• 23.05.2004 19:47

Das große Siegerinterview mit Jarno Trulli

In einer bewegenden Pressekonferenz sprach der sympathische Monaco-Sieger über den schönsten Tag seiner Karriere

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Jarno, ein wahrlich historischer Anlass. Dein erster Sieg, der erste Sieg von Renault als Team in Monaco und der erste Sieg eines Italieners hier seit 22 Jahren. Außerdem war der Druck am Ende des Rennens wahrscheinlich immens, nicht wahr?"
Jarno Trulli: "Das ist ein erstaunlicher Moment. Ich bin so glücklich - für mich, für alle, für diejenigen, die mich immer unterstützt haben. Ich habe so lang darauf warten müssen und dann passiert es beim besten Rennen, Monaco. Das war einfach fantastisch für mich. Ich fuhr ein perfektes Rennen, habe von Beginn weg geführt. Selbst wenn Michael durchgekommen wäre, hätte ich gewonnen, denn ich hatte meinen Boxenstopp schon absolviert und konnte am Ende das Rennen kontrollieren. Ich nahm ein bisschen Tempo raus, schonte die Reifen und so weiter, ging keine Risiken mehr ein, weil ich sowieso weiß, dass man in Monaco nicht überholen kann."

Titel-Bild zur News: Trulli und Briatore

Ausgelassen feierte Trulli heute im Parc Fermè, ansonsten ist er eher ruhig

Frage: "Wie waren die letzten Runden des Rennens für dich, als Jenson noch einmal nahe rangekommen ist?"#w1#
Trulli: "Ich hatte es im Griff, um ehrlich zu sein. Wenn ich wollte, konnte ich auf die schnellste Runde immer antworten, aber am Ende hätte es keinen Sinn gemacht, irgendein Risiko einzugehen, ich kontrollierte das Rennen eben. Er hat den Abstand verkürzt, kam aber nie nahe genug, um einen Überholversuch zu starten. Ich hatte es im Griff."

Frage: "Du hast sehr ruhig und beherrscht gewirkt. Was ist dir in diesen letzten Runden durch den Kopf gegangen, was hast du gefühlt?"
Trulli: "Mir sind alle möglichen Gedanken durch den Kopf geschossen. Ich habe so lange gewartet, ich ging durch so viele Tiefen und im Moment kann ich noch gar nicht realisieren, dass ich Monaco gewonnen habe, vielleicht das bedeutendste Autorennen der Welt. Ich bin glücklich. Es wird sich jetzt aber nichts ändern, ich werde genauso weitermachen wie im ersten Teil der Meisterschaft. Ich freue mich ungemein, auch für das Team."

Ab Samstag für Trulli "ein makelloses Wochenende"

Frage: "Du hast von der Pole Position aus den Grand Prix von Monaco gewonnen. Beginnt schon der Realisierungsprozess?"
Trulli: "Das ist nett. Es ist schön, ein Wochenende zu dominieren. Ich denke, es war ein makelloses Wochenende. Ich bin so glücklich, denn das ist die beste Art und Weise, ein Rennen zu gewinnen, wenn du das ganze Wochenende über vorne gewesen bist."

Frage: "Hast du vor diesem Wochenende je daran gedacht, dass du bei dieser Pressekonferenz in der Mitte sitzen könntest?"
Trulli: "Zuerst einmal möchte ich allen danken. Den Engländern, Franzosen, den Journalisten aus aller Welt, die mich immer so nett behandelt haben, und ich schätze sehr, dass ich so warmherzig aufgenommen wurde. Danke, das bedeutet mir sehr viel (Applaus von den Journalisten). Um ehrlich zu sein, man muss immer daran glauben und ich wusste, dass ich ein gutes Auto habe. Der Renault funktioniert wirklich sehr gut und wir verbessern das Auto Schritt für Schritt, aber man weiß natürlich nie, denn dieses Jahr wurde von Ferrari beherrscht. Man hofft immer, dass man gewinnen kann, aber man weiß es nie mit Sicherheit. Als wir am Donnerstag zum ersten Mal gefahren sind, war uns klar, dass wir konkurrenzfähig sein würden, aber wie weit das geht, war da noch nicht abzuschätzen."

Frage: "Fällt dir ein Stein vom Herzen, bist du sehr erleichtert?"
Trulli: "Definitiv. Ich habe darüber auch mit Jenson gesprochen. Wenn alles schief läuft und du nichts dagegen tun kannst, musst du stark und hartnäckig sein und fest an dich glauben. Das habe ich getan - und jetzt bin ich hier, ich habe es geschafft, meine erste Pole und meinen ersten Sieg. Zu Saisonbeginn habe ich gesagt, dass ich das noch erreichen will. Jetzt habe ich beides zusammen geschafft und das ist fantastisch, speziell hier in Monaco. Im Moment fühle ich mich großartig. Ich möchte nichts verändern, ich werde mich nicht ändern. Ich werde vielleicht mehr Selbstbewusstsein haben, aber das Leben ändert sich deswegen jetzt nicht für mich. Es ist nur eine kleine Befriedigung."

Pech mit dem Safety-Car, Rennen trotzdem kontrolliert

Frage: "Dein Start war wieder fast perfekt, richtig?"
Trulli: "Ich habe einen guten Start hingelegt und von da an wollte ich attackieren und wegziehen und tatsächlich habe ich einen guten Job gemacht. Dass das Safety-Car rausgekommen ist, hat mir nicht geholfen, denn ich wusste, dass ich wegziehen würde können, also waren die ersten acht Runden verschwendet und dann waren da noch die Überrundungen, die mich heute übel Zeit kosteten. Einige Male habe ich ein paar Sekunden pro Runde verloren, weil sie uns einfach ignoriert haben. Jenson hatte dasselbe Problem, wie die meisten Fahrer heute, aber wenn du in Führung bist, triffst du als Erster auf die Nachzügler und du verlierst auch als Erster Zeit, meistens am meisten."


Klaus Klaffenböck
Frage: "Wie stark war der Druck, der von Fernando ausgegangen ist?"
Trulli: "Es war okay, er lag nur ein paar Sekunden hinter mir. Manchmal setzte er mich unter Druck, aber ich konnte kontern und mich absetzen, aber das Problem war, dass ich durch die Nachzügler beim Überrunden einen so entstandenen Vorsprung immer gleich wieder eingebüßt habe. Ich wusste, dass ich schneller als er war, ich wusste, dass ich an die Box kommen sollte und als ich dann nach dem letzten Stopp vorne lag, war das Rennen gelaufen. Nach dem zweiten Safety-Car änderte es sich noch einmal ein bisschen, aber grundsätzlich hatte ich das Rennen unter Kontrolle."

Frage: "Du hast dich hundertprozentig sicher gefühlt, als Jenson hinter dir fuhr?"
Trulli: "Ja. Ich meine, mir war klar, dass er mich einholen wollte und Druck ausüben wollte, aber auf einer Strecke wie Monaco kannst du nicht überholen. Ich habe einmal mit ein paar schnellen Runden gekontert, aber nur, weil ich dem Team zeigen wollte, dass ich nicht panisch war, alles im Griff hatte. Ich wollte kein Risiko eingehen. So viele Dinge sind in der Vergangenheit schief gegangen und ich wollte sicherstellen, dass ich heute meinen ersten Sieg einfahren kann."

Trulli überwältigt: "Monaco ist etwas Besonderes"

Frage: "Es muss überwältigend sein, heute hier zu sitzen, nicht wahr?"
Trulli: "Ja, Monaco ist etwas Besonderes. Schon die Pole Position gestern war einmalig. In meinem Kopf hatte ich diese Idee, das Rennen zu gewinnen, von Anfang an wegzuziehen. Ich habe es geschafft."

Frage: "Als Michael im Tunnel mit Montoya kollidierte, warst du hinter den Beiden. Was hast du gesehen?"
Trulli: "Naja, um ehrlich zu sein, es ist schwierig, das zu kommentieren. Ich habe gesehen, wie beide beschleunigt haben, gebremst haben, die Räder blockiert haben, um die Reifen aufzuwärmen. Das war einfach Pech. Als Schumacher bremste, stieg Montoya gerade aufs Gas. Montoya bremste, zog nach innen, um einen Unfall zu vermeiden, aber Michael hat in dem Moment auch gerade nach rechts gelenkt und da sind sie kollidiert. Ein sehr eigenartiger Zwischenfall."

Frage: "Wie schwierig ist es, wenn das Safety-Car auf der Strecke ist, abzuschätzen, wann der Vordermann bremst, um sein Material aufzuwärmen?"
Trulli: "Ich versuche immer, mich vom Fahrer vor mir fern zu halten und ein paar Längen Sicherheitsabstand zu halten. Montoya hat das nicht gemacht, aber andererseits hat Michael offensichtlich seine Reifen aufzuwärmen versucht. Schwer zu sagen, wer die Schuld an der Kollision trägt, es ist einfach passiert und ich hielt mich davon fern. Mir schwante schon, dass da etwas läuft, denn sie sind ab Mirabeau wirklich schnell gefahren und am Ende ist es im Tunnel passiert. Ich dachte schon, vielleicht krachen sie ineinander - und dann kam es tatsächlich dazu."

Nach Kollision: Schnelleres Safety-Car keine Lösung

Frage: "Sollte man vielleicht ein schnelleres Safety-Car einsetzen?"
Trulli: "Nein, das glaube ich nicht. Das Safety-Car ist dazu da, in kritischen Situationen und nach Unfällen das Tempo aus dem Feld zu nehmen. Auf den Zwischenfall heute zwischen Montoya und Schumacher bezogen, hatte das Safety-Car sicher keinen Anteil an der Kollision."

Frage: "Wie wichtig ist es für den Sport, einen neuen Sieger und so ein aufregendes Rennen erlebt zu haben?"
Trulli: "Es ist immer interessant, wenn neue Gesichter vorne sind. Das war ein nettes Monaco-Rennen für mich, wie schon so oft. Es war ein Superrennen, denn es sind viele Dinge passiert, wir haben einen neuen Sieger und unübliche Gesichter auf dem Podium, aber wenn ich ganz ehrlich bin, schaue ich nur auf mich selbst und gebe mein Bestes."

Frage: "Glaubst du, dass dieser Sieg eine einmalige Sache war oder dass Ferrari noch öfters geschlagen werden kann in dieser Saison? Und inwieweit hatte dieser Sieg mit den Reifen zu tun?"
Trulli: "Ich wünsche mir selbst und für die Formel 1, dass wir in Zukunft andere Sieger haben werden, denn sonst wird es langweilig. Heute haben wir einen neuen Sieger und ich hoffe, dass wir die Ferrari-Dominanz ein bisschen aufhalten können. Ferrari ist noch immer das beste Team mit dem besten Auto und dem besten Fahrer und sie sind diejenigen, die es zu schlagen gilt. Alle anderen Teams arbeiten aber sehr hart und es spricht nichts dagegen, dass wir noch einmal gewinnen. Heute war ich dran, vielleicht ist es beim nächsten Mal Rubens oder Jenson oder sonst wer. Ich meine, wir alle fahren hier, um am Ende zu gewinnen."

Geplanter Zeitpunkt des zweiten Stopps bleibt geheim

Frage: "Welche Runde war eigentlich für deinen zweiten Stopp vorgesehen?"
Trulli: "Das ist ein Geheimnis."

Frage: "Es läuft mit dieser Pole Position und diesem Sieg momentan optimal für dich und Renault. Spornt dich das an, noch länger bei diesem Team zu bleiben?"
Trulli: "Im Moment freue ich mich sehr über den Sieg. Ich habe im Team immer gut gearbeitet und arbeite auch sehr gut mit Fernando zusammen. Letztes Jahr holte er eine Pole Position und einen Sieg und das war sehr hart für mich, denn bei mir lief es weniger gut. Ich habe aber nie aufgegeben, wusste, dass ich es schaffen kann, und heute stehe ich ganz oben. Es wäre schön, bei diesem Team zu bleiben, denn wir arbeiten auch nach drei Jahren noch gut zusammen, ich kenne die Ingenieure gut und die Mechaniker, verstehe mich mit allen und bin auch sehr zufrieden, denn als ich hierher gekommen bin, waren wir von der Pace weit entfernt. Ich habe sehr hart gearbeitet, um das Auto schneller zu machen, und jetzt kommen wir Ferrari Schritt für Schritt näher. Für mich ist das der Lohn für ganz harte Arbeit und es wäre schön, so weiterzumachen."

Frage: "Vor zwei Wochen hast du gesagt, es wird langsam Zeit, Monaco zu gewinnen. War das einfach nur eine mutige Aussage oder hattest du eine Vorahnung?"
Trulli: "Ich bin eine Persönlichkeit, die nie aufgibt. Ich wusste, dass das Team immer besser wird. Zu Saisonbeginn hatten wir Schwierigkeiten mit dem Handling, aber das Team hat präzise reagiert und sich auf dieses Problem konzentriert. In den letzten beiden Rennen hatten wir ein paar Verbesserungen und das stimmt zuversichtlich. Ich bin von mir überzeugt und hartnäckig, glaube immer, dass ich etwas schaffen kann - und am Ende schaffe ich es auch. Das war mein Wochenende. Oft ist es nicht so, aber diesmal schon, definitiv."

Frage: "Wirst du mit Champagner feiern oder mit Wein aus deinem eigenen Weingut?"
Trulli: "Ich weiß nicht. Ich bin nicht der Typ, der nach einem Sieg ausgelassen feiern geht. Um ehrlich zu sein, will ich jetzt nur ins Bett gehen und schlafen. Das war seit den Karts und der Formel 3 schon immer so. Nach dem Rennen will ich entspannen."