte? Du musstest dich gegen Rubens Barrichello verteidigen und einmal war Jarno Trulli neben dir..."
Alonso: "Als Michael in der dritten oder vierten Runde nach dem Safety-Car sein Problem hatte, drehten wir den Motor runter, denn da sah es für die Weltmeisterschaft sehr gut aus. Wir haben das Rennen von Anfang an kontrolliert und pushten nicht mehr als notwendig."

Frage: "Wie viel Drehzahl hast du heute im Vergleich zu einem normalen Rennen gefahren?"
Alonso: "Ich weiß es nicht. Vielleicht 80 Prozent."

Frage: "Vielleicht kannst du ein paar Worte zu Michael Schumacher sagen, der heute in seinem letzten Grand Prix Vierter wurde. Es war die ganze Saison hindurch eine aufregende Rivalität, nicht wahr?"
Alonso: "Ja, es war eng. Es war ein guter Fight mit ihm. Ich habe immer gesagt, dass ein WM-Titel gegen ihn mehr wert ist als einer ohne ihn, und ich schätze mich sehr glücklich, die letzten beiden Weltmeisterschaften, in denen er am Start war, gewonnen zu haben. Ich denke, alle Fahrer wünschen ihm alles Gute für sein neues Leben mit seiner Familie. Es war eine Freude, gegen ihn zu fahren."

Frage: "Was ging dir durch den Kopf, als Michael Schumacher den Reifenschaden hatte?"
Alonso: "Zuerst haben sie mir gesagt, dass ich Drehzahl rausnehmen sollte, schon in der dritten oder vierten Runde, was für mich überraschend kam. Dann haben sie mir gesagt, dass Michael nur noch 19. war, weil er an die Box kommen musste, und dann verstand ich es erst. Ansonsten hatte ich diesbezüglich keine Gefühle. Mir ist egal, was heute mit Michael los war. Ich konzentrierte mich nur darauf, in die Punkte zu fahren. Das mag leicht aussehen, aber es kann alles passieren und ich wollte die Konzentration nicht verlieren. Die Safety-Car-Phase war auch ziemlich gefährlich, denn da lagen viele Wrackteile auf der Strecke, also versuchte ich, nicht über diese Teile zu fahren, weil das einen Reifenschaden auslösen kann. In so einem Rennen spielt immer viel Risiko mit, das man vermeiden möchte."

Alonso konzentrierte sich nur auf sein Rennen

Frage: "Hat dich das Team regelmäßig informiert, wo Michael Schumacher gerade lag?"
Alonso: "Als er den Reifenschaden hatte, sagten sie mir, dass ich die Drehzahlen reduzieren soll. Ein paar Runden später hörte ich dann, er sei auf Platz 19, aber sie sagten mir auch, dass wir noch mehr Punkte für die Konstrukteurswertung brauchen. Für die Fahrer-WM mussten wir nur in die Top 8 kommen, da spielte es keine Rolle, was Michael anstellte."

"Wenn mir Jenson zu nahe gekommen wäre, hätte ich ihn überholen lassen." Fernando Alonso

Frage: "Du warst meistens in Zweikämpfe verwickelt. Welcher war am schwierigsten?"
Alonso: "Sicher der mit Jenson. Am Anfang mit Kimi wollte ich nicht zu sehr pushen, denn ich wusste, dass ich beim Stopp meine Chance bekommen würde. Der dritte Platz wäre ja auch okay gewesen, aber dann mit Jenson wurde es ganz schön eng. Ich wollte die Drehzahl nicht wieder raufdrehen, sondern wartete ab. Wenn mir Jenson zu nahe gekommen wäre, hätte ich ihn überholen lassen, aber auf den Geraden war mein Auto schneller und Jenson machte nicht allzu viel Druck."

Frage: "Du hast zwischendurch 25 Punkte Vorsprung verloren. Warst du irgendwann auch einmal richtig besorgt?"
Alonso: "Wir haben zu viele Punkte verloren, wegen der Probleme mehr als erwartet. Wir hatten in Ungarn ein Problem mit einem Hinterrad und kamen nicht ins Ziel und dann war da der Motorschaden in Monza. Da war der Vorsprung schnell dahin. In die letzten drei Rennen in China, Japan und Brasilien gingen wir mit gleichen Punkten wie Michael und Ferrari, aber ich war vom Sieg überzeugt. Ich hatte in den vergangenen paar Wochen keine Zweifel. Ich wusste, dass Ferrari schnell sein würde, aber wir waren auch schnell. Ich denke, früher oder später kommt alles Pech oder Glück zurück. Wir verdienen diese Weltmeisterschaft, hatten ein paar schwierige Momente mit einigen fragwürdigen Entscheidungen. Wir verdienen das, nur das Beste."

Frage: "Welche Entscheidungen meinst du damit?"
Alonso: "Da gibt es in diesem Jahr viele, die ich nicht vergessen werde..."

Frage: "Was geht dir jetzt durch den Kopf, was denkst du gerade?"
Alonso: "An all die Leute im Team, die fantastisch gearbeitet haben - ich möchte ihnen noch einmal Danke sagen. Nach einer solchen Partnerschaft über fünf Jahre kommt es auf das heutige Resultat nicht an. Sie waren meine Familie in der Formel 1 und ich möchte mich bei ihnen bedanken, beim Testteam, bei den Leuten in Enstone und Viry, bei Michelin, auch bei Kovalainen, der in diesem Jahr hart für uns gearbeitet hat. Mein Dank gilt auch den Leuten, die in mein Haus gekommen sind, meiner Familie, denn die hatten auch ein paar schwierige Rennen und haben immer mitgefiebert."

Immer noch Ärger über Entscheidungen der FIA

Frage: "Bereust du jetzt, dass du gesagt hast, dass die Weltmeisterschaft in diesem Jahr zu Michael Schumachers Gunsten manipuliert werden soll?"
Alonso: "Das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, dass einige Entscheidungen nicht gerade hilfreich und fair waren. Ich weiß das und die Leute, die dafür verantwortlich sind, wissen es auch, aber jetzt ist unsere Zeit."

Frage: "Was ist deine schönste Erinnerung an die Zeit bei Renault?"
Alonso: "Die besten Erinnerungen sind die beiden Meisterschaften, die Emotionen aus dem Vorjahr, die Atmosphäre im Team und das, was ich jetzt fühlen werde, wenn ich in die Garage gehe. Diese Minuten, die man mit den Jungs verbringt, sind die besten, denn wir sind gemeinsam groß geworden und haben beide Weltmeisterschaften zweimal gewonnen. Das werde ich nie vergessen."

Fernando Alonso

Stolz feierte Fernando Alonso den Titel mit der spanischen Nationalflagge Zoom

Frage: "Du bist erst 25. Glaubst du, dass du siebenmal Weltmeister werden kannst?"
Alonso: "Ich glaube nicht, den so lange werde ich nicht in der Formel 1 sein. Das jetzt ist schön, ich werde sicher weitermachen, aber nicht so lange."

Frage: "Wird Felipe Massa nächstes Jahr dein schwierigster Gegner auf dem Weg zur Titelverteidigung?"
Alonso: "Das weiß ich nicht, es ist noch zu früh. Felipe zählt sicher zu den Favoriten. Beide Ferrari-Fahrer sind in der Lage, Rennen und Meisterschaften zu gewinnen, daher zähle ich Felipe, Kimi, die Renault-Fahrer und hoffentlich die McLaren-Fahrer zum Favoritenkreis, auch Jenson und Rubens (Barrichello; Anm. d. Red.), alle Topteams. Bis zum vierten oder fünften Rennen hat man da aber kein wirklich klares Bild."

Frage: "In Spanien fragen sich jetzt alle, ob du nächstes Jahr mit McLaren-Mercedes Weltmeister werden kannst..."
Alonso: "Ich möchte mich bei den Leuten in Spanien bedanken. Meine beste Erinnerung an dieses Jahr ist der spanische Grand Prix. Ich weiß nicht, was heute mit den Mechanikern noch abgehen wird, aber es wird schwierig, die Emotionen von Spanien zu toppen. Die Leute haben mich unterstützt, auch in den schwierigen Momenten. Am Anfang standen schon alle hinter mir, aber als der Vorsprung dahinschwand, war die Unterstützung noch größer. Alle wollten mir helfen, dafür ein großes Dankeschön! Jetzt feiern sie auf den Straßen und drehen total durch. Ich hoffe, dass sie eine gute Nacht haben werden, denn sie sind happy und ich auch."

"Was McLaren angeht: Ich weiß es nicht, denn einige Rennen waren sehr gut, zum Beispiel Monza, wo Kimi Zweiter wurde, oder Bahrain, wo Kimi von ganz hinten noch auf Platz drei fuhr, auch Monaco. Andere Rennen waren nicht so gut. Es war bei ihnen ein Auf und Ab, also hoffe ich, dass wir gemeinsam konstanter werden. Wenn wir regelmäßig auf das Podium fahren können, warum sollten wir dann nicht um die Weltmeisterschaft mitfighten?"

Alonso sieht sich nicht als Schumacher-Nachfolger

Frage: "Michael Schumacher ist weg. Beginnt jetzt die Fernando-Alonso-Ära?"
Alonso: "Das glaube ich nicht. Wenn jemand aufhört, wird immer einer gesucht, der in die Rolle des Nachfolgechampions gedrängt wird, aber ich denke nicht, dass das möglich ist. Die Formel 1 verändert sich von Jahr zu Jahr, die Regeln, die Autos - manchmal kann man gewinnen und manchmal ist es unmöglich. In den vergangenen beiden Jahren waren wir die Besten, das Paket, Renault, Michelin und ich. Wir wurden zweimal Weltmeister und das ist die einzige Wahrheit. Von jetzt an weiß aber niemand, was passieren wird, aber ich hoffe, dass ich um die Meisterschaft kämpfen kann, dass ich in allen Meisterschaften in den Top 3 oder Top 4 landen werde. Das zu wiederholen, was Michael geschafft hat - so viele Jahre in einer so dominanten Position zu sein -, wird aber schwierig."

"Ob ich jetzt der einzige Weltmeister im Feld bin oder nicht, das ändert nichts." Fernando Alonso

Frage: "Ohne Michael Schumacher wird der ganze Druck der Medien und der Öffentlichkeit nun auf dich übergehen..."
Alonso: "Das ist nicht so wichtig. Es ist gut, denn ich behalte die Eins auf meinem Auto. Ich will sie verteidigen, aber ob ich jetzt der einzige Weltmeister im Feld bin oder nicht, das ändert nichts. Dieses Jahr hat die Saison mit Jacques (Villeneuve; Anm. d. Red.), Michael und mir begonnen, aber sie hört nur mit Michael und mir auf. Deswegen hat sich am Druck ja auch nichts geändert."

Frage: "Bereust du, dass du Renault nun verlässt?"
Alonso: "Nein, nein. Ich wusste, dass 2006 eine gute Saison werden würde, mit Renault an der Spitze und im WM-Kampf. Das haben wir ja bewiesen, aber ich glaube, dass McLaren in den nächsten drei Jahren auch ein gutes Auto haben wird. Renault wird ein gutes Auto bauen, bestimmt, aber hoffentlich finde ich bei McLaren neue Motivation, eine neue Herausforderung, neue Leute, eine neue Arbeitsweise. Das ist mir wirklich wichtig, ich freue mich sehr darauf."

Frage: "Was hast du jetzt für konkrete Pläne vor dem Testauftakt?"
Alonso: "Ich weiß es noch nicht. Diese Woche werde ich in England sein. Ich möchte in die Renault-Fabrik kommen und mich bei allen persönlich bedanken, und hoffentlich kann ich das auch in Frankreich mit all den Motorenleuten machen. Am Samstag und Sonntag werde ich dann nach Spanien fliegen, in meine Heimatstadt, um mit den Fans dort zu feiern."

Frage: "Bleibst du heute in São Paulo oder fliegst du gleich nach Hause?"
Alonso: "Ich fliege nach Hause."

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