Bianchi-Drama: Auch Whiting tappte zunächst im Dunkeln

Warum Jules Bianchi nicht mit dem Rettungshubschrauber abtransportiert wurde und wieso auch Rennleiter Charlie Whiting nicht sofort wusste, was passiert war

(Motorsport-Total.com) - Nach dem Drama um Jules Bianchi beim Grand Prix von Japan gab es zahlreiche Diskussionen um die Bergung des Franzosen. Kritisiert wurde vor allem, dass dieser nicht wie üblich mit dem Helikopter abtransportiert wurde, sondern mit einem normalen Rettungsauto. Bei einem Grand Prix gilt die Regel, dass nur gefahren werden darf, wenn der Rettungshubschrauber starten kann - Kritiker orteten bereits einen Skandal, denn man vermutete, dass der herannahende Taifun dies vereitelte und man das Rennen trotzdem zu Ende bringen wollte.

Titel-Bild zur News: Charlie Whiting, Jules Bianchi

Rennleiter Charlie Whiting erfuhr erst nach 20 Sekunden vom Bianchi-Crash Zoom

Doch bei der Pressekonferenz in Sotschi stellte die FIA nun klar, dass der Helikopter sehrwohl abflugbereit gewesen wäre, er aber wegen der Bedingungen beim Krankenhaus nicht mehr landen hätte können. Das gab schließlich den Ausschlag, das Rettungsauto zu nehmen. Der Transport von Bianchi ins Krankenhaus dauerte laut der FIA 32 Minuten - und damit um sieben Minuten länger, als dies mit dem Hubschrauber der Fall gewesen wäre. Da der Zustand des schwer verunfallten Piloten in diesem Zeitraum unverändert blieb, sieht man keine negativen Folgen der Herangehensweise.

Damit ist auch klar, dass die Entscheidung für das Rettungsauto, wie spekuliert wurde, nichts mit der Art von Bianchis Kopfverletzungen zu tun hatte. Die Bergung des Rennfahrers in den Sekunden nach dem Crash ist laut FIA-Rennleiter Charlie Whiting perfekt verlaufen. "Die Art und Weise, wie die Streckenposten reagiert haben, Medical-Car und Safety-Car waren sehr rasch an Ort und Stelle, das alles hätte man nicht besser machen können", meint der Brite. "Es gibt da einen genauen Ablauf, der genau besagt, was unter diesen Umständen passieren muss."

Wie Whiting den Unfall miterlebte

Dieser Ablauf sei auch eingehalten worden. Er selbst habe erst 20 Sekunden nach dem Unglück erkannt, was sich in der Dunlop-Kurve zugetragen hatte. "Es hat eine kleine Verzögerung gegeben, denn zunächst war das Auto einfach nicht sichtbar", sagt der Rennleiter, der den Rennverlauf über zahlreiche Monitore im Blick hat. "Im ersten Moment habe ich auf den Bildschirm geschaut, und dann sah ich den Traktor mit dem Auto und dachte mir: Das dauert aber lange. Länger als erwartet, denn normalerweise sind die Streckenposten in Suzuka sehr schnell."

Die entscheidende Information erhielt Whiting dann direkt vom Posten in der Dunlop-Kurve: "Wir bekamen die Meldung: Das Auto hat den Traktor getroffen. Wir haben dann noch eine andere Kameraeinstellung bekommen, und dann haben wir gesehen, dass da ein Auto ist. Was wir nicht wussten: Ist der Fahrer verletzt? Ist sonst noch wer verletzt?"

"Zunächst war Bianchis Auto einfach nicht sichtbar." Charlie Whiting

Nicht nur die TV-Zuschauer, sondern auch Whiting tappte also im Dunkeln: "Es wurde im Live-Bild nicht gezeigt, und unsere Kamera, es war Kamera 11, hat in die andere Richtung geschaut. Kamera 12 schaute in Richtung der Strecke, aber wir haben das rote Auto nicht gesehen. Es war versteckt. Als die Kamera einen Schwenk machte, konnte wir es sehen."

Was passierte wirklich in der Dunlop-Kurve?

Auch der Unfallhergang ist inzwischen transparenter: Es scheint sich um einen Fahrfehler gehandelt zu haben, für einen technischen Defekt gäbe es keine Verdachtsmomente. Ähnlich wie in der Runde davor Adrian Sutil dürfte Bianchi auf die Außenbahn der Linkskurve geraten sein, wo viel Wasser stand. "Er fuhr über das gleiche Wasser, aber im Gegensatz zu Sutil drehte er sich nicht. Er korrigierte und bog in einer geringfügig anderen Linie ab."

Wie hoch die Geschwindigkeit von Bianchis Marussia war, als er auf das Bergefahrzeug prallte, kann Whiting nicht genau sagen: "Bislang können wir uns nur auf GPS-Daten verlassen, und das sollte man eher nicht tun." Genaue Aufschlüsse habe man erst, wenn alles bis ins Detail untersucht wurde - bis dahin will er keine möglicherweise inkorrekten Zahlen nennen.

"Wäre der Unfall normal verlaufen, wäre er mit Heikki Kovalainens Crash 2008 in Barcelona vergleichbar gewesen." Charlie Whiting

Woran aber laut Whiting kein Zweifel besteht: Der Unfall wäre auch dann heftig gewesen, wenn der Bolide in die Reifenstapeln gedonnert wäre. "Nach den ersten Schätzungen zu urteilen, wäre es sehr ähnlich wie bei Heikki Kovalainens Unfall 2008 in Barcelona gewesen", sagt der Rennleiter.

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