• 29.09.2008 11:27

  • von Roman Wittemeier

Berger: "Man kann schnell unter die Räder kommen"

Toro-Rosso-Teilhaber Gerhard Berger über seine aktuelle Rolle im Grand-Prix-Sport: "In diesem Becken schwimmen keine Goldfische, sondern Haie"

(Motorsport-Total.com) - Gerhard Berger ist auch einer von jenen Ex-Formel-1-Piloten, die zum Ende ihrer aktiven Laufbahn eine Rolle in verantwortlicher Position hinter der Boxenmauer eigentlich ausgeschlossen hatten. Mit strategischen Planungen, politischen Ränkespielen und teaminternem Dirigenten-Dasein wollte der Österreicher nichts zu tun haben, doch es kam bekanntlich anders. Berger beriet zunächst BMW bei der Rückkehr in die Königsklasse, ist nun gar Eigner von 50 Prozent am Team Toro Rosso, wo ihm Partner Dietrich Mateschitz nahezu freie Hand lässt.

Titel-Bild zur News: Gerhard Berger

Gerhard Berger hat den Weg vom Piloten zum Teameigner beschritten

"In diesem Geschäft sind schon alles solche Kaliber, dass man ganz schnell unter die Räder kommt", schätzte Berger die Herausforderungen im Formel-1-Zirkus im interview mit 'Ö3' ein. "Wenn man in diesem Geschäft im Becken schwimmen will, dann bekommt man es schon mit hohem Wellengang zu tun. Da sind keine Goldfische drin sondern eher die Haifische, die dir ganz schnell ein Bein abbeißen, wenn man nicht aufpasst. Und das ist Druck. Und wenn man viele Jahre dabei ist, dann stellt man sich schon die Frage, ob man das wirklich jeden Tag braucht."#w1#

Trotz aller Hürden hatte Berger offenbar schnell Gefallen gefunden an seiner neuen Rolle. Nach dem Abschied von BMW folgte wenig später ein überraschender Coup: Berger gab 50 Prozent des elterlichen Speditions-Betriebes an Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz ab und bekam im Gegenzug 50 Prozent von dessen "B-Team" Toro Rosso. Berger war plötzlich dick im Geschäft, mit Haut und Haaren. Innerhalb kürzester Zeit formte er gemeinsam mit rund 200 Mitarbeitern aus dem ehemaligen Minardi-Team eine Mannschaft, die in Monza vor wenigen Wochen den ersten Formel-1-Sieg feiern durfte.

Bei allem Ungemach, welches ihn in seiner Arbeit im Fahrerlager durch die "bissigen Haie" begleitet, hat er sich Respekt verschafft und gleichzeitig ist in ihm Bewunderung gewachsen. Vor allem für Frank Williams: "Frank ist querschnittgelähmt, bis hin zu den Schultern, kann nicht einmal seine Hände bewegen. Er ist viele Jahre älter geworden als es das Lebensziel mit seiner Krankheit war. Er kämpft jeden Tag mit einer unglaublichen Disziplin. Es ist ihm nichts lieber, als wenn du ihm jeden Tag vors Schienbein trittst, er dir zeigt, dass er dich trotz seiner Behinderung schlägt."

Die Bewunderung von britischem Kampfgeist ist gepaart mit Gedanken ans eigene Schicksal als Rennfahrer: "Ich bin ja ganz knapp vorbeigeschrammt", erinnerte sich Berger an seinen Autounfall im Oktober 1984 in Tirol. "Bei dem Unfall habe ich mir den ersten und zweiten Halswirbel gebrochen. Die Wirbel sind verschoben worden und der Nerv ist wie ein S durchgegangen, wurde nur verschoben, ist nicht verletzt worden."


Fotos: Toro Rosso, Großer Preis von Singapur


Um ein Haar hätte Berger das gleiche Schicksal erlitten wie es Frank Williams widerfahren ist. "Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich in das Krankenhaus gekommen bin und die Ärzte zu mir meinten, dass ich einer von 100 bin, der das so überlebt. Ich bin dann in der Abteilung gelegen, wo die ganzen Querschnittgelähmten lagen. An diese Woche und diesen Tag denke ich sehr oft. Ich weiß es zu schätzen, dass ich oft sehr gut davon gekommen bin."

Der Unfall hätte die damals noch junge Karriere jäh beenden können. Der Österreicher hatte nur zweieinhalb Monate zuvor erst sein Debüt mit ATS in der Königsklasse gegeben. Das Glück im Unglück ermöglichte es erst, dass Berger immerhin zehnfacher Grand-Prix-Sieger werden konnte und lange Zeit als Spaßvogel mit Playboy-Image durchs Fahrerlager tänzeln durfte.