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Bald wollen die "Silberpfeile" wieder golden glänzen

McLaren-Mercedes hat in Malaysia Baustellen entdeckt, an denen in den zwei Wochen bis zum nächsten Rennen intensiv gearbeitet werden soll

(Motorsport-Total.com) - Es ist noch keine zwei Monate her, dass Kimi Räikkönen während der Wintertests den neuen Mercedes-V8-Motor verbal brutal zerrissen hat, doch nach den ersten beiden Rennen scheinen die "Silberpfeile" wider Erwarten in den absoluten Spitzenregionen des Formel-1-Feldes mitzumischen. Zufrieden ist man bei McLaren-Mercedes mit dem Status quo aber noch lange nicht.

Titel-Bild zur News: McLaren-Mercedes MP4-21

McLaren-Mercedes bläst zum Großangriff - schon in zwei Wochen in Australien?

Die Saison 2006 begann in Bahrain und Malaysia ähnlich wie die vor einem Jahr: Damals hatte man nach zwei Rennen in der Konstrukteurs-WM 17 Punkte Rückstand auf Renault, während es jetzt immerhin noch 13 sind, und Kimi Räikkönen fehlten in der Fahrerwertung 15 Zähler auf Alonso, um drei mehr als momentan. Genau wie damals haben die silbernen Masterminds aber vor, ihr aktuelles Auto einer radikalen Entwicklungskur zu unterziehen.#w1#

Am Start wurden die "Silberpfeile" von Alonso überrumpelt

Heute begannen die Probleme bereits am Start, als Montoya und Räikkönen viel schlechter wegkamen als beispielsweise die unwiderstehlichen Renault-Raketen: "Wir sind nicht so berühmt gestartet", gab Mercedes-Sportchef Norbert Haug in der 'RTL'-Analyse zu. "Wir haben nichts verloren, aber es war eigentlich vorherzusehen, dass der Renault mit Alonso stark sein würde. Er hatte heute sicherlich den mit Abstand besten Start von allen."

"Wir sind nicht so berühmt gestartet." Norbert Haug

Die Startautomatik sei eine Baustelle, an der es in den nächsten Wochen zu arbeiten gelte, aber die Behauptung, es handle sich dabei um ein fundamentales Problem, wies der Deutsche entschieden zurück: "Wir waren vergangenes Jahr sicher auf einem vergleichbaren Niveau wie Renault, hatten sehr gute Starts. Noch sind wir nicht ganz so weit", gab er zu Protokoll. "Das hat sicherlich auch mit unserer Motorenauslegung zu tun."

Damit ist auch schon der zweite Bereich mit Verbesserungspotenzial identifiziert: der Motor. Mercedes hat es zwar binnen kürzester Zeit geschafft, mit einer neuen Ausbaustufe das Ruder herumzureißen und zur Spitze aufzuschließen, was akustisch gemessene Drehzahlen von bis zu 19.700 Touren beweisen, doch damit ist laut Teamaussagen das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht - im Gegenteil: Schon bald soll die 20.000er Schallmauer fallen.

Mercedes-V8 kratzt an 20.000 Umdrehungen pro Minute

"Wir haben einen guten Motor mit hohen Drehzahlen, aber wir können noch mehr - und das werden wir demnächst auch zeigen", kündigte Haug an. Schon bei den Tests kommende Woche sollen Neuerungen erprobt werden: "Ich möchte das nicht detailliert beschreiben, aber man hat unsere Drehzahl gesehen. Da liegt noch ein Schritt vor uns, den wir auf dem Prüfstand schon fahren können. Das ist sehr erfreulich. Ich hoffe, dass wir das alsbald umsetzen können", so der 53-Jährige.

"Wir haben einen guten Motor mit hohen Drehzahlen, aber wir können noch mehr." Norbert Haug

"Der Speed ist da, was mich sehr freut, und wir haben die Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt", strich er heraus. "Das war eine sehr hohe Hürde, denn vor sechs Wochen waren wir mit unserem Motor noch nicht dort, wo wir sein wollten. Jetzt haben wir gesehen, dass viele Motoren kaputt gegangen sind, aber unsere nicht. Dafür möchte ich mich bei allen Kollegen, die dafür hart gearbeitet haben, bedanken. Die Jungs in England und in Stuttgart haben wirklich hart geschuftet."

Dennis mit dem Mercedes-Motor sehr zufrieden

Auch Teamchef Ron Dennis ließ "Glückwünsche an Mercedes-Benz" ausrichten, "denn wir sind eines der wenigen Teams, welches an den ersten beiden Wochenenden keine Motorenprobleme hatte." Aber: "Wir mussten mit dem Auto Kompromisse eingehen, um das Rennen beenden zu können", schränkte er sein Lob im nächsten Atemzug ein. Soll heißen: McLaren-Mercedes musste die Kühlöffnungen auf Kosten der Aerodynamik vergrößern, um den Motor in der malaysischen Hitze überhaupt ins Ziel zu bringen.

Juan-Pablo Montoya

Die Kühllufteinlässe mussten bei McLaren-Mercedes vergrößert werden Zoom

Haug stritt dies gar nicht erst ab: "Wir mussten der Hitze Tribut zollen, mussten regelrechte Löcher ins Auto machen, um über die Runden zu kommen. Unsere Konkurrenten haben das auch gemacht, aber unser Auto war sicherlich nicht im Idealzustand. Trotzdem sind wir ganz ordentlich dabei, aber sicher nicht so, dass wir sagen können, wir sind schneller als Renault", sagte er. Aber: "Die Basis ist da. Wir werden mitkämpfen - und wir werden nachlegen."

Darauf hofft auch Juan-Pablo Montoya, der mit seinem heutigen vierten Platz mit 39,3 Sekunden Rückstand nicht ganz glücklich war: "Wir waren in Bezug auf die Kühlung des Motors derart am Limit, dass uns dies Zeit gekostet hat. Wir mussten mit sehr wenig Abtrieb fahren", kritisierte der Kolumbianer. "Man konnte anhand meines ersten Sektors sehen, dass ich dort im Rennen die schnellste Zeit fuhr, aber in den anderen beiden Sektoren, wo es auf den Abtrieb ankam, waren wir nicht bei der Musik."

Michelin-Vorderreifen körnten im ersten Stint zu stark

Dennis machte indes noch einen weiteren Grund für die fehlende Pace aus: "Das Auto untersteuerte im ersten Stint etwas zu stark, weil wir Probleme mit den Reifen hatten. Da ging am meisten Zeit verloren. Die anderen Stints waren aber sehr stark", so der 58-Jährige. Der Blick auf die schnellsten Rennrunden bestätigt diese These: Montoya war in 1:35.566 Minuten zwar um 0,763 Sekunden langsamer als Alonso, aber immerhin schnellster Nicht-Renault-Pilot.

"Das Auto untersteuerte im ersten Stint etwas zu stark, weil wir Probleme mit den Reifen hatten." Ron Dennis

Neben Startautomatik und Motor soll in den kommenden Wochen übrigens auch die Aerodynamik massiv weiterentwickelt werden, so dass die "Silberpfeile" schon in Australien - bei gemäßigten Temperaturen - wieder golden erstrahlen könnten. Dort müssen nämlich keine zusätzlichen Kühlöffnungen in das Chassis gebohrt werden, weshalb Räikkönen und Montoya dort von der ersten Runde an konkurrenzfähig sein sollten: "Wir werden stark sein", kündigte Dennis an.

Weiterentwicklung wird mit Vollgas vorangetrieben

Haug blies in dasselbe Horn: "Wir haben ein starkes Programm vor uns. Die Fahrer bekommen sicherlich mal ein paar Tage frei, aber wir gehen direkt zum Testen weiter. Dort haben wir einige neue Dinge auf Chassis- und Motorenseite auszuprobieren", gab der Deutsche zu Protokoll. Dabei sei es sehr hilfreich, dass die Zuverlässigkeit schon auf einem hohen Niveau ist, denn dadurch könne man sich nun auf das Verbessern der schieren Performance konzentrieren.

"Wir haben ein starkes Programm vor uns." Norbert Haug

Insgesamt zeigte er sich ohnehin zufrieden, auch wenn man wohl wieder mit einem Punkterückstand zum Europaauftakt kommen wird: "Ich wusste, dass der Saisonstart relativ schwierig werden könnte. Vor vier oder fünf Wochen hätten wir sicher nicht prognostiziert, dass wir das zweit- oder drittbeste Team sein können, aber jetzt ist diese solide Basis gelegt. Ich denke, in Australien können wir schon sehr gut aussehen", relativierte Haug.

Dennis schätzt Renault derzeit noch stärker ein

Kollege Dennis gab jedoch indes zu, dass man momentan noch nicht ganz auf Renault-Niveau sei: "Renault hat wunderbare Arbeit geleistet. Sie bauen auf den Schwung aus dem Vorjahr auf, aber wir wissen, dass wir von Rennen zu Rennen stärker werden sollten. Ich bin mir ganz sicher, dass wir dieses Jahr Rennen gewinnen werden", lehnte sich der Brite ein wenig aus dem Fenster hinaus - aber dabei geben ihm ohnehin fast alle Experten Recht.

Kimi Räikkönen

Kimi Räikkönen schied heute nach einer Kollision schon in der ersten Runde aus Zoom

Bleibt noch die Frage aller Fragen: Wie hätte denn Räikkönen heute abgeschnitten, wäre er nicht schon in der ersten Runde nach der Kollision mit Christian Klien ausgeschieden? "Ich will nicht spekulieren, aber ich denke schon, dass vom Speed her etwas Ähnliches wie beim letzten Mal gegangen wäre", entgegnete Haug. "Kimi hatte halt Pech. Ich will keine Absicht unterstellen - sicherlich nicht -, denn Christian war da auch gehandicapt. Es waren einfach zu viele Autos nebeneinander."