• 12.03.2014 12:42

  • von Bernd Mayländer

Bernd-Mayländer-Kolumne: Großes Casino in Australien

Der große Grand-Prix-Check des Safety-Car-Fahrers: Wie Melbourne für ihn losgeht, welche Dramen er dort schon erlebt hat und warum das Rennen ein Glücksspiel wird

Titel-Bild zur News: Bernd Mayländer

Neuer Kolumnist: Safety-CarFahrer Bernd Mayländer begleitet die Saison 2014 Zoom

Hallo, liebe Leser, G'day aus Melbourne!

Nach einem kurzen "Winterschlaf" (den ich hauptsächlich bei mir zu Hause in Schorndorf bei Stuttgart verbracht habe) geht's jetzt also wieder los. Nach so einer langen Saison wie 2013 tut es richtig gut, wenn man mal nicht ständig zwischen Flugzeug und Hotelzimmer pendelt, sondern im eigenen Bett schlafen kann. Aber es ist auch nicht so, dass ich im Winter ausschließlich auf der faulen Haut gelegen habe - nur die Zeit um Weihnachten und Neujahr, die war wirklich entspannend...

Auf den langen Flug nach Melbourne konnte ich mich kürzlich erst mit einem anderen Langstrecken-Flug nach Bogota vorbereiten. In Kolumbien war ich für meinen Partner Allianz im Dienste der Verkehrssicherheit unterwegs. Langer Flug heißt im Fall von Melbourne: Gut 20 Stunden im Flieger, Landung am Dienstag kurz vor Mitternacht, am Mittwoch dann erstmal Kampf gegen den Jetlag. Aber nicht im Hotelbett, sondern schon an der Strecke im Albert Park, denn am Mittwochmorgen steht mein erster Termin für die AMG-Driving-Academy auf dem Programm.

Volles Rahmenprogramm: Tracktest schon am Mittwoch

Heißt konkret: Sich mit Mercedes-AMG-Privatfahrern austauschen und denen zum Beispiel meinen Job als Safety-Car-Fahrer erklären, aber auch die eine oder andere Anekdote zu erzählen. Dauert circa zwei Stunden. Als Instruktor bin ich bei solchen Events manchmal selbst am Steuer, diesmal aber nicht. Mit dem Fahren geht's für mich erst am Mittwoch um 14:00 Uhr los, und zwar mit dem offiziellen Safety-Car-Tracktest. Australien ist hier speziell, denn mit V8-Supercars, Mazda-Celebrity-Challenge, Porsche-Carrera-Cup & Co. haben die ein umfangreicheres Rahmenprogramm als die meisten anderen Veranstalter. Also müssen wir mit dem Tracktest auch schon am Mittwoch anfangen.

"Gut 20 Stunden im Flieger, Landung am Dienstag kurz vor Mitternacht, am Mittwoch dann erstmal Kampf gegen den Jetlag." Bernd Mayländer

Das Safety-Car auf Herz und Nieren zu prüfen, ist gerade nach dem langen Winter besonders wichtig. Das haben wir aber schon vor der Abreise nach Melbourne erledigt. Beim Tracktest in Melbourne checken wir noch ein letztes Mal, ob alle Systeme - etwa Onboard-TV, Funk, GPS, Marshalling-System - so funktionieren, wie sie sollten. Nach dem Test setze ich mich mit den AMG-Safety-Car-Mechanikern zusammen und gehe mit ihnen durch, woran noch gearbeitet werden muss. Das kann zum Beispiel mal wenig Grip sein, und die Jungs passen dann den Reifendruck an. Im Grunde ein reiner Funktionscheck. Und für mich selbst die Gelegenheit, mich auf die Strecke einzustellen.

2014 ist schon meine 15. Saison als Safety-Car-Fahrer in der Formel 1. Gleich bei einem meiner ersten Einsätze in Melbourne, 2001, passierte ein tragischer Unfall. Jacques Villeneuve im BAR fuhr auf den Williams von Ralf Schumacher auf und hob wie eine Rakete vom Boden ab. Zunächst sah es so aus, als wäre alles glimpflich ausgegangen.

Unschöne Erinnerungen an das Jahr 2001

Da wussten wir noch gar nicht, was für ein Drama sich hinter dem Zaun abspielte. Von Villeneuves Wagen hatte sich ein Rad gelöst, und das flog genau durch ein kleines Loch im Zaun. Der Streckenposten Graham Beveridge wurde davon getroffen und verstarb leider. Ich hatte zunächst nur die Info, dass jemand schwer verletzt wurde. Das heißt für mich dann: Kann sein, dass die Safety-Car-Phase länger dauern wird, und kann sein, dass ein Krankenwagen auf die Strecke muss.

"Da wussten wir noch gar nicht, was für ein Drama sich hinter dem Zaun abspielte." Bernd Mayländer

Ich muss natürlich in jeder Situation Vollprofi sein und darf mir am Steuer keine Fehler erlauben. Das gilt auch für solche Fälle, mit denen man sich auf menschlicher Ebene erst auseinandersetzen kann, wenn man aus dem Auto ausgestiegen ist. So eine Situation wie damals möchte ich nicht wieder erleben, aber das zeigt letztendlich nur, dass Motorsport immer noch gefährlich ist, auch wenn sich alle bemühen, die Rennen so sicher wie möglich zu gestalten. Die hundertprozentige Sicherheit gibt es halt nicht. Ich versuche meinen kleinen Beitrag zu leisten, um so nahe wie möglich an diese 100 Prozent heranzukommen.

Passiert ist der Unfall damals in Kurve 3. Im Jahr darauf hatte Ralf Schumacher wieder einen schweren Crash, diesmal schon in Kurve 1. Zum Glück sind dort die Auslaufzonen groß genug, aber das sind die beiden Passagen in Melbourne, in denen es gerne mal kracht. Erstens bremst man dort aus hoher Geschwindigkeit ab, zweitens verleiten sie zum Überholen. Das bedeutet fast automatisch erhöhtes Risiko.


Bernd Mayländer erklärt seinen Arbeitsplatz

Anspruchsvolle Strecke im Albert Park

Auch sonst ist die Strecke im Albert Park sehr anspruchsvoll. Es heißt nach Melbourne oft, dass das Ergebnis nicht repräsentativ für den Rest der Saison ist. Das liegt unter anderem am wechselnden Asphaltbelag. Die Streckencharakteristik insgesamt ist aber sehr schön und schwierig, man muss von Anfang bis Ende voll konzentriert sein. Es gibt eine extrem schnelle Schikane (Kurve 11/12), die man in jedem Auto perfekt fahren muss, um auf der Strecke zu bleiben. Dort trennt sich die Spreu vom Weizen - und man sieht man den Speed auch richtig!

Außerdem spürt man als Fahrer die Nähe zu den Fans, und Melbourne ist noch dazu jedes Jahr gut besucht. Von der Stimmung her erinnert mich das immer ein bisschen an Montreal - auch dort lebt die ganze Stadt den Grand Prix. Die Australier haben eine extrem relaxte Lebenseinstellung, das Wetter im australischen Spätsommer ist fast immer sehr schön und auch die junge Multi-Kulti-Stadt Melbourne ist definitiv ein Highlight im Formel-1-Kalender.

Bernd Mayländer, AMG-Techniker

Mit den AMG-Mechanikern, die sich um die Wartung des Safety-Cars kümmern Zoom

Entlang der Promenade am Yarra River gibt es unzählige gute Steak- und Fischrestaurants, und für die tausenden Fans aus aller Welt gibt es tolle Locations zum Ausgehen. Ich selbst muss mich auf den Job konzentrieren, aber am Sonntagabend, nach getaner Arbeit, geht man schon mal mit dem einen oder anderen Formel-1-Piloten aus.

Formel-1-Casino: From hero to zero

Eine Location zum Spaß haben kann in Melbourne zum Beispiel das riesige Crown-Casino sein. Der Grand Prix von Australien ist dieses Jahr auch ein bisschen Casino, denn so genau weiß nach den dramatischen Regeländerungen über den Winter niemand, was uns erwartet. Wenn sie ins Crown-Casino gehen, wissen Fahrer und Teamchefs nicht, ob sie gewinnen oder verlieren, und das gleiche gilt für die Strecke im Albert Park. From hero to zero, das geht in der Formel 1 manchmal binnen Sekunden.

Favorit ist sicher Mercedes, weil sie meiner Meinung nach von der Antriebstechnologie her einen Vorsprung haben. Man darf nicht vergessen, wie sich dieses Team nach der schwierigen Saison 2012 im vergangenen Jahr entwickelt hat. Ferrari kann ich nur schwer einschätzen - die haben ruhig gearbeitet, waren aber auch nicht auffällig. Williams ist für viele einer der Geheimtipps. In den letzten Tagen der Wintertests haben sie auf mich sehr schnell und zuverlässig gewirkt.


Das Formel-1-Safety-Car

Red Bull hat nach wie vor große technische Probleme. Andererseits: Wenn das Auto einmal läuft, dann sollte es den Kerndaten nach auch schnell sein. Ich bin mir sicher, dass ein Team wie Red Bull relativ schnell zurückschlagen wird. Vielleicht noch nicht in Melbourne, aber später in der Saison. Sebastian Vettel hat ja ganz richtig gesagt: Dieses Wochenende müssen sie einmal ein paar Punkte mitnehmen, wenn es möglich ist, und danach sind sie sicher bald wieder voll da.

Euer

Bernd Mayländer

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