• 16.07.2001 17:50

  • von Fabian Hust

Das große Interview mit McLaren-Teamchef Ron Dennis

Dennis über den Häkkinen-Sieg, die Kollision, die Entscheidung, "DC" weiterfahren zu lassen und Ferraris kapitalen Fehler

(Motorsport-Total.com/Haymarket) - Ron Dennis ist nicht unbedingt der Mann der großen Gefühle, aber nach dem Sieg von Mika Häkkinen in Silverstone, der eine lange Durststrecke für den Finnen beendete, lief dem Briten ein wenig Wasser in die Augen. Und Ron Dennis stand so entspannt wie selten mit Frau und Tochter in den Armen in der Boxengasse. Für viele technische Probleme hatte Dennis seinen Kopf hinhalten müssen, die in den letzten Monaten Häkkinen zahlreiche gute Ergebnisse gekostet hatten. Aber es war auch die enge Beziehung zu dem Finnen, die der Brite seit dem schweren Unfall in Adelaide hegt, die Dennis ungewohnte Gefühle zeigen ließ. Als Ron Dennis das Interview gab, da dachte er noch, Mika Häkkinen habe mathematisch noch die Chance auf den WM-Titel - da war wohl der Wunsch Vater des Gedanken.

Titel-Bild zur News: David Coulthard und Ron Dennis

Ron Dennis weiß: Coulthards Titelchancen sind sehr gering

Frage: "Wie fühlt man sich nach einem solchen Tag?"
Ron Dennis: "Zunächst einmal sind es gemischte Gefühle. Eigenartigerweise fühlt man zunächst einmal für das Team, das eine starke und dominante Leistung mit einer perfekten Strategie zeigte. Und dann ist da natürlich noch die Erleichterung für Mika, der von Anfang bis Ende ein perfektes Rennen fuhr und klarerweise auch die Enttäuschung für David, der wirklich in der bestmöglichsten Position in der ersten Kurve auftauchen musste.

"Trulli hätte Coulthard die Kurve überlassen müssen"

"Sie kämpften beide um das gleiche Stück Straße, das es einfach nicht gab. David lag vorne und aus unserer Sicht glauben wir natürlich, dass Jarno ihm die Kurve hätten überlassen sollen. Aber ich bin mir sicher, dass diese Ansicht von Trulli nicht geteilt wird. Auf der anderen Seite wird das Rennen natürlich nicht in der ersten Kurve gewonnen, es wird aber oft dort verloren und das war einer jener Momente. Die Fahrerweltmeisterschaft ist dadurch klar schwieriger geworden. Es ist noch nicht vorbei und der Konstrukteurstitel ist noch deutlich weiter offen."

"Ferrari hat einen schlechten Job erledigt"

Ich denke, dass wir unsere Leistung wirklich verbessert haben, aber nicht so sehr, wie das das Rennen vermuten lässt. Ich denke, dass Ferrari einen besonders schlechten Job erledigt hat, was uns hat besser aussehen lassen. Während mindestens der Hälfte des Rennens war es unser Hauptproblem gewesen, Mika einzubremsen. Das muss man immer mit größter Vorsicht tun, denn ein Fahrer der so schnell wie möglich fährt, ist immer konzentriert.

Wenn man absichtlich langsamer fahren möchte, dann verlangt das nach einer anderen Form der Konzentration und das führt dann häufig zu Fehlern. Ich fühle mich aus diesem Grund besonders zufrieden, dass wir das Rennen von der Boxengasse aus managen konnten in einem Weg, der zu einem überzeugenden Sieg führte und wir zur gleichen Zeit nach dem Auto, den Reifen und dem Motor schauten. Ich weiß nicht, was wir noch getan haben, aber wir hatten alles bestens im Griff."

"Häkkinen ist immer motiviert"

Frage: "Was bringt dieser Sieg für Mikas Motivation?"
Dennis: "Ich glaube nicht, dass Mikas Motivation einmal nicht annähernd 100 Prozent betrug. Wir alle schwanken hoch und runter zwischen zwei bis drei Prozent, aber ich denke, dass es eine seiner Stärken ist, dass er an jedem Grand-Prix-Wochenende angreift. Ich bin mir sicher, dass er mehr aus sich herausgeholt hätte, wenn er ernsthafter um den WM-Titel aus Sicht der Punkte mitgefahren wäre. Eine Sache ist sicher - er geht zu jedem Rennen mit absolutem Siegeswillen.

Und genau das brauchen wir. Es wird David helfen, falls das notwendig sein sollte und vielleicht öffnet es seine eigenen Titelchancen, wenn Michael in den nächsten zwei oder drei Rennen schlechte Ergebnisse haben sollte [hier hat Herr Dennis übersehen, dass es nur noch 60 Punkte zu holen gibt, Häkkinen aber bereits 65 Punkte Rückstand hat, d. Red.]. Aber mit Sicherheit brauchen wir seine Form für den Konstrukteurstitel. Wir kämpfen um beides, aber von den beiden Titeln ist dieser leichter zu holen als die Weltmeisterschaft für einen unserer Fahrer."

Frage: "Ist der Titel realistisch möglich?"
Dennis: "Ich denke, das wichtigste ist die Tatsache, dass wir nicht alle Rennen beendet haben. Ich glaube, dass Michael alle Rennen beendet hat [Schumacher fiel in Imola aus, d. Red.], wir machen uns keine Illusionen, dass es schwierig werden wird, aber ein paar schwierige Ergebnisse für ihn und es kann in eine Situation umschwingen, in der einer unserer Fahrer gewinnen kann. Und natürlich ist David in einer besseren Position als Mika."

"Ferraris Strategie war komplett falsch"

Frage: "Kann man eine Wende diagnostizieren oder war es für Ferrari nur ein schlechtes und für euch ein gutes Wochenende?"
Dennis: "Ich möchte Ferrari nicht kritisieren, weil es für uns ein leichtes ist, uns selbst zu kritisieren. Motorsport ist eine große Herausforderung und die ganze Zeit über konkurrenzfähig zu sein ist sehr schwierig. Wenn ich mein schlechtestes Wochenende hatte und Zweiter und Dritter wurde, dann wäre ich möglicherweise sehr zufrieden. Aber mit Sicherheit war ihre Strategie komplett falsch. Ich denke nicht, dass einer im Team das Gegenteil behaupten würde und es ist uns ein wenig ein Rätsel, warum sie über ihre Variante überhaupt nachgedacht hatten."

"Im Nassen gibt es eine absolute Dominanz"

Frage: "Glauben sie, dass ihnen die Reifen hier mehr geholfen haben?"
Dennis: "Ich denke, die Mischungs-Familien, die Bridgestone entwickelt, sind besonders stark und da sie diesen Reifen während dem Rest der Saison weiternutzen werden, denke ich, dass wir von der Reifenseite her sehr stark sein werden. Ganz offensichtlich gibt es im Nassen eine absolute Dominanz. Ich bin mir sicher, dass jeder auf Michelin-Reifen sich im Moment bei einem Regenrennen sehr unwohl fühlen würde."

Frage: "Aber in Bezug auf Ferrari, hat euch Bridgestones neuster Reifen mehr gelegen?"
Dennis: "Meines Wissens nach bedarf es keiner radikalen Änderungen am Auto, um eine gute Balance zu erreichen. Es ist klar, dass ein neuer Reifen immer ein Team mehr bevorzugt als das andere. Aber ich denke nicht, dass es einen Unterschied gab, der sich dadurch geäußert hat, dass es das Leben für Ferrari schwer gemacht hat. Ich denke, dass es nur einen kleinen Unterschied ausgemacht hat. Ich denke, dass sie bereitwillig zugeben werden, dass sie entweder das Setup oder irgendetwas anderes nicht hinbekommen haben."

"David weiterfahren zu lassen, war nicht gefährlich"

Frage: "Nach der Kollision mit Trulli, wussten sie anhand der Telemetrie-Daten, dass David ein Problem hat?"
Dennis: "Er hat sofort gefunkt, dass sich das Auto nicht in Ordnung anfühlt. Eine der positiven Dinge der Kohlefaseraufhängungen ist die Tatsache, dass sie entweder brechen oder nicht. Es ist kein Material, das sich verbiegt. Aus diesem Grund hatten wir nicht das Gefühl, dass es gefährlich wäre, ihn weiterfahren zu lassen. Ich weiß noch nicht, was da schief lief, aber es war kein Aufhängungsfehler im mechanischen Sinne, es war möglicherweise ein Stoßdämpfer oder etwas anderes, das den Einschlag übel genommen hat. Wir waren der Ansicht, dass es nicht gefährlich wäre. Es machte das Auto nur langsamer."