RRA: Künftig Kontrolle durch die FIA?

In Brasilien muss die FOTA viele Fragen klären, zum Beispiel: Was ist mit dem Red-Bull-RRA-Vorschlag? Wer soll die Einhaltung des RRA künftig wie überwachen?

(Motorsport-Total.com) - Das Ressourcen-Restriktions-Abkommen (RRA), das für alle Mitglieder der Teamvereinigung FOTA (also nicht für den ausgetretenen HRT-Rennstall) verbindlich ist, sorgt weiterhin für Diskussionen. Eigentlich hätte am Sonntagmorgen in Abu Dhabi ein FOTA-Meeting zu diesem Thema stattfinden sollen, doch das musste verschoben werden.

Titel-Bild zur News: Graeme Lowdon, Vijay Mallya, Martin Whitmarsh, Peter Sauber und Adrian Newey

Nicht alle Teamchefs vertreten in Sachen RRA den gleichen Standpunkt

Als Begründung wurden zunächst "logistische" Schwierigkeiten angegeben, was prompt die Verschwörungstheoretiker auf den Plan rief. Es wurde gemunkelt, Red Bull habe mit einem absichtlich spät eingereichten Änderungsvorschlag für das RRA dafür gesorgt, dass das Meeting verschoben wurde, doch Tatsache ist, dass eine parallel angesetzte Vorstandssitzung des Mercedes-Teams ein Treffen aller wichtigen Entscheidungsträger unmöglich machte.

Meeting ohne Mercedes nicht möglich

"Du kannst so ein Meeting nicht ohne Mercedes halten", erklärt ein Teamchef gegenüber 'Motorsport-Total.com'. Also wird man sich nun am Sonntagmorgen in Brasilien zusammensetzen: "Das RRA ist ein sehr wichtiges Element für die Zukunft dieses Sports", sagt Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali. "Wir müssen sicherstellen, dass es effektiv funktioniert. Diese Woche werden wir uns auf das Meeting in Brasilien vorbereiten."

Zur Zerreißprobe für die FOTA wurde das RRA infolge einer Prüfung durch den Finanzdienstleister Capgemini, der sechs Teams unter die Lupe genommen hat. Dabei soll Red Bull nicht besonders auskunftsfreudig gewesen sein: "Capgemini hat Fragen gestellt", sagt ein Teamchef eines konkurrierenden Rennstalls. "Die meisten Teams hatten kein Problem damit, diese Informationen zugänglich zu machen, aber andere wollten das weniger. Das ist die derzeitige Diskussion."

¿pbvin|512|4249||0|1pb¿Gleichzeitig stellen aber alle Red-Bull-Kritiker, die sich bisher öffentlich geäußert haben, klar, dass es keine Beweise dafür gibt, dass Red Bull gegen die Vereinbarungen des RRA verstoßen hat. Doch um künftig eine solide sportrechtliche Grundlage zu haben, etwaige Verstöße gegen das RRA zu ahnden, könnte das RRA bald von der freiwilligen FOTA-Vereinbarung zur verbindlichen FIA-Regel werden. Auch darüber soll in Brasilien diskutiert werden.

"Vielleicht sollten wir die Rolle der FOTA überdenken und einige heikle Punkte wie diesen ausgliedern, zum Beispiel an die FIA", schlägt Eric Boullier, Vize-Vorsitzender der Teamvereinigung, vor. Das würde auch Interessenskonflikte verhindern, wie sie momentan ausgestanden werden müssen, und das Konfliktpotenzial innerhalb der FOTA-Mitglieder reduzieren. Schließlich ist eine starke FOTA für die Concorde-Agreement-Verhandlungen enorm wichtig.

RRA bald Teil des FIA-Reglements?

"Bis jetzt", sagt ein Teamchef, der anonym bleiben möchte, "sind die meisten Initiativen von den Teams gekommen, daher wollte sich die FIA nicht in diesen Prozess einmischen. (...) Aber ich halte es für wahrscheinlich, dass wir einzelne Teile oder sogar das komplette RRA ins Reglement übernehmen werden. Dann läge es nicht mehr im Verantwortungsbereich der Teams, darüber zu entscheiden, wie intensiv die Buchprüfung durchgeführt wird oder nicht."

Das wiederum würde die Paranoia innerhalb der FOTA reduzieren, denn Boullier gibt zu: "Wir haben ein Problem, das wir beheben müssen, nämlich das RRA." Die gegenseitigen Verdächtigungen hätten zu einer "schwierigen politischen Situation für die FOTA", geführt, räumt der Renault-Teamchef ein. Gleichzeitig ist er optimistisch für das Meeting in Brasilien: "Ich glaube, wir haben es fast geschafft. Zumindest gibt es jetzt Bewegung und es wird diskutiert."

Eric Boullier

Eric Boullier schlägt eine Ausgliederung unter die Supervision der FIA vor Zoom

"Dieses Wochenende konnten wir uns aus logistischen Gründen nicht treffen, weil Abu Dhabi für alle eines der stressigsten Rennen ist. Da ist es sehr kompliziert, dass sich alle Teamchefs zur gleichen Zeit für eine Stunde zusammensetzen", fährt er fort. "Die Angelegenheit ist aber so heikel, dass wir sie in einem privaten Raum besprechen müssen. Das werden wir woanders machen. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Leute verstehen, wie wichtig die FOTA als Gemeinschaft der Teams ist."

Marko zeigt sich wenig kompromissbereit

Ein besonders schwieriges Unterfangen wird jedoch, Red Bull zum Einlenken zu bewegen, denn Helmut Marko zeigt derzeit wenig Kompromissbereitschaft: "Dieses Abkommen ist total löchrig. Jeder kann die Regeln simpel umgehen. So werden wir das nicht unterschreiben", so der Red-Bull-Motorsportkonsulent gegenüber der 'Bild am Sonntag'. Allerdings unterstreicht er gegenüber 'Autosport': "Wir halten uns an die Vereinbarung."

Und weiter stellt Marko klar: "Wir haben Capgemini alle Daten gegeben, die wir ihnen geben mussten. Sie wollten sich aber weitere Bereiche anschauen, die nicht Teil der Vereinbarung waren, und das haben wir abgelehnt. Motor und KERS zählen separat. Und wie zählst du Leute, die am Getriebe und KERS für unseren Kunden Lotus arbeiten? Wer kann klar unterscheiden, ob Ferrari für die Serienproduktion oder für die Formel 1 arbeitet? Wie zählt man die 400 Motorenleute von Mercedes?"

¿pbvin|512|4251||0|1pb¿Aus genau diesen Gründen hat Red Bull wenige Tage vor dem Grand Prix von Abu Dhabi Änderungsvorschläge eingereicht. Dazu Ferrari-Teamchef Domenicali: "Wie bekannt ist, haben wir einen Antrag gestellt. Es gab auch einen Antrag von Red Bull. Ich habe es mir ehrlich gesagt noch nicht im Detail angesehen, weil ich es erst erhalten habe, als ich nach Abu Dhabi geflogen bin. In der kommenden Woche müssen wir darüber nachdenken."

Doch trotz aller Meinungsverschiedenheiten ist sich FOTA-Chef Martin Whitmarsh sicher, dass das Gerede über eine Zerreißprobe und ein mögliches Ende der Teamvereinigung "Säbelrasseln" war, denn: "Fangen wir von vorne an", argumentiert er im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Alle wollen, dass die Kosten in der Formel 1 kontrolliert werden. Und wenn man fragt, ob die FOTA sich um die richtigen Themen annimmt, dann würden auch alle zustimmen."

McLaren hat kein Problem mit Prüfungen

"Die Meinungsverschiedenheiten drehen sich um den Grad der externen Buchprüfung, den einige Teams akzeptieren", bestätigt er indirekt Markos Darstellung. "Wir bei McLaren sagen: Jeder kann kommen und jeden noch so verstaubten Gullydeckel öffnen, alles prüfen. Andere Teams haben ein Mutterunternehmen und sind Bestandteil eines größeren Konzerns. Also sagen sie, es ist Firmenpolitik, dass sie niemanden in ihre Bücher schauen lassen."

Whitmarsh verurteilt dies jedoch nicht automatisch: "Ich glaube, wir müssen diese Dinge verstehen und nicht einfach sagen: 'Ah, die betrügen doch!'" Sauber-Geschäftsführerin Monisha Kaltenborn ergänzt: "Das Wichtigste ist, über die fundamentalen Punkte zu diskutieren und herauszufinden, ob wir uns in denen einig sind oder nicht. Ich bin mir sicher, dass es irgendwie weitergehen wird, denn die Sache ist ein viel zu wichtiges Thema."

"Ich glaube, wir müssen diese Dinge verstehen und nicht einfach sagen: 'Ah, die betrügen doch!" Martin Whitmarsh

Am liebsten wäre ihr, das Thema RRA im Wesentlichen schon nach dem Brasilien-Meeting abhaken zu können und sich im Winter nur noch mit den Details und Formalien beschäftigen zu müssen: "Das ist das Ziel, auf das wir alle hinarbeiten", sagt sie. "Es hängt aber alles davon ab, worauf wir uns einigen. Wir können alle zustimmen, es können nur einige zustimmen. Vielleicht kommt eine dritte Partei an Bord. Im Moment ist das alles offen."