Alle Infos zum KERS-Comeback 2011
Nach einer einjährigen Auszeit feiert das Energie-Rückgewinnungs-System KERS ein Comeback - Warum es dieses Jahr unverzichtbar ist und wie es sich vom 2009er System unterscheidet
(Motorsport-Total.com) - Das Debüt des Energie-Rückgewinnungs-Systems KERS wurde 2009 mit Spannung erwartet. Dennoch entpuppte sich die Innovation als Flop. Die damaligen Systeme verliehen den Piloten zwar die Möglichkeit, für 6,7 Sekunden pro Runde 82 Zusatz-PS zuzuschalten, was in Zweikämpfen einen Vorteil ergab. Dennoch waren die schweren KERS-Batterien für die Gewichtsverteilung der Boliden nicht gerade förderlich, was Leistungseinbußen mit sich brachte. Das Ergebnis: Teams wie Brawn und Red Bull, die auf den KERS-Boost verzichteten, hatten die Nase vorne und liefen den Topteams Ferrari und McLaren den Rang ab.

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Neben dem neuen Heckflügel kommen die Fahrer in den Genuss von KERS
Aus diesem Grund entschieden sich die Hersteller, 2010 auf KERS zu verzichten. In der "Wettkampfpause" 2010 hat sich die allgemeine Wahrnehmung von KERS gewandelt. Hersteller, die das System laufend weiterentwickelten, zeigten, dass es in einem vernünftigen Kostenrahmen eingesetzt werden kann. Für sie ist der Einsatz von KERS in der Formel 1 von großer Bedeutung, weil man damit neue Serienautos mit Hybrid- oder batterieelektrischem Antrieb besser vermarkten kann. Die "Königsklasse" des Motorsports ist für sie das ideale Testfeld, um solche Systeme leistungsfähiger, kompakter, leichter und effizienter zu machen.
Die Leistungsparameter von KERS wurden gegenüber 2009 nicht verändert. Das Formel-1-KERS darf nicht mehr als 60 kW (82 PS) Leistung abgeben, wenn der Fahrer den Powerknopf am Lenkrad drückt. Pro Runde dürfen maximal 400 kJ abgerufen werden. Das entspricht einer Leistung von 60 kW über eine Dauer von 6,7 Sekunden. Die Regelhüter setzten 2011 auf die selben Leistungsdaten wie 2009, um die Kosten in Grenzen zu halten. Weil für 2013 ohnehin eine neue Motorenformel beschlossen ist, macht es Sinn, ein völlig neues, kraftvolleres KERS zeitgleich mit den neuen Triebwerken einzuführen.
KERS ist 2011 ein Muss
Dennoch haben die neuen Systeme nur noch wenig mit dem 2009er KERS gemein. Sie wurden komplett überarbeitet und in jeder Hinsicht erheblich verbessert. So zum Beispiel bei der Integration ins Fahrzeug: Durch eine leichtere und kompaktere Bauweise kann es einfacher ein- und ausgebaut werden. Das diesjährige System ist etwa zehn Kilogramm leichter und soll bei KERS-Branchenprimus Mercedes nur noch 23 Kilogramm wiegen.¿pbvin|512|1368|kers|0|1pb¿
Während man 2009 besser beraten war, auf KERS zu verzichten, scheint es 2011 ein Muss zu sein, will man ein Wörtchen um den Titel mitreden. Nur Lotus, Virgin und HRT verzichten darauf. Doch was spricht dieses Jahr für KERS? Wegen des Mehrgewichts des Hybridantriebs konnte die Gewichtsverteilung der Boliden 2009 kaum noch mit dem beliebten verschiebbaren Ballast ausgeglichen werden. Die Autos waren schwieriger auszubalancieren, vor allem für durch ihre Körpergröße oft schwerere Piloten wie Robert Kubica, die ganz auf das Trimmen per Ballast verzichten mussten.
Aus diesem Grund entschieden sich manche Teams gegen KERS - sogar solche, die ein gut funktionierendes System besaßen. Für 2011 wurde das Mindestgewicht der Autos von 620 auf 640 Kilogramm angehoben, 2009 betrug es noch 605 Kilogramm. Der Nachteil von KERS fällt also buchstäblich weniger ins Gewicht.
Warum das neue Reglement KERS-freundlich ist
Auch das neue Reglement bringt erhebliche Vorteile für Teams, die auf KERS setzen. Seit dem Nachtank-Verbot lassen sich kaum noch Positionen über eine gute Boxenstrategie gewinnen - das Überholen auf der Strecke und die Performance im Qualifying gewinnen also an Bedeutung. Gerade im Qualifying wirkt sich der Zusatzschub von KERS stark aus, denn die Autos fahren mit voll geladenen Akkus und können die gesamte erlaubte Power auf eine fliegende Runde konzentrieren.
Im Rennen dürfen die Piloten ab 2011 erstmals den Heckflügel flacher stellen, um auf eine bessere Höchstgeschwindigkeit zu kommen - das soll Überholmanöver vereinfachen. Um dies zu kontrollieren, hat die FIA einige Einschränkungen beschlossen: Der Pilot darf den Flügel nur auf den letzten 600 Metern der längsten Gerade flacher stellen, wenn er Eingangs der vorangegangenen Kurve im Bereich von einer Sekunde zum Vordermann liegt. Dieser kommt nicht in den Genuss des Vorteils.
Daher kommt KERS eine besondere Bedeutung zu: Ohne die 82 Zusatz-PS haben Piloten große Mühe, überhaupt in der Kurve vor der Gerade in den Bereich von einer Sekunde zum Vordermann zu kommen - wenn dies nicht gelingt, bringt ihnen auch der verstellbare Heckflügel nichts. Und auch am Start haben KERS-Piloten einen Vorteil. Das Energie-Rückgewinnungs-System verschafft den Fahrern einen Vorsprung von rund 20 Metern bis zur ersten Bremszone.
Wie groß ist das Sicherheitsrisiko?
Bleibt noch die Sicherheits-Frage: In den KERS-Akkus wird eine große Menge elektrischer Energie gespeichert - mit einer Spannung, die bei unsachgemäßem Umgang erhebliche Verletzungen auslösen kann. 2009 geriet der Chefmechaniker des BMW Sauber F1 Teams in der Boxengasse in den Stromkreis des vom damaligen Ersatzpiloten Christian Klien pilotierten Boliden und wurde zu Boden geschleudert. Auch wenn er keine gravierenden Verletzungen erlitt, war der Zwischenfall ein Alarmsignal.
Bei den Testfahrten in Valencia hatte das Toro-Rosso-Team Probleme mit KERS, weshalb die Mechaniker mit Gasmasken in der Box um den Boliden herumstanden - ein besorgniserregender Anblick. Dennoch gelten weiterhin die grundlegenden Sicherheitsregeln, die die KERS-Arbeitsgruppe 2009 entwickelt hat. Die Teams haben ihre Mitarbeiter zudem gezielt für den Umgang mit KERS ausgebildet.

