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  • 11.09.2010 09:48

  • von Roman Wittemeier & Dieter Rencken

Cosworth: Der Motor dient nicht nur dem Antrieb

Cosworth sieht sich im ersten Jahr der Rückkehr in die Formel 1 auf einem guten Weg: Der neuerdings zweckentfremdete Einsatz der Triebwerke

(Motorsport-Total.com) - Genau wie Michael Schumacher feiert auch Cosworth 2010 sein Comeback in der Königsklasse. Eine sanfte Rückkehr aus einer dreijährigen Formel-1-Pause sieht allerdings anders aus. Das britische Unternehmen setzte sich in einer FIA-Ausschreibung durch und musste urplötzlich nicht nur ein oder zwei Teams ausstatten, sondern gleich deren vier. Die Neulinge Lotus, Virgin und HRT setzen ebenso auf Cosworth wie die britische Traditionsmannschaft Williams.

Titel-Bild zur News:

Der Cosworth CA2010 treibt die Autos von Williams, Lotus, Virgin und HRT an

Man hatte den erfahrenen Motorenbauern vor dem Saisonstart viele Schwierigkeiten vorhergesagt, allerdings sind diese im bisherigen Verlauf des Jahres kaum aufgetreten. "Wir mussten nach drei Jahren Pause nicht nur mit weniger Drehzahl zurecht kommen, sondern auch Dinge wie Benzinverbrauch im Blick haben. Auch sind viele verschiedene Motor-Mappings gefragt - für verschiedene Bedingungen und Anlässe, für verschiedene Fahrereigenheiten", erklärt Cosworth-Boss Mark Gallagher.#w1#

"Wir hatten zu Beginn zwei Ziele: Konkurrenzfähigkeit und Zuverlässigkeit", meint Cosworth-Geschäftsführer Tim Routsis. "Bezüglich der Standfestigkeit hatte ich anfangs etwas Sorgen. Als die FIA mal endlich alle Vorgaben für uns erstellt hatte, blieben uns nur neun Monate Zeit, um den Motor zu entwerfen und zu bauen. Die anderen konnten derweil 300.000 Kilometer Erfahrung mit ihren Motoren sammeln. Verstecken müssen wir uns nicht. Alle Triebwerke liegen leistungsmäßig innerhalb einer Marge von vier Prozent."

Gemessen an diesen Voraussetzungen muss man das Cosworth-Coemback als Erfolg bezeichnen. Aus den Partnerteams hört man viel Lob. Die Zuverlässigkeit passt, einzig soll die Leistung der CA2010 am Ende der Laufzeit etwas nachlassen. "Zufrieden ist man nie, wenn man an die Spitze will. Es ist ein bewegliches Ziel", sagt Routsis, kann aber dabei ein gewisses Maß an Stolz nicht verbergen. "Ich bin stolz auf das Erreichte, aber wir lernen erst jetzt, wie wir den Motor richtig einsetzen."

"Ich meine damit, dass der Motor immer mehr integraler Bestandteil des Gesamtsystems wird", erklärt der Motorenfachmann. Klartext: Die Triebwerke müssen nicht nur Antrieb, sondern indirekt auch Abtrieb bringen. "Nehmen wir das Beispiel angeblasener Diffusor: Dort, wo die Teams das Zusammenspiel von Motor und Diffusor gut hinbekommen, da gibt es erhebliche Performancevorteile. Der Motor muss da ganz anders betrieben werden als es früher der Fall war."

Red Bull hatte ein solches System in der Formel 1 eingeführt. Der Trick: Die Auspuffgase werden teils in die Luftkanäle des Diffusors geleitet, beschleunigen den Luftstrom dort, sorgen für Unterdruck am hinteren Unterboden und saugen den Wagen quasi somit auf die Strecke. Damit dieser zusätzlich generierte Abtrieb nicht einfach abreißt, wenn der Pilot vom Gas geht, muss ein möglichst konstanter Abgasstrom gewährleistet werden.

Im Mediengespräch: Die Cosworth-Bosse Tim Routsis und Mark Gallagher Zoom

"Ich kann nicht alle Details verraten", lächelt Routsis, dessen Unternehmen gemeinsam mit Williams an der Verfeinerung des Systems arbeitet. "Das Ziel ist es, den Luftstrom auf den Diffusor möglichst konstant zu halten, wenn der Pilot vom Gas geht. Es gibt verschiedene Wege, dies zu erreichen. Diese Wege probieren wir derzeit aus." Man ändert Zündzeitpunkte, Gemischeinstellungen, lässt teilweise sogar einzelne Zylinder einfach weiterlaufen.

Ursprünglich war man der Annahme, dass Red Bull durch dieses System einen enormen Vorteil nur im Qualifying habe. Mittlerweile ist man jedoch viele Schritte weitergekommen. Die Auspuffgase strömen immer weiter in den Diffusor, auch im gesamten Rennen. "Das will man immer und überall nutzen", sagt Routsis knapp, ohne auf Details eingehen zu wollen. Die Frage ist, wie man solch eine Lösung hinbekommt, ohne gleichzeitig den Benzinverbrauch massiv in die Höhe zu treiben und den Motor zu ruinieren.

¿pbvin|512|2545|cosworth|0|1pb¿Das Zusammenspiel von Motor und Diffusor wird zwar rasant verbessert, aber steckt eigentlich noch in den Kinderschuhen. Die Triebwerksspezialisten und Aerodynamiker sehen in dem Bereich noch erhebliches Potenzial. "Eines muss man festhalten: Die Geschwindigkeit der Fortschritte ist höher als jemals zuvor", sagt Routsis. "Daran ändern weder eingefrorene Motoren noch sonstige Maßnahmen irgendetwas. Diesen Trend kann man wohl nie mehr umkehren."

"Man kann an der Luftzufuhr etwas machen, am Auspuffsystem, am Benzinsystem. Die Arbeit geht immer weiter", ergänzt sein Boss Gallagher. Cosworth will auch in Zukunft alle Möglichkeiten ausschöpfen, um innerhalb der Homologation weitere Fortschritte zu machen. "Wir werden nicht um einer Lockerung des Motorenreglements bitten", sagt Routsis. "Die Kosten sind erheblich gesunken. Man wird es nie ganz billig machen können, aber die Kosten sind wirklich massiv überschaubarer geworden. Man sollte diesen Weg also weitergehen."