Brawn erklärt die Tücken des Monaco-Qualifyings

Wenn am Samstag 22 Autos ins Qualifying gehen, gibt es viele Faktoren zu berücksichtigen - Ross Brawn erklärt, worauf Teams und Fahrer achten müssen

(Motorsport-Total.com) - Der neue Qualifikationsmodus sorgte schon bisher immer wieder für Chaos und Favoritensterben, weil in der ersten Session 22 und in der zweiten 16 Fahrer gleichzeitig auf Zeitenjagd losgelassen werden - und das komprimiert auf nur 15 Minuten. Das Ausscheidungsfahren am Samstag in Monaco könnte diesbezüglich jedoch alles bisher da Gewesene übertreffen.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn

Brawn macht sich schon jetzt Gedanken über das Qualifying am Samstag

Nach der Stunde - die wegen diverser Unfälle und Unterbrechungen etwas länger dauern könnte als anderswo - werden mit Sicherheit wieder zahlreiche Fahrer über gelbe, blaue oder rote Flaggen klagen, über Verkehr in den engen Gassen, über Öl auf der Strecke, ungünstiges Timing oder schlicht und einfach Platzmangel. Doch wie soll man dieser Hektik entgehen? Mit System, da sind sich alle einig, eher nicht - sondern einfach durch Glück...#w1#

Formel 1 rechnet mit einem chaotischen Qualifying

Dennoch machen sich die Masterminds der Formel 1 natürlich ihre Gedanken, wie sie diese Herausforderung am besten anpacken können, und Ferraris Chefstratege Ross Brawn erklärte seine Vorgehensweise heute Nachmittag im Gespräch mit einigen Journalisten. Was ihm zuerst einfiel: "Es wird unterhaltsam", lächelte der Brite. "Einige Leute werden ohne eigenes Verschulden schlecht abschneiden. Hier in Monaco ist das einfach eine Lotterie."

Aber: "Man kann das Risiko reduzieren, indem man auf eine gewisse Art und Weise an die Sache herangeht, indem man zum richtigen Zeitpunkt auf die Strecke geht und den Fahrern mehrere Möglichkeiten für ihre schnellen Runden gibt", erklärte er. Gerade die Topteams werden daher ihren krankhaften Rundengeiz ausnahmsweise über den Haufen werfen und ihre Autos schon früh in den 15-minütigen Sessions aus der Garage jagen, um ihnen notfalls eine zweite Chance eröffnen zu können.

"In Q1 sollte es für Teams wie uns eigentlich nur darauf ankommen, zu irgendeinem Zeitpunkt der Session eine saubere Runde hinzubekommen", analysierte Brawn. "Wenn man allerdings in Q2 aufsteigt, dann wird es schon härter, denn in Q2 ist es wichtig, genau dann zu fahren, wenn die Strecke am besten ist. In dieser Phase werden viele neue Reifensätze verwenden, daher sammelt sich zwischen der ersten und letzten Minute eine Menge Gummiabrieb an."

Strecke verändert sich so schnell wie nirgendwo sonst

Michael Schumacher

Michael Schumacher wird seine Reifen für das Rennen erst am Samstag wählen Zoom

Dieses Phänomen tritt in Monaco so stark wie nirgendwo sonst auf, so dass die Strecke am Beginn der zweiten Phase laut Aussage von Williams-Testfahrer Alexander Wurz um etwa eine halbe Sekunde schneller sein wird als am Ende. Bei der heutigen Konkurrenzsituation kann dies selbst für die Topfavoriten bedeuten, dass ein durchschnittlicher erster Run in Q2 nicht mehr reicht, sondern man am Ende noch einmal deutlich zulegen muss.

Im Finale der Top 10 verhält sich dann wieder alles ganz anders, denn in den 20 Minuten geht es zunächst einmal bekanntlich nur darum, möglichst viel Benzin zu verbrennen, um für die beiden Runs mit neuen Reifen am Ende ein möglichst leichtes Auto zu haben. Brawn: "In Q3 werden am Ende alle draußen sein. Interessant könnte es werden, wenn sich die Jungs, die zwei Runs planen, mit denen vermischen, die nur einen machen möchten", so der Ferrari-Stratege.

Reifenwahl: Weich oder doch lieber hart?

Natürlich kommt auch der Reifenwahl an diesem Wochenende eine besondere Bedeutung zu: Entscheidet man sich für die weichere Gummimischung, die im Qualifying mehr Grip bietet, im Rennen aber zu wenig konstant sein könnte, oder doch lieber für die harte, deren Stärken genau umgekehrt liegen? Tendenziell neigt man in Monaco aufgrund der fehlenden Überholmöglichkeiten dazu, das Qualifying in den Vordergrund zu rücken.

Dabei spielt aber noch ein weiterer Faktor mit: "Die Sache in Monaco ist die, dass sich die Fahrbahn zwischen Donnerstag, Samstag und Sonntag ziemlich dramatisch verändert. Also versucht man, die Reifenwahl für Sonntag punktgenau zu treffen - und wir hoffen, dass wir Reifen haben, die am Sonntag funktionieren werden, denn heute waren sie ehrlich gesagt noch nicht so toll", sprach Brawn Michelins Vorteile am ersten Tag in Monaco an.

"Unsere weichen Reifen sind etwas zu weich und körnen, und der härtere hat guten Grip. Wir liegen genau in der Mitte. Wir sind aber optimistisch, dass beide Mischungen besser funktionieren werden, sobald sich mehr Grip ansammelt. Vor ein paar Jahren war das mit Michelin ganz dramatisch: Am Donnerstag hatten sie Graining und verloren anderthalb bis zwei Sekunden, aber am Samstag und Sonntag waren sie viel stärker. Das ist hier also nicht neu", analysierte er.

Ferrari trifft die Reifenwahl am Samstagmorgen

"Wir haben immer noch den Samstagmorgen, um die Reifen unter die Lupe zu nehmen." Ross Brawn

Ferrari hat die Reifenwahl noch nicht getroffen, "denn zwischen heute und dem Rennen wird noch viel gefahren. Wir haben immer noch den Samstagmorgen, um die Reifen unter die Lupe zu nehmen. Heute konnten wir mit Felipe (Massa; Anm. d. Red.) beide Reifentypen testen, wenn auch nur kurz, während Michael (Schumacher; Anm. d. Red.) nur einen Satz verwendete", so der Brite, der großen Wert darauf legt, so viele neue Reifensätze wie möglich für das Rennen aufzusparen.

"Die Reifen sind hier in Monaco ziemlich weich, daher will man am Sonntag so viele neue wie möglich zur Verfügung haben", fuhr er fort. "Mit all diesen Faktoren muss man herumspielen und sie so gut wie möglich durchdenken. Wie sehr will man das Qualifying für das Rennen opfern? Selbst wenn man in der ersten Startreihe steht, aber keine konstanten Reifen hat - und nicht genug neue davon -, kann man im Rennen geschlagen werden."

Und dann gibt es noch einen Faktor, der kurz vor dem Grand Prix alle Erkenntnisse über den Haufen werfen könnte: den Porsche-Supercup. Brawn: "Das hilft nicht gerade", nickte er auf die Frage, ob sich der Porsche-Gummiabrieb negativ auswirken könnte. "In welche Richtung das Pendel dadurch ausschlagen wird, ist schwer zu sagen, aber Gummi einer anderen Reifengattung auf der Fahrbahn verändert natürlich einiges..."