Barrichello: "Ich bin ein Teamplayer"
Brawn-Pilot Rubens Barrichello im Interview über das Rennen in Monza, das Fahren für Ferrari, die Situation in der WM und die Renault-Gerüchte
(Motorsport-Total.com) - Dank seinem Sieg in Valencia ist Rubens Barrichello wieder dick im WM-Geschäft. Der brasilianische Rennfahrer rangiert derzeit 16 Punkte hinter Spitzenreiter und Brawn-Teamkollege Jenson Button - doch den Abstand auf den Führenden will Barrichello möglichst schon in Monza weiter verkürzen. Im Interview spricht der 37-Jährige über den Traum in Rot, Ferrari und seine Chancen in der WM.

© xpb.cc
Rubens Barrichello möchte in Monza erneut eine gute Rennleistung zeigen
Frage: Rubens, welches Verhalten erwartest du von deinem Rennwagen auf dieser Strecke? Wie wird das Auto mit den Kerbs zurechtkommen?"
Rubens Barrichello: "Was unsere Chancen in Monza anbelangt, bin ich sehr optimistisch. Wie in jedem Jahr, so ist das wieder ein vollkommen neues Spielfeld. Früher waren es einmal Hockenheim und Monza, wo man ein spezielles Paket mit wenig Abtrieb einsetzen musste. Wir haben einige Daten aus dem Windkanal, die sehr vielversprechend sind. Hoffentlich können wir das auf der Strecke umsetzen."#w1#
"In Bezug auf die Reifen scheinen die Temperaturen okay zu sein. Das ist sehr wichtig. Wenig Abtrieb bedeutet auch, dass man die Reifen härter rannehmen muss. Die Kerbs sind in Ordnung. Allerdings haben wir bei unserem Spaziergang am Donnerstag festgestellt, das einige davon etwas zu hoch sind, um darüber hinweg zu fahren. Ich erwarte aber trotzdem, dass mein Auto konkurrenzfähig sein wird."
Ein Traum in Rot - Ferrari in Monza
Frage: "Du hast in Monza schon einige Erfolg gefeiert: zwei Siege und eine Pole-Position. Seit 2001 hast du hier jedes Rennen beendet. Das sind doch gewiss ermutigende Nachrichten für dich?"
Barrichello: "Aber klar. Letztendlich ist Monza eben eine Strecke, die ich sehr mag. Das podium 2004 war einfach fantastisch. Ich denke, das war das erste Mal, dass dieses Siegertreppchen benutzt wurde - und es fühlte sich einfach super an."
"Es wird wahrscheinlich sehr heiß werden, vielleicht etwas bewölkt und möglicherweise gibt es sogar Regen. Sollte die Strecke trocken bleiben, dann ist das gut für uns. Ich freue mich darauf. Ich nehme bis zum Saisonende die Verfolgerrolle ein und darauf bin ich schon sehr gespannt."
Frage: "Was ist es für ein Gefühl, in Monza einen Ferrari zu bewegen?"
Barrichello: "Das war großartig. Es ist natürlich ein besonderes Gefühl. Du siehst hier ja nur Leute in Rot. Ich kann mir sehr gut vorstellen, was im Augenblick in Fisico vorgeht. Das ist gut für ihn, er hat das prima gemacht. Ich denke, das ist ein Traum, den jeder träumt - nicht nur Italiener. Für einen Italiener ist es aber einfach fantastisch, dass es genau hier in Monza passiert, vor allen Tifosi."
"Das ist ein richtig gutes Gefühl. Er muss diese Energie nutzen, um sehr stark zu sein und seinen Job zu machen. Bei Ferrari vergisst man das gerne angesichts der Leidenschaft für das Rennfahren. Der Druck nimmt zu. Er wird den Druck spüren. Wenn man sich den Druck auf die richtige Weise zunutze macht, dann ist das ein fantastisches Gefühl."
Frage: "Welchen Rat würdest du Giancarlo für diese fünf Rennen bei Ferrari geben?"
Barrichello: "Da gibt es nicht allzu viel zu sagen. Obwohl ich kein Italiener bin, war es auch für mich ein Traum, als ich zum ersten Mal für Ferrari fuhr. Aber schon bald musst du diesen Traum hinter dir lassen und einfach nur das Auto bewegen."
"Egal wohin du schaust, du wirst immer daran erinnert, dass du ein rotes Fahrzeug fährst. Das ist ein gutes Gefühl. Wie ich schon sagte: Giancarlo ist ein Gewinner und er wird in einem konkurrenzfähigen Auto auf die Strecke gehen, um ein Rennen zu gewinnen. Er hat Erfahrung. Es gibt nicht viel zu sagen. Er wird sich gut schlagen."
Barrichello gefällt sich in der Verfolgerrolle
Frage: "Wie siehst du den Vorsprung deines Teamkollegen in der Gesamtwertung?"
Barrichello: "Ich muss mich um meine eigene Situation kümmern und sollte nicht nach ihm oder jemand anderem schauen. Ich muss mein Bestmögliches gaben und ein Wochenende haben, an dem ich zufrieden mit meiner Lage und dem Auto sein kann. In Spa hatte ich beispielsweise sehr viele Chancen, um auf das Podium zu fahren und richtig gut abzuschneiden - hätte ich am Start nur nicht dieses Problem gehabt."
"Trotz dieses Zwischenfalls war ich am Ende des Rennens doch zufrieden mit den zwei Punkten. Das ist besser als nichts. Du musst eben jede Chance nutzen - das gilt nicht nur jetzt, sondern betrifft auch die Vergangenheit. Silverstone war in gewisser Weise ein Wendepunkt. Ich hoffe, dass ich so weitermachen kann. Ich bin da ganz zuversichtlich und freue mich darauf."
Frage: "Bei drei von zwölf Rennen hattest du Probleme am Start. Was ist da genau passiert? Liegt das am Auto?"
Barrichello: "Ich bin der erste der sagt, dass er einen Fehler gemacht hat. Ehrlich. Ich habe aber bei allen Rennen stets genau dieselbe Strategie verfolgt. Wie ich schon sagte: Wir hatten gute und auch schlechte Starts. Wir hatten eigentlich keine durchschnittlichen Starts. In der Türkei hatten wir ein Problem mit der Kupplung, die damals voller Öl war. Die anderen beiden Male hat die Einstellung der Kupplung für den Start nicht gestimmt - in Bezug darauf, wie viel Grip man haben wollte."
"Das ist sehr unglücklich. Vor allem, wenn man bedenkt, wie viele Punkte ich in den jeweiligen Situationen hätte holen können. Aber ich schaue nur nach vorne. Ich habe vom vergangenen Rennen trotzdem zwei Zähler mitgenommen und das Team wird alles dafür tun, dass solche Dinge nicht mehr vorkommen. Wir können uns das sowieso nicht mehr leisten."
Frage: "Sollten die Red-Bull-Jungs etwas zu nahe kommen, rechnest du dann damit, dass das Team Jenson bevorzugt oder wurde dir versichert, dass es nicht soweit kommen würde?"
Barrichello: "Ich würde das ohnehin nicht akzeptieren. Dafür gibt es ja auch keinen Grund. Solange die mathematischen Chancen bestehen. Ich denke, es liegt im besten Interesse des Teams, weiter zu pushen."
"Red Bull kann in den verbleibenden Rennen sehr stark sein. Das könnte schlecht sein für das Team. Ich bin ein Teamplayer, der die Meisterschaft gewinnen will. Dafür kämpfe ich. Wenn ich keine mathematische Chance mehr habe, dann ist das was anderes. Bis dahin... Ich hoffe jedenfalls nicht, dass es soweit kommen wird."¿pbvin|512|1935|inside|0|1pb¿
Von sechszackigen Sternen und seltsamen Strategien
Frage: "Viele Leute wundern sich über das Symbol auf der Oberseite deines Helms, das wie ein Davidsstern aussieht. Du hast eine große Fangemeinde in Israel. Kannst du auflösen, was es damit auf sich hat?"
Barrichello: "Die Sache mit dem Stern begann eigentlich damit, dass man mir sagte, ich solle etwas auf der Oberseite haben. Das war 1995. Jemand sagte mir: 'Jemand im Himmel schaut herab auf dich und mich'."
"Das hörte sich gut an und ich setzte einen Stern an diese Stelle, den man wie auch immer bezeichnen kann. Es ist nur ein Stern. Es war ein fünfzackiger Stern. Danach nahm ich ein paar Veränderungen daran vor, weil meine Energie von einem sechszackigen Stern kommt. Die Leute verbinden das nicht nur mit der jüdischen Gemeinde."
"Es ist ein Davidsstern, aber wenn man sich alles genau ansieht, dann verweist er nicht auf die jüdische Gemeinde. Ich bin katholisch, doch das bedeutet nichts. Ich bin lediglich spirituell veranlagt und glaube an jegliche Art von Gefälligkeit. Zu Beginn meiner Karriere 1993, 1994 und 1995 hatte ich eine Sache. Jetzt habe ich eben die Energie des sechszackigen Sterns."
Frage: "Du bist sicherlich über die Renault-Affäre im Bilde. Kannst du uns deine Sicht der Dinge schildern? Bist du überrascht, dass so etwas in diesem Sport passieren könnte oder kann dich in der Formel 1 nichts mehr überraschen?"
Barrichello: "Es ist doch sehr schwierig nachzuvollziehen, dass jemand verunfallen würde, nur weil jemand ihm gesagt hat, dass er das tun soll. Realistisch betrachtet ist es in meinen Augen aber einfacher, einen Formel-1-Wagen zu crashen als zu fahren."
"Das ist eine Tatsache und liegt schlicht und ergreifend an der Power und so. Man kann sehr leicht einen Unfall bauen. Aber um zurück zum Thema zu kommen: Ich wurde in Österreich in eine Situation gebracht, welche die Grenze der Grenze darstellte. Acht Runden lang haben wir darüber debattiert."
"Die Konversation zog sich hin und mir wurde gesagt, dass ich aufgeben sollte. Ich musste das vor den Augen aller Leute tun und jeder einzelne wusste, was da gespielt wurde. Das ist sehr, sehr traurig. Wenn es wahr ist, dann ist es sehr, sehr traurig. Im Augenblick sehe ich nur, dass jemand den Kopf von Briatore will. Nur das sehe ich darin, weil es sich einfach so seltsam anhört."

