• 23.06.2007 18:31

  • von Fabian Hust

Abgefahren aber nicht abgehoben

Auch nach seinen zwei ersten Siegen will Lewis Hamilton nicht "abheben" - Ron Dennis und Vater Hamilton über den Umgang mit der Karriere des 22-Jährigen

(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamiltons "Alltag" in der Formel 1 hat dem Briten seit seinem Formel-1-Debüt großartige Erfolge beschert. Kein Wunder also, dass er an den kommenden Großen Preis von Frankreich auch nach seinem ersten Sieg in Montréal und dem erneuten Triumph in Indianapolis ganz "alltäglich" herangehen möchte.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Formel-1-Neuling Lewis Hamilton fasziniert die gesamte Sportwelt

"Ich hatte definitiv nicht erwartet, so früh in der Saison zu gewinnen, es ist aus diesem Grund unglaublich, dass ich zwei Siege in Folge geschafft habe", wird der McLaren-Mercedes-Pilot von 'autosport.com' zitiert, der dank seiner konstanten Leistungen nach sieben Rennen die WM-Wertung um zehn Punkte vor seinem Teamkollegen anführt.#w1#

Siege nicht um jeden Preis

Seine Herangehensweise an das Rennen in Magny-Cours sei "so wie immer". Er wolle einfach gute Arbeit leisten, was bereits "extrem schwierig" sei: "Es dreht sich alles um die Konstanz, ich muss also nicht gewinnen. Ein zweiter oder dritter Rang wäre großartig. Solange ich Punkte hole, ist das gut, denn das ist der Schlüssel zum Erfolg."

Das Interesse an Hamilton wird größer und größer

Lewis Hamilton

Lewis Hamilton wird auf Schritt und Tritt verfolgt Zoom

Die Erfolge machen es jedoch möglicherweise notwendig, dass Lewis Hamilton seine Heimat Großbritannien verlässt: "Ich möchte hier bleiben. Bis zu einem gewissen Grad ist es großartig, all die Aufmerksamkeit zu genießen, aber manchmal wird es einfach zu viel."

"Du möchtest einfach ein ruhiges Essen mit deinen Freunden oder mit deiner Familie genießen, aber du wirst nicht in Ruhe gelassen. Ich kann mir ausmalen, dass es schlimmer und schlimmer werden wird, wenn ich gehen muss, dann wird das der Grund sein."

In einem bekannten Land ganz unbekannt...

Wie einst Michael Schumacher genoss Lewis Hamilton seine Zeit in den USA, denn dank der Tatsache, dass sich dort kaum jemand für die Formel 1 interessiert, konnte er fast unbehelligt durch die Straßen von New York und Washington gehen: "Ich wurde ein paar Mal erkannt, aber das waren ein paar spanische und britische Touristen, keine Amerikaner."

Eventuell wird er sich in Zukunft den Fans nicht mehr so zur Verfügung stellen wie bisher: "Ich bin mir sicher, dass ich ab einem gewissen Punkt für die Öffentlichkeit weniger greifbar bin. Es ist nicht einfach, wenn jeder von dir ein Stück haben möchte. Man versucht, allen etwas Zeit zu geben, aber das schlaucht mental und wir haben nicht viel Zeit, da wir die ganze Zeit reisen."

Hamilton will das Original bleiben

Lewis Hamilton

Lewis Hamilton will sich als Mensch nicht ändern Zoom

Auch wenn er sein Verhalten vielleicht eines Tages tatsächlich ändern muss, möchte er sich als Mensch an sich nicht ändern: "Ich denke, dass ich immer noch der Alte bin, was daran liegt, dass ich eine starke Familie hinter mir stehen habe, was aber auch mit meiner Erziehung zu begründen ist. Ich sehe keinen Grund, warum ich die Art und Weise, wie ich auf das Leben schaue, verändern sollte, nur weil ich in der Formel 1 bin."

Als WM-Führender in den "Hexenkessel"

Egal, was beim Frankreich-Grand-Prix passieren wird, Lewis Hamilton wird auf jeden Fall als WM-Führender zu seinem Heimrennen kommen, das am übernächsten Wochenende in Silverstone stattfinden wird.

Das Duell zwischen dem amtierenden Weltmeister Fernando Alonso und dem Formel-1-Neuling lässt fast ganz Großbritannien auf dem Kopf stehen: "Das ist für uns alle eine neue Erfahrung", gibt Teamchef Ron Dennis gegenüber dem 'Telegraph' zu, der einst das beinharte Duell zwischen Alain Prost und Ayrton Senna zu kontrollieren hatte.

Dennis' neue Herausforderung

Ron Dennis, Lewis Hamilton

Ron Dennis muss in diesem Jahr noch mehr auf seine Fahrer achten Zoom

Dennis baut auf den "gesunden Menschenverstand" und hofft, dass teaminterne Kollisionen wie einst im Fall "Senna vs. Prost" ausbleiben werden. Nach den "Rangeleien" in den ersten Rennen sind seine Fahrer gezwungen zu reagieren: "Sie müssen ungeheuer vorsichtig sein, was sie der Presse über den jeweils anderen sagen."

Der Brite sieht sich derzeit eine aufregende Zeit durchmachen, während der der die Presse einige Aussagen der Fahrer zu hören bekommen hat, aus denen man schnell einen teaminternen "Krieg" herbei geschworen hat. Hinzu kam die Untersuchung der FIA nach dem Rennen in Monte Carlo wegen einer angeblichen Stallorder sowie Alonsos öffentlicher "Ausraster" während des USA-Grand-Prix', als er die Faust zeigend aggressiv zur Boxenmauer fuhr.

Alonsos Faust ließ Dennis den Atem stocken

Fernando Alonso und Ron Dennis

Seine Aktion musste Fernando Alonso dem Chef erst einmal erklären Zoom

"Da hielt ich den Atem an", gibt der 60-Jährige zu. "Nichts zeigt mehr als das, wie sehr wir es unseren Fahrern gestatten, gegeneinander Rennen zu fahren. Es wird für uns eine großartige Saison werden. Sie werden jede Möglichkeit haben, gegeneinander anzutreten. Das ist stressig aber machbar."

"Für uns sind das ganz klar ungewohnte Umstände", so Dennis weiter. "Was wir hier haben, ist aufregender als alles, was uns Michael Schumacher beschert hat, und er hat uns eine Menge beschert", so der McLaren-Mercedes-Teamchef, der in all den Jahren viel Respekt vor dem siebenmaligen Formel-1-Weltmeister hinzugewonnen hat, aber nie zu einem Freund des Deutschen wurde.

"Grundsätzlich hätte ich nicht gedacht, dass ein solch junger Fahrer kommt, einsteigt und diese sensationellen Leistungen bringt", so Willi Weber, Manager von Michael Schumacher gegenüber der 'Sport Bild online', der sich fragt, ob "er so gut, oder sind alle anderen plötzlich schlechter geworden".

Schließlich sei Fernando Alonso zweimal Weltmeister geworden und genießt Webers Hochachtung: "Da muss etwas anderes passiert sein. Denn es kann nicht sein, dass Hamilton, der zweifelsfrei ein Riesenpotenzial hat, Alonso so deklassieren kann. Nein, Freunde, das muss andere Gründe haben. Die Gründe sollte man vielleicht eher intern bei McLaren suchen."

Ron Dennis kann sich schon ausmalen, was das Team in rund zwei Wochen beim Heimrennen von Hamilton erwarten wird: "Der Großbritannien-Grand-Prix wird uns unter jede Menge Druck setzen. Mir wurde gesagt, dass sich die Tickets schnell verkaufen."

Hamilton muss sich laut Dennis zurückziehen

Ron Dennis und Lewis Hamilton

Ron Dennis weiß, was nach den Erfolgen auf Hamilton zukommen wird Zoom

Dennis ist überzeugt, dass Hamilton auf den Hype um seine Person reagieren muss, um seine Privatsphäre zu sichern: "Sein Leben wird sich verändern, das lässt sich nicht vermeiden. Die Störung seiner Privatsphäre wird ein großes Problem werden. Er muss einen Ort finden, an dem er leben kann und dem aus dem Weg zu gehen. Wir haben darüber mit ihm gesprochen."

Familie im Glück

Auch für die Familie von Lewis Hamilton ist es eine große Umstellung, die man innerhalb von wenigen Wochen über sich hat ergehen lassen müssen oder durfte. Welche Familie ist schon in der einen Woche praktisch unbeobachtet und hat am nächsten Tag eine Horde Journalisten vor der eigenen Wohnung auf einen Schnappschuss lauernd ausharren?

"Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich nichts hatte, als ich ein Kind war", so Vater Anthony Lewis gegenüber der 'Sun'. "Als Lewis ein Junge war, hatten wir auch noch nichts. Wir bekamen eine Chance und nun sind wir hier. Jeder Tag ist ein Traum."

Experten gehen davon aus, dass Hamilton in Zukunft inklusive Sponsoring-Einnahmen 50 bis 70 Millionen Euro pro Jahr verdienen kann, wenn er weiterhin so extrem erfolgreich ist.

Von dem einen in das andere Extrem

Lewis und Anthony Hamilton

Lewis und Anthony Hamilton: Ein erfolgreiches Team Zoom

Vater Anthony hatte einst drei Jobs annehmen müssen, um die Karriere seines Sohns zu finanzieren, bald kann er als Manager seines Sohns das "geopferte" Geld für ein eigenes Haus deutlich vermehrt zurückerhalten.

Doch deshalb hebt der Brite noch lange nicht ab, sondern besinnt sich auf seine Wurzeln: "Ich möchte, dass Lewis' Geschichte eine Inspiration für andere Kinder wird. Wenn du einen Traum hast, dann arbeite für ihn hart, du kannst ihn dir dadurch verwirklichen. Er hat als Kind viele Opfer erbracht, um sich seinen Traum zu erfüllen."

Vom Kind zum Vorbild

Als wichtig empfindet es der Vater, dass sich Hamilton durch seine Erfolge nicht verändert hat: "Er ist derselbe Kerl. Und so wird er für immer bleiben. Es ist wichtig, dass er fokussiert bleibt und zum Wohle der anderen jungen Kerle und Mädchen gewinnt, die nichts haben und etwas erreichen wollen. Ich möchte, dass sie zu Lewis aufschauen und sehen, dass deine Träume wahr werden, wenn man hart arbeitet und Opfer bringt."

Surtes bricht für die Jugend eine Lanze

John Surtees

John Surtees hat Lewis Hamilton jahrelang beobachtet Zoom

Auch Rennfahrerlegende John Surtees ist der Meinung, dass Lewis Hamilton für die Jugend ein Vorbild darstellen kann: "Er ist in vielerlei Hinsicht ein Vorbild", so der 73-Jährige am Rande des 'Goodwood Festival of Speed' gegenüber 'Sportinglife'. "Ich bin nicht überrascht, dass er so erfolgreich ist, aber überrascht, dass der Sport nicht das Talent anerkennt, das dort draußen zu finden ist und eine Chance braucht."

Hamilton habe diese Chance erhalten, man müsse jedoch auch anderen Nachwuchsfahrern eine Chance geben und fordert, dass einige der "alten Hasen" Platz machen: "Wie in vielen Sportarten erhalten auch in der Formel 1 viele zu lange Anerkennung. In der Formel 1 gibt es ein paar Leute, die weiterziehen und diesen Aufstrebenden eine Chance geben sollten."

In den vergangenen neun Jahren hat sich der rüstige Ex-Racer um Kartpiloten gekümmert und kennt Hamilton aus diesem Grund auch gut: "Ich habe seine Entwicklung mit Interesse verfolgt. Was er leistet, ist für den Sport super. Wenn er den Großbritannien-Grand-Prix gewinnen kann, wäre das wunderbar."

Ein Superstar, der sich nicht wie einer fühlt

Anthony und Lewis Hamilton

Lewis Hamilton konzentriert sich auf das, was zählt: Racing Zoom

Nach Aussage seines Vaters fühlt sich Hamilton Junior nicht wie ein Superstar: "Schlussendlich ist es einfach Lewis und es ist wichtig, dass er so bleibt. Er lebt immer noch bei seiner Familie. Ich bin mir sicher, dass der Tag kommen wird, an dem er seine eigene Wohnung hat, aber im Moment wohnt er noch bei uns. Es gibt keine Yachten oder wilden Partys."

Lewis Hamilton gibt sich nicht damit zufrieden, dass er einfach nur dabei ist. Er aalt sich nicht in der Glamourwelt der Formel 1, sondern arbeitet hart, um sich den nächsten Traum zu erfüllen: Jenen vom WM-Titel. Der 22-Jährige fährt nicht, um Zweiter zu werden. Er möchte gewinnen und widmet deshalb sein ganzes Leben dem Motorsport: "Wir werden nicht arrogant werden und diese Chance herschenken."

Unglaublich, unwirklich und doch real

Hamilton Senior gibt zu, dass man noch vor einem Jahr auf jene Leute geblickt hat, die bereits in der Formel 1 sind, und es als "unglaublich" erfunden habe. Nun, da man selbst Teil der Formel 1 ist, sei es "ein anderes Gefühl". Es sei ein "unwirkliches Gefühl", was aber positiv zu bewerten sei, da es dafür sorgt, dass man mit den Füßen auf dem Boden bleibt.

Und so ist man auch nach den ersten beiden Siegen des Juniors auf dem Boden geblieben: "Ich habe keine Euphorie verspürt und Lewis auch nicht. Ich denke, dass wir diese erst verspüren werden, wenn wir zurück nach Hause kommen. Ich glaube nicht, dass man so etwas wirklich genießen kann, wenn man nicht mit dem Rest der Familie zusammen ist, die alle zu Hause in Großbritannien sind." Auf dem Boden der Tatsachen ist es eben immer noch am schönsten