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Barrichello: "Als wäre ich wieder ein 16-Jähriger"
Rubens Barrichello im Interview über das Jahr eins nach der Katastrophe 2007, seine Hoffnungen - und den Schatten von Michael Schumacher...
(Motorsport-Total.com) - Mit 256 Grands Prix ist Riccardo Patrese immer noch der erfahrenste Formel-1-Pilot aller Zeiten, aber Rubens Barrichello wird ihn in diesem Jahr voraussichtlich überflügeln. Der Brasilianer wirkte bei der heutigen Präsentation des neuen Honda RA108 in Brackley trotz der Enttäuschungen von 2007 wie ausgewechselt - und fühlt sich mit 35 wieder wie ein 16-Jähriger...

© Honda
Rubens Barrichello wird 2008 den Rekord von Riccardo Patrese übertreffen
Frage: "Rubens, was denkst du über das neue Auto?"
Rubens Barrichello: "Ich denke, es ist ein sehr gelungenes Auto. Im Vorjahr hatten wir nicht viele Informationen über das Aeropaket und so weiter, aber dieses Jahr arbeitet die ganze Gruppe viel besser zusammen, daher sind Fortschritte nur logisch. Das ist schon mal gut. In Valencia ging ich ohne große Erwartungen auf die Strecke, denn es war ein Auto mit dem letztjährigen Heckflügel und mit einigen fehlenden Teilen. Auf den Geraden war das Auto also unglaublich langsam. Es ging aber nur darum, die Zuverlässigkeit zu testen, weil es schon spät war an dem Tag, also schauten wir überhaupt nicht auf die Zeiten."#w1#
Jedes Jahr die gleiche Hoffnung
Frage: "Du wirkst ziemlich motiviert vor deiner 16. Saison. Bist du nach dem Albtraum von 2007 wirklich so aufgeregt?"
Barrichello: "Es ist erstaunlich, denn man hofft immer und immer wieder auf die gleichen Erfolge. Aber das hier ist die Aufregung einer neuen Ära. Ganz ehrlich: Wenn ich das Fahren nicht so sehr lieben würde, dann würde ich zu meiner geliebten Familie nach Brasilien ziehen, wo das Wetter wärmer ist als hier in England. Aber ich liebe das Fahren eben."
"Für mich ist das ein Neubeginn. Ich hatte einige Probleme in meiner Karriere. Nach den ersten drei, vier Jahren dachte ich: 'Wie lange tust du dir das noch an?' Ich hatte einfach die Nase voll. Aber jetzt verstehe ich, wo ich die Energie herholen muss, damit diese schlechten Energien verschwinden."
Frage: "War es einfach, dich nach der vergangenen Saison noch einmal zusammenzuraufen?"
Barrichello: "Wenn jemand ein Magazin aufgeschlagen und zur letzten Seite geblättert hat, dann bekam er nur neunte oder zehnte Plätze oder Ausfälle zu sehen. Es waren jedenfalls null Punkte. Das hat mich traurig gemacht, sehr traurig. Aber vom Mentalen her hatte ich das ganze Jahr viel Spaß, viele Überholmanöver, die man im Fernsehen nicht sehen konnte, weil sie von den Kameras nicht eingefangen wurden. Mir selbst hat es aber Freude bereitet."
"Ich hatte die besten Qualifyingrunden meines Lebens, also wusste ich, dass mein Job okay war. Der Grund dafür, dass wir keine Punkte geholt haben, war, dass wir Gambler waren. Mit einem schlechten Auto musst du von der Strategie her etwas riskieren und verrückte Dinge machen. Manchmal funktioniert das, manchmal nicht. In Kanada wäre ich ohne das letzte Safety-Car Dritter geworden. Das wären dann schon einige Punkte gewesen. Ich bin also im Reinen mit mir und weiß, dass ich körperlich besser drauf war als in jedem anderen Jahr. Das bin ich wirklich! Ich habe weniger Gewicht als je zuvor und fühle mich gut. Ich bin bereit für die neue Saison."
Frage: "Wie gut fühlt es sich an, wieder mit Ross Brawn zu arbeiten, den du ja aus deinen Ferrari-Jahren kennst?"
Barrichello: "Das ist der beste Teil des Jobs, ganz ehrlich! Wenn ihr mich fragt, was dem Team im vergangenen Jahr gefehlt hat, dann war es ein gutes Auto, ganz klar. Dafür braucht es jemanden mit Führungspersönlichkeit, der die Leute inspirieren kann. So jemanden haben wir jetzt."
Brawn bringt Frieden ins Team
Frage: "Was fehlt dem Team sonst noch, um an die Spitze zu kommen?"
Barrichello: "In einem schlechten Jahr sieht man die Schwächen noch stärker als sonst, aber dafür ragen die guten Leute mehr heraus. Es gibt keinen Mittelweg - da trennt sich die Spreu vom Weizen. Im Vorjahr wollten aber zu viele Leute die Führungsrolle übernehmen, weil sie nicht wussten, wo sie hingehören. Das führte zu totaler Verwirrung. Ross kommandiert hingegen das ganze Team - das merkt man sogar schon in seinen Interviews. Er bringt Frieden ins Team. Ich spüre das."
Frage: "Hat sich die Atmosphäre geändert?"
Barrichello: "Ja."
Frage: "Du hast bei Ferrari jahrelang mit ihm zusammengearbeitet. Kann man die Erkenntnisse von damals transferieren oder ist Honda als Team zu unterschiedlich?"
Barrichello: "Ich denke, er kann es schaffen. Ich glaube, er kann bei Honda etwas aufbauen, eine Erfolgsära wie bei Ferrari. Wie lange das dauern wird, weiß ich nicht, aber ich bin mir sicher, dass er nicht hierher kommt, um nur ein Rennen zu gewinnen. Das steht fest."
Frage: "Welche Stärken hat Ross Brawn?"
Barrichello: "Einfach sein Wissen. Wenn du mit ihm über irgendetwas sprichst, hat er die richtige Antwort. Und in der Formel 1 ist auch wichtig, dass man immer ruhig bleibt, egal ob man nun gute oder schlechte Fragen gestellt bekommt. Manchmal kann man wegen gar nichts die Beherrschung verlieren, aber bei Ross habe ich das noch nie gesehen. Er vermittelt ein Gefühl der Harmonie. Und er macht auch seinen Job. Das Team hat sich in den vergangenen zwei Monaten enorm verändert."
"Gerade vor fünf Minuten habe ich mich mit ihm über die Bremsen unterhalten, weil wir da etwas unternehmen müssen. Für mich wird alles viel einfacher, weil er da ist. Bei 650 Leuten in einem Unternehmen muss man manchmal lange suchen, um den Richtigen zu finden, aber der braucht dann wieder die Erlaubnis von jemandem - und alles dreht sich im Kreis. Das war schwierig. Jetzt gehe ich einfach zu Ross, wenn ich etwas brauche. Ich kann sagen: 'Schau mal, in den vergangenen beiden Jahren hatte ich dieses und jenes Problem und so denke ich darüber.' Und er kommt dann mit einer Lösung daher. Das macht alles einfacher."
Noch keine Lust zum Aufhören
Frage: "Bei Ferrari hat er einige Jahre gebraucht, um das Team zum WM-Titel zu führen. Bist du besorgt, dass deine Karriere schon vorbei sein könnte, falls ihm das eines Tages auch mit Honda gelingen sollte?"
Barrichello: "Ich bin dankbar für alles, was ich erlebt habe, aber ich glaube nicht, dass dies mein letztes Jahr sein wird. Tief in mir drin will ich noch nicht aufhören. Ich habe noch keinen Vertrag unterschrieben, aber ich fühle mich gut. Gleichzeitig werde ich aber sicher aufhören, bevor es mir von außen nahe gelegt wird."

© xpb.cc
Kann sich inzwischen auch für Testfahrten motivieren: Rubens Barrichello Zoom
Frage: "Genießt du die Formel 1 so sehr, dass dich auch ein Testfahrerjob interessieren würde, oder geht es dir nur ums Rennfahren?"
Barrichello: "Mit dem Testen hatte ich am Anfang so meine Probleme, denn ich mochte es nicht, weil ich nur Rennen fahren wollte. Ich war jung und hatte es nur auf Erfolge abgesehen, aber dann wurde mir klar, dass es noch viel mehr gibt. Ob ich das tun könnte, was Alex (Wurz; Anm. d. Red.) macht, der nur für andere Fahrer arbeitet, weiß ich aber nicht. Natürlich spielt er eine wichtige Rolle, aber ich muss auch selbst testen und probieren, wie die Federn verändert werden müssen, damit sie für das nächste Rennen passen. Ich habe das Gefühl, dass hier etwas wächst. Wir werden es nie erfahren, aber vielleicht hat Michael (Schumacher; Anm. d. Red.) ein Jahr zu früh aufgehört!"
Frage: "Glaubst du, dass er wieder einmal Rennen fahren wird?"
Barrichello: "Möglich. Beim Kartrennen in Brasilien war er jedenfalls so ehrgeizig wie immer."
Frage: "Wie wird sich die Arbeit von Alexander Wurz auf das Team auswirken?"
Barrichello: "Als mich Nick Fry angerufen hat, dachte ich: 'Wow, eine gute Idee, darauf wäre ich nicht gekommen!' Alex ist wegen seiner Erfahrung sicher die beste Wahl, denn jeder weiß, was für ein guter Testfahrer er ist. Er wird uns helfen. Wenn wir uns unterhalten, verstehen wir, was wir meinen, denn wir schlagen die gleiche Richtung ein. Ich denke, das Verbessern des Autos wird in diesem Jahr Spaß machen. Gleich beim ersten Test hatte er das gleiche Gespür wie wir dafür, wie man das Auto verbessern könnte. Wir mussten ihn ja einmal fahren lassen, um zu sehen, was er denkt, denn es bringt nichts, wenn wir ihm vorher sagen, dass die Traktion nicht gut ist - das muss er schon selbst herausfinden. Manche Fahrer können damit besser umgehen als andere."
Frage: "Du wirkst heute wie ein 16-Jähriger, der seinen ersten Formel-3-Vertrag unterschrieben hat. Hast du in den vergangenen Jahren jemals an Rücktritt gedacht?"
Barrichello: "Ich bin nur von Ferrari zu Honda gegangen, weil mein Platz bei Ferrari nicht mehr gut genug war. Ich wollte immer mehr, weil ich eine Person bin, die nicht gerne Zweiter wird. Als sie mir gesagt haben, dass ich Michael vorbeilassen muss, mag ich auf dem Podium glücklich ausgesehen haben, aber innerlich habe ich gebrodelt. Nach sechs Jahren sah ich da einfach keine Fortschritte mehr, also musste ich etwas ändern."
Ende 2006 waren Rücktrittsgedanken da
"Im ersten Jahr mit Honda habe ich zu viel PR gemacht - mehr als in den 14 Jahren davor. Ich wollte mich aber auf das Auto konzentrieren und habe dem Team gesagt, dass ich nicht mehr glücklich sein kann, wenn ich so viel PR machen muss. Da hätte ich fast aufgehört. Aber sobald das Team das geändert hat, war wieder alles okay. Das vergangene Jahr war einfach ein Ausreißer. Da mussten wir durch. Ich akzeptiere das, aber ich bin immer noch der Meinung, dass ich in jedem Rennen Punkte hätte holen können."
"Letzten Endes ist es uns nicht gelungen, weil wir riskiert haben. Wir haben zum Beispiel nicht den Stopp für Runde 22 geplant, weil das die beste Strategie gewesen wäre, sondern für Runde 35, um mit dem Safety-Car Glück haben zu können. Aber es stimmt, es kommt mir so vor, als wäre ich wieder ein 16-Jähriger, der seine alten Freunde in der Schule trifft."
Frage: "Wie lange kannst du noch weitermachen?"
Barrichello: "Solange ich körperlich dazu in der Lage bin. Ich habe den Höhepunkt meiner physischen Leistungsfähigkeit noch nicht erreicht. Irgendwann einmal werde ich langsamer laufen, aber soweit ist es noch nicht. Es macht mir einfach immer noch zu viel Spaß, Eau Rouge voll zu fahren. Was soll ich machen, das würde mir fehlen! Darum gehe ich Kartfahren, darum strenge ich mich so an. Ich liebe es, da mittendrin zu sein, aber sobald ich spüre, dass ich schlechter werde, höre ich bestimmt auf."
Frage: "Du hast gesagt, dass die Türkei das Rennen ist, das dich zum häufigsten Grand-Prix-Teilnehmer vor Riccardo Patrese machen wird. Wie kommt es dazu?"
Barrichello: "Ich habe viele Leute gefragt, aber niemand kann mir eine klare Antwort darauf geben, was nun als gestartet gilt und was nicht. Es gibt zwei Rennen, Barcelona und Magny-Cours 2002, bei denen ich auf dem Grid stehen geblieben bin. Wenn die FIA das nicht als Start wertet, na gut. Aber ich habe Spa 1998 bestritten, denn ich war in den Startunfall involviert. Imola 1994 ist für mich auch ein Start, denn am Freitag war ich dort."
"Meiner Meinung nach kann man nur über Imola diskutieren. Bei den anderen beiden stand ich auf dem Grid. Maximal wären es jetzt also 253, aus denen man 250 oder 251 machen kann - dann wäre es in Barcelona oder in der Türkei soweit. Ich muss es wissen, denn ich möchte eine spezielle Helmlackierung entwerfen. Ich muss nur wissen, zu welchem Rennen ich diesen Helm bringen kann!"

