"120 Prozent Motorleistung" für Fernando Alonso
Denis Chevrier, Leiter der Motorenabteilung von Renault, erklärt, wie die Gelb-Blauen in Suzuka das Maximum aus den V8s herausholen wollen
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Denis, wie liefen die Renault RS26 am vergangenen Wochenende in Shanghai?"
Denis Chevrier: "Zum ersten Mal seit dem Saisonauftakt fuhren Fernando Alonso und Giancarlo Fisichella den gleichen Motorenzyklus. Das bedeutet, dass beide in Shanghai auf neue V8-Aggregate zurückgreifen konnten."

© Renault
Denis Chevrier gibt sich vor dem entscheidenden Saisonende zuversichtlich
"Wir hatten im Training, Qualifying und Rennen keinerlei Schwierigkeiten. Natürlich haben wir wegen des Regens weniger Runden im Training absolviert und auch während des Grand Prix war die Belastung für die Motoren wegen der nassen Fahrbahn geringer. Für das Rennen in Japan hat das zur Folge, dass sich die Triebwerke in einem besseren Zustand befinden als nach einem Rennen auf trockener Piste."#w1#
Frage: "Nehmen wir an, bei einem gewöhnlichen Rennen wird das Potenzial des Motors zu 100 Prozent genutzt. Wie viel habt ihr dann in Shanghai verbraucht?"
Chevrier: "Das dürfte bei etwa 80 Prozent liegen, in manchen Bereichen vielleicht nur 75 Prozent. In Suzuka können wir also zu ganz entscheidenden Zeitpunkten 120 Prozent unseres normalen Potenzials abrufen."
Frage: "Mit welchen Werkzeugen messt ihr den Zustand der Motoren zwischen den Rennen?"
Chevrier: "Wir besitzen drei wichtige Instrumente: Erstens, wir können die entscheidenden Parameter des Triebwerks an Hand der Telemetrie-Daten in Echtzeit verfolgen. Wir überwachen die Temperaturen und den Druck. So sehen wir, ob alles normal verläuft oder ob irgendwo ein Problem auftaucht."
"Zweitens, unser Partner 'Elf' nimmt Proben der Schmierstoffe und analysiert diese mit einem Funkenspektrometer. Das Gerät erkennt und misst die Anzahl verschiedener Metalle in einer Probe, indem es diese zwischen zwei Karbon-Elektroden 'verbrennt'. An Hand des Ergebnisses können wir den 'Gesundheitszustand' des Motors bestimmen. Drittens, mit Hilfe von Endoskopie können wir einzelne Komponenten, wie die Kolben, prüfen."
Frage: "Also können euch ein paar Milliliter Öl anzeigen, ob der Motor ein Problem hat?"
Chevrier: "Ja. Wenn wir beispielsweise einen zu hohen Eisengehalt feststellen, kann ein Fehler bei der Verbrennung vorliegen ..."
Frage: "Liefern Formel-1-Motoren während ihres Lebenszyklus die ganze Zeit über die maximale Leistung, oder lässt die Kraft gegen Ende nach?"
Chevrier: "Bei Beanspruchung des Motors nutzen sich die Komponenten natürlich ab. Wenn ein Triebwerk viele Kilometer zurücklegt, nimmt die Leistungsfähigkeit langsam ab. Es ist davon abhängig, wir aggressiv der Motor gefordert wird. Das ist ein natürliches Phänomen. Unsere Aufgabe besteht darin, das unter Kontrolle zu bekommen. Bevor wir ein Aggregat in Betrieb nehmen, definieren wir auch die Grenzen für die Abnutzung des Motors."
Frage: "Was zeichnet einen guten Motor unter diesen Voraussetzungen aus? Ein Achtzylinder, der zu Beginn möglichst viel Kraft liefert, oder einer, der über die Distanz möglichst wenig Leistung einbüßt?"
Chevrier: "Bei Renault halten wir die zweite Option ohne Frage für besser. Es wäre idiotisch, sich auf fünf Prozent mehr Leistung zu Beginn zu konzentrieren, wenn der Motor nach einem Rennen über 10 PS und nach zwei Grands Prix über 25 PS weniger verfügt."
Frage: "Lässt es sich deswegen nur so schwer bestimmen, welcher Motor der Beste im gesamten Feld ist?"
Chevrier: "Ganz genau. Es gibt keinen 'besten Motor' in der Formel 1. Sollte dies das Aggregat sein, das auf dem Prüfstand am meisten Kraft aufbringt? Der Motor, der während des Rennens am wenigsten PS verliert? Oder der Achtzylinder, der nach dem zweiten Grand Prix über die höchste Leistung verfügt?"
"Jeder Hersteller besitzt seine eigene Philosophie. Aber eines ist sicher: Der Einfluss des Leistungsverlusts während des zweiten Wochenendes ist nicht zu unterschätzen. Deswegen können wir uns glücklich schätzen, in Japan mit zwei Motoren anzutreten, die sich in gutem Zustand befinden."

