• 21.09.2023 15:16

  • von Stefan Leichsenring

Polestar 2 (2024) im Test: Wie gut ist die neue Version?

Der Polestar 2 wechselt von Front- auf Heckantrieb, bekommt neue Motoren und Batterien, dazu ein moderates Facelift - Grund genug für einen Test

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Annalena Baerbock im schwarzen Outfit in der Ukraine, Annalena Baerbock im weißen Kleid in Texas: Sieht sie nicht blendend aus, unsere Außenministerin? Auch und gerade in zurückhaltenden Farben? Schwarz, Weiß und Grau stehen auch dem Polestar 2 gut - "richtige" Farben widersprechen dem minimalistischen, puren Designansatz, heißt es bei der schwedischen Premium-Marke. Wir fuhren das Facelift-Modell in Grau.

Titel-Bild zur News: Polestar 2 Single Motor Long Range (2024)

Polestar 2 Single Motor Long Range (2024) Zoom

Aber nicht der Farben sind wir zum Polestar Space in München gekommen, auch nicht wegen des dezenten Facelifts, sondern weil die neue Version technisch völlig umgekrempelt wurde. So erhielt die 4,61 Meter lange Elektro-Limousine neue Motoren und Akkus; die Single-Motor-Varianten wechselten von Front- auf Heckantrieb und der Allradler hat vorne nun einen Induktionsmotor (ASM). Für mich hatte Polestar die reichweitenstärkste Variante ausgesucht: Der Polestar 2 Long Range Single Motor soll 655 km schaffen - das ist eine Ansage.

Sagenhaft einfache Bedienung

Also, rein ins Auto und losgefahren. Ich starte im Zentrum von München und so bin ich froh, dass die Bedienung nicht ablenkt: Das Gewusel auf den Straßen ist schon genug. Anders als bei so manchem Konkurrenten beschränkt sich Polestar auf das Wesentliche. Nicht einmal einen Start-Stopp-Knopf gibt es. Zum Losfahren steigt man paradoxerweise aufs Bremspedal - dann erwacht das System zum Leben. Dann den Wahlhebel auf "D", und los geht's.

Schon auf den ersten Metern fällt die starke Rekuperation auf: Der Polestar 2 fährt standardmäßig im One-Pedal-Driving-Modus, der Kriechgang ist abgeschaltet. Anfangs bleibe ich an der Ampel fünf Meter vor dem Strich stehen - so stark ist die Bremswirkung. Doch bald bleibe ich länger auf dem Gas und schnell verliebe ich mich in diese Art des Fahrens mit nur einem Pedal. Einziger Kritikpunkt: Es wäre schöner, wenn man die Rekuperationsstärke per Lenkrad-Paddles einstellen könnte.

Generell ist die Bedienung des Polestar 2 besonders einfach. Ein Knopfdruck auf den linken Button am Lenkrad, und das aktuelle Tempo wird gehalten. Ein Fingertipp auf den rechten Button, und der Stromverbrauch wird angezeigt. Dazu kommt noch die wirklich bildschöne Google-Earth-Darstellung der Navigations-Karte. Und die Hey-Google-Sprachbedienung: Ich sage "Zeige mir den Weg zur nächsten Ladestation", und schon ist die Navigation eingestellt. Oder: "Navigiere nach Rom", und prompt errechnet das System eine Ladestrategie mit drei Stopps an Schnellladern.

Antrieb und Fahrwerk sind hier fast schon Nebensache

Und sonst? Was ist mit Antrieb, Fahrwerk, Lenkung? Nun, die gefahrene Version hat einen 220 kW starken Heckantrieb, der Sprint auf 100 dauert angeblich 6,2 Sekunden - nicht schlecht, aber auch nicht berauschend. Subjektiv hält sich der Antrieb im Hintergrund, er verleitet eher zu gemächlichem Fahren als zu Beschleunigungsorgien wie etwa mit der Allradversion des technisch eng verwandten Volvo XC40. So belasse ich es auf der Autobahn bei 125 km/h und fahre gelassen in die Kurven.

Ähnlich unauffällig bleiben Fahrwerk und Lenkung - all das kommt einem hier fast nebensächlich vor. Im Zentrum steht die einfache Bedienung, das Interieur mit den edlen Materialien (zum Beispiel Luftausströmer-Knöpfe aus kühlem Metall) und das zurückhaltende Design.

Schwächen beim Platzangebot

Soweit, so gut. Aber ein Auto ohne Schwächen, das gibt es nun mal nicht. Weniger toll finde ich zum Beispiel die Sitze, die mir selbst bei verhaltener Fahrt zu wenig Seitenhalt geben. Im Fond ist für meine 1,76 Meter lange Figur genug Platz, Größere könnten Probleme bekommen.

Und der Kofferraum: Er ist zwar um Längen besser nutzbar als beim Tesla Model 3 mit seinem kleinen Kofferraumdeckel. Aber die Abschrägung der Karosserie erschwert den Transport größerer Dinge. Um meinen alten Bürostuhl zum Wertstoffhof zu bringen, muss ich die Sitze umklappen und das sperrige Ding ziemlich weit nach vorne schieben.

Außerdem gibt es für das optionale Riesen-Glasdach kein Rollo. Und der Abstandstempomat (ACC) kann das per Kamera erkannte Tempolimit nicht automatisch übernehmen. Außerdem würde Plug&Charge gut zu dem Konzept des Autos passen - denn damit wird auch das Laden schön einfach und stressfrei.


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Und was ist mit der sagenhaften Reichweite? Sind die 655 km realistisch? Nun, aufgrund einer 65 km/h langen Testfahrt in städtischer Umgebung ist keine belastbare Aussage möglich. Ich benötigte knapp 20 kWh/100 km. Hochgerechnet würde die 82-kWh-Batterie für wenig mehr als 400 km reichen. Aber wie gesagt, auf die Stromverbräuche bei kurzen Testfahrten gebe ich nicht viel.

Preise und Konkurrenz

Zum Schluss noch die Preise: Ein Schnäppchen ist der Polestar 2 nicht. Die gefahrene Version mit 655 km WLTP-Reichweite gibt es laut Polestar-2-Website ab 52.690 Euro, doch da ist laut Presseabteilung der Herstelleranteil an der Förderung schon abgezogen. Vor Förderung kostet das Auto 54.475 Euro.

Ein ähnliches Karosseriekonzept wie der Polestar 2 (Limousine mit großer Heckklappe) hat in der Mittelklasse eigentlich nur der der BMW i4 - von dem Exoten Aiways U6 einmal abgesehen. Zu den SUV-Konkurrenten gehören das Model Y, der Mercedes EQA und der Volvo XC40/C40. Wir haben den gelifteten Polestar 2 bereits mit diesen Rivalen verglichen. Hier unsere Vergleichstabelle mit aktualisierten Daten und Preisen (bessere Werte wie immer gefettet):

Antrieb
Polestar 2 Long Range Single Motor: RWD
Tesla Model Y Max. Reichweite: AWD
BMW i4 eDrive40: RWD
Mercedes EQA 250+: FWD
Volvo C40 Single Motor Extended Range: RWD

Systemleistung
Polestar 2 Long Range Single Motor : 220 kW
Tesla Model Y Max. Reichweite: 378 kW
BMW i4 eDrive40: 250 kW
Mercedes EQA 250+: 140 kW
Volvo C40 Single Motor Extended Range: 185 kW

0-100 km/h
Polestar 2 Long Range Single Motor: 6,2 Sek.
Tesla Model Y Max. Reichweite: 5,0 Sek.
BMW i4 eDrive40: 5,6 Sek.
Mercedes EQA 250+: 8,6 Sek.
Volvo C40 Single Motor Extended Range: 7,3 Sek.

Höchstgeschwindigkeit
Polestar 2 Long Range Single Motor: 205 km/h
Tesla Model Y Max. Reichweite: 217 km/h
BMW i4 eDrive40: 190 km/h
Mercedes EQA 250+: 160 km/h
Volvo C40 Single Motor Extended Range: 180 km/h

Stromverbrauch
Polestar 2 Long Range Single Motor: 14,8-15,8 kWh
Tesla Model Y Max. Reichweite: 16,9 kWh
BMW i4 eDrive40: 16,1-19,1 kWh
Mercedes EQA 250+: 15,3-16,7 kWh
Volvo C40 Single Motor Extended Range: 16,3 kWh

Reichweite max.
Polestar 2 Long Range Single Motor: 655 km
Tesla Model Y Max. Reichweite: 565 km
BMW i4 eDrive40: 589 km
Mercedes EQA 250+: 532 km
Volvo C40 Single Motor Extended Range: 582 km

Ladeleistung max.
Polestar 2 Long Range Single Motor: 205 kW
Tesla Model Y Max. Reichweite: 250 kW
BMW i4 eDrive40: 205 kW
Mercedes EQA 250+: 100 kW
Volvo C40 Single Motor Extended Range: 200 kW

Ladedauer DC
Polestar 2 Long Range Single Motor: 28 min (10-80%)
Tesla Model Y Max. Reichweite: k.A.
BMW i4 eDrive40: 31 min (10-80%)
Mercedes EQA 250+: 32 min (10-80%)
Volvo C40 Single Motor Extended Range: 28 min (10-80%)

Tesla Model Y

Das Tesla Model Y ist ein ernstzunehmender Konkurrent Zoom

Preis
Polestar 2 Long Range Single Motor: 54.475 Euro
Tesla Model Y Max. Reichweite: 48.547 Euro
BMW i4 eDrive40: 59.800 Euro
Mercedes EQA 250+: 52.205 Euro
Volvo C40 Single Motor Extended Range: 54.450 Euro

Die Fettungen in unserer Tabelle sprechen für sich: Bei der Reichweite fährt unser Polestar 2 Long Range Single Motor deutlich voraus. Auch der WLTP-Stromverbrauch ist niedrig und die Ladedauer kurz.

Doch das Tesla Model Y hat schon in der Long-Range-Version Allradantrieb und deutlich mehr Power - und ist dazu noch runde 6.000 Euro günstiger. Der BMW bietet ähnliche Fahrleistungen wie unser Polestar, hat aber weniger Reichweite und ist unfassbar teuer. Der Volvo ist schwächer motorisiert und hat trotz gleicher Batterie weniger Reichweite; preislich liegt er dennoch gleichauf mit dem Polestar. Mercedes schließlich hinkt mit seinem inzwischen schon recht angejahrten EQA hinterher.

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Fazit

Der Polestar 2 bietet viel Gutes. Vor allem ist die Bedienung schön einfach; Ingenieure und Designer haben viele Einstellungen und Knöpfe einfach weggelassen. Auch die Sprachbedienung, das Infotainmentsystem mit der vertrauten und guten Google-Maps-Navigation sowie den sehr schicken Google-Earth-Karten sind beeindruckend, genauso wie die Materialqualität innen.

Für die gefahrene Long-Range-Version mit Heckantrieb spricht vor allem die enorme Reichweite von 655 km. Damit kommt das Auto fast 100 km weiter als das Tesla Model Y Long Range. Allerdings ist der Preis auch runde 6.000 Euro höher als bei Tesla, und das Model Y LR hat dazu noch Allradantrieb und ist viel stärker ... Ob das durch die größere Langstreckentauglichkeit des Polestar aufgewogen wird, hängt vom Nutzungsprofil, den persönlichen Wünschen und finanziellen Gegebenheiten ab.

Technische Daten Polestar 2 Long Range Single Motor

Motor: Permanentmagnet-Synchronmaschine (PSM) hinten mit 220 kW
Max. Drehmoment: 490 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h: 6,2 Sek.
Höchstgeschwindigkeit: 205 km/h
Verbrauch: 14,8-15,8 kWh/100 km
Batterie: 82 kWh (vermutlich brutto)
Elektrische Reichweite: 655 km (WLTP)
Ladeanschluss: CCS2, bis 11 kW AC, bis 205 kW DC
Aufladezeit: 8h mit AC (0-100%), 28 min mit DC (10-80%)
Länge: 4.606 mm
Breite: 1.859 mm
Höhe: 1.479 mm
Kofferraumvolumen: 405-1.097 Liter plus 41 Liter Frunk
Basispreis: 54.475 Euro

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