Das große Interview mit Patrick Head - Teil zwei
Der Teilhaber von WilliamsF1 im 'F1Total.com'-Interview über den Formel-1-Machtkampf, den Senna-Prozess, Danica Patrick und mehr
(Motorsport-Total.com) - Seit Jahren tobt hinter den Kulissen der Formel 1 ein gnadenloser und milliardenschwerer Machtkampf, der auf ein Tauziehen zwischen der Ecclestone-Fraktion auf der einen und den Automobilherstellern auf der anderen Seite hinausläuft. Darüber und über viele weitere Themen spricht Patrick Head, Anteilseigner von WilliamsF1, im exklusiven Interview mit 'F1Total.com'.

© BMW
Patrick Head hält schon seit 1977 30 Prozent der Teamanteile von WilliamsF1
Der 58-Jährige beleuchtet, weshalb sein Unternehmen sowohl im Ecclestone- als auch im Hersteller-Lager ein Bein hat, aber er nimmt auch Stellung zum kürzlich zu den Akten gelegten Senna-Prozess, zur schnellsten Motorsportlady der Welt, Danica Patrick, und zur Krise von Michael Schumacher und Ferrari. Außerdem verrät er, auf wen er seine Jetons im WM-Fight setzen würde: "Nach dem letzten Wochenende muss man Alonso im Renault als wahrscheinlichsten Kandidaten betrachten", findet Head.#w1#
Formel-1-Machtkampf: "Haben in beiden Lagern ein Bein"
Frage: "Herr Head, WilliamsF1 steht im Moment aufgrund der Partnerschaft mit BMW den Plänen der Automobilhersteller für die Zukunft des Grand-Prix-Sports naturgemäß sehr nahe, aber wäre es als von BMW unabhängiges Unternehmen nicht sinnvoll, sich Bernie Ecclestone anzuschließen? Immerhin bietet er eine Plattform, die seit vielen Jahren bewährt ist und erwiesenermaßen funktioniert."
Patrick Head: "Wir sind Partner von BMW und arbeiten gemeinsam mit BMW an der Gestaltung der Formel 1 nach 2007. Gleichzeitig haben wir immer auch mit Bernie sehr gut zusammengearbeitet. Als Unternehmen haben wir daher in beiden Lagern ein Bein. Solange nicht klar ist, in welche Richtung sich alles entwickelt, wird es dabei auch bleiben."
Frage: "Colin Kolles, Teamchef von Jordan, meinte kürzlich, dass er unter anderem auf Bernie Ecclestones Seite steht, weil Ecclestone seit 20 oder mehr Jahren seine Rechnungen immer pünktlich bezahlt hat. Ist das eventuell auch ein Punkt, der in Ihren Überlegungen eine Rolle spielen könnte?"
Head: "Ich glaube nicht, dass es diesbezüglich mit den Herstellern ein Problem geben würde. Was 2008 angeht - die Regelung des Sports, steuerrechtliche Angelegenheiten und so weiter -, ist alles noch sehr undurchsichtig. Wer auch immer ab 2008 in der Formel 1 das Sagen haben mag: Ich glaube nicht, dass es ein Problem damit geben wird, dass die Rechnungen bezahlt werden."
"Bernie ist ein fantastischer Macher von Verträgen"
Frage: "Bernie Ecclestone sagt, dass 50 Prozent von sehr viel Geld mehr sind als 80 Prozent von wesentlich weniger Geld..."
Head: "Bernie ist mit Sicherheit ein fantastischer Macher von Verträgen. In all den Jahren hat er sichergestellt, dass die Einnahmen aus der Vermarktung der TV-Rechte sehr hoch sind. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass das so bleiben wird. Die Aussage, die Sie ansprechen, stimmt. Das ist ganz einfache Mathematik."
Frage: "Mit den meisten Rennstrecken und TV-Anstalten hat Bernie Ecclestone langfristige und vor allem exklusive Verträge. Lässt sich eine zweite Rennserie überhaupt verwirklichen?"
Head: "Ich glaube nicht, dass es zwei Meisterschaften geben wird, aber Bernie muss auch ein Produkt haben, das er den TV-Firmen anbieten kann. Die einzigen Teams, die er momentan hat, sind Ferrari, Red Bull und Jordan. Damit hat er noch kein gutes Produkt."
Frage: "Die Struktur des Managements von WilliamsF1 wurde erst kürzlich verändert. Es gibt nun ein mehrköpfiges Gremium an der Spitze des Unternehmens. Was waren die Gründe dafür?"
Head: "Wir wollten eine angemessene Managementstruktur für ein Unternehmen mit 510 Angestellten schaffen. Der Plan ist, das Top-Management zu stärken und der Größe des Unternehmens zu entsprechen."
Williams und Head haben weiterhin das Sagen
Frage: "Ändert sich dadurch irgendetwas in den Entscheidungsfindungsprozessen?"
Head: "Die Entscheidungen auf höchster Ebene werden nun innerhalb dieses Gremiums diskutiert. Die Entscheidungen und Richtungen, für die wir uns entscheiden, werden nun mehr als bisher im Konsens beschlossen, aber die Position der beiden Teilhaber und Direktoren (Head und Williams; Anm. d. Red.) bleibt natürlich weiterhin dominant."
Frage: "Hatte BMW Einfluss auf die Entscheidung, ein solches Gremium zu schaffen?"
Head: "Nein."
Frage: "Der Senna-Prozess ist in den Medien derzeit wieder recht präsent, weil es einen endgültigen Freispruch für Adrian Newey gegeben hat, für Sie wegen verstrichener Fristen aber nicht, wenn ich richtig informiert bin. Das Verfahren wurde vergangene Woche eingestellt. Bedeutet das, dass Sie nun vor Gericht ziehen werden, um sozusagen eine Reinwaschung zu erreichen?"
Head: "Ich bin ja schon zweimal freigesprochen worden. Daran hat sich durch das Urteil von letzter Woche nichts geändert. Ich habe nur gesagt, dass es keine Möglichkeit mehr gibt, darüber zu diskutieren, ob diese zwei Freisprüche korrekt waren oder nicht, weil gewisse Fristen verstrichen sind. Die zwei früheren Freisprüche gelten. Ich habe aber die volle Urteilsbegründung des Gerichts noch nicht gesehen und möchte daher vorerst keinen weiteren Kommentar dazu abgeben."
Senna-Unfalltod hat für Head "einiges verändert"
Frage: "Man kann wohl kaum in Worte fassen, wie es ist, wenn ein Rennfahrer des eigenen Teams tödlich verunglückt. Hatten Sie nach Ayrton Sennas schrecklichem Unfall Ängste, dass es beim nächsten Mal wieder so ausgehen könnte? Hat sich Ihre Denkweise dadurch verändert?"
Head: "Der Unfall hat sicher einiges verändert, aber uns war das Risiko immer bewusst. Als ich in die Formel 1 eingestiegen bin, waren die Autos bei weitem nicht so sicher wie heute. Zur Zeit, als Ayrton gestorben ist, gab es viele der passiven Sicherheitsvorkehrungen von heute noch nicht. Die Crashtests waren weniger streng als heute. Viele der Sicherheitsmaßnahmen sind erst nach 1994 eingeführt worden. Dass sich ein Fahrer in einem Auto, für das man letztendlich verantwortlich ist, verletzt oder gar stirbt, ist etwas, was man sich natürlich unter gar keinen Umständen wünscht."
Frage: "Danica Patrick war vergangenen Sonntag die erste Frau, die je ein Indy 500 angeführt hat. Sehen Sie sie eines Tages in der Formel 1?"
Head: "Ich weiß ehrlich gesagt nicht viel von ihr, aber sie ist offensichtlich sehr begabt. Ich bin sicher, dass Bernie (Ecclestone; Anm. d. Red.) viel davon hält, sie in die Formel 1 zu holen. Das war ja damals auch bei Jacques Villeneuve der Fall."
Indy-500-Heldin "sehr talentiert", findet Head
Frage: "Wäre das - alleine schon aufgrund des unglaublichen Marketingwerts einer solchen Aktion - auch für Sie ein Thema?"
Head: "Ich bezweifle, dass wir eine solche Entscheidung rein aus Marketingüberlegungen heraus treffen würden. Wir treffen unsere Fahrerentscheidungen ausschließlich auf Basis der Fähigkeiten der Kandidaten. Sie ist wie gesagt bestimmt sehr talentiert, aber viele Leute würden sie sicher gerne erst einmal auf normalen Rennstrecken fahren sehen."
Frage: "Michael Schumacher hat kein besonders gutes Jahr. Wenn man die Geschichte der Formel 1 betrachtet und die Dauer ihrer Zyklen, dann müsste sich die Ferrari-Ära eigentlich einem Ende nähern. Glauben Sie, dass Michael Schumacher dieses oder nächstes Jahr noch einmal zurückkommen wird?"
Head: "Ich glaube nicht, dass die Ferrari-Ära vorbei ist. Sie haben im Moment sicher ein Problem im Qualifying, aber sobald sie das im Griff haben, ist mit ihnen zu rechnen, denn ihre Rennpace scheint extrem gut zu sein. Vor allem in Imola waren sie erstaunlich stark. Sie werden das hinbekommen. Bridgestone und Ferrari haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie formidable Wettbewerber sind, und ich bin sicher, dass sie das auch in Zukunft beweisen werden. Allerdings wird es schwierig für sie, was die Weltmeisterschaft angeht."
"Alonso im Renault wahrscheinlichster Kandidat"
Frage: "Noch eine letzte Frage: Wer wird dieses Jahr Weltmeister?"
Head: "Nach dem letzten Wochenende muss man Alonso im Renault als wahrscheinlichsten Kandidaten betrachten, aber zwölf noch zu fahrende Rennen sind ganz schön viel. Ich finde aber eines komisch: Einerseits beschweren sich die Leute darüber, dass die Formel 1 so vorhersehbar ist, aber andererseits scheinen alle ein Verlangen zu verspüren, definitive Vorhersagen zu machen - und das nach erst sieben von 19 Rennen."
"Der McLaren war in den letzten vier Rennen eine Klasse für sich. Ich sehe keinen Grund, warum sich daran allzu schnell etwas ändern sollte. Ich glaube, dass es ein halbwegs offenes Rennen zwischen Renault und McLaren gibt, und ich hoffe natürlich, dass das BMW WilliamsF1 Team da auch bald mitmischen wird."

