Neues Concorde-Agreement: Teams tricksen sich selbst aus

Warum das neue Concorde-Agreement, das kürzlich feierlich präsentiert wurde, eine Niederlage für die Teams darstellt, und wieso sie dafür selbst verantwortlich sind

(Motorsport-Total.com) - Bei der FIA-Weltratssitzung in Dubrovnik Ende September präsentierte Jean Todt voller Stolz das neue Concorde-Agreement. Das Tauziehen zwischen ihm und dem vom Inhaber der kommerziellen Rechte CVC Capital Partners eingesetzten Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone war damit beigelegt - die Formel 1 sollte nun nach fast einem Jahr im rechtsfreien Raum bis 2020 in eine neue Ära der Stabilität gehen.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone, Jean Todt

Ecclestone und Todt haben gut Lachen, die Teams schauen durch die Finger Zoom

Doch eine durchaus relevante Interessensgruppe wurde zunächst nicht einmal erwähnt: die Teams. Sie sind eigentlich ein integraler Bestandteil des Concorde-Agreements - jener Vertrag, der die Verteilung der Vermarktungseinnahmen der Formel 1 zwischen FIA, FOM und den Rennställen sowie die die Abläufe bei Reglement-Angelegenheiten regelt. Dementsprechend groß war die Überraschung in den Reihen der Rennställe, als der Durchbruch in Kroatien feierlich verkündet wurde.

Concorde-Agreement: Wo sind die Teams?

"Es wäre schön, wenn uns irgendjemand sagen könnte oder sagen würde, was da genau unterschrieben wurde", zeigte sich ein Teamchef verblüfft. Alle elf Teams bis auf Marussia haben zwar mit Ecclestone unterschiedliche kommerzielle Vereinbarungen, also quasi Absichtserklärungen für ein gesamtheitliches Concorde-Agreement, unterzeichnet, doch das schließt die Festlegung der Entscheidungsprozesse hinsichtlich Reglementfragen nicht ein. Dieser Bereich ist nach wie vor nicht endgültig geregelt.

Damit ist klar: das Concorde-Agreement, wie man es historisch gesehen kennt, ist nach wie vor nicht unter Dach und Fach. Was wurde also in Dubrovnik präsentiert? Nicht mehr als ein kommerzielles und regulatives Grundgerüst, das gewährleistet, dass die Formel 1 weiterhin den WM-Status der FIA besitzt und die Verwertungsrechte in Besitz von Ecclestones Formel-1-Gruppe stehen. Zudem durfte sich Todt zum Auftakt des FIA-Präsidentschafts-Wahlkampfes damit rühmen, dass die Einnahmen aus der Formel 1 für den Automobil-Weltverband deutlich ansteigen werden - in den kommenden acht Jahren sollen es über 140 Millionen Euro sein.

Mehr Einnahmen für Teams? Der Schein trügt...

Doch welche Rolle spielen nun die Teams? Sie drängen seit Jahren darauf, mehr Einfluss und eine größere Gewinnbeteiligung am Einnahmentopf zu erhalten, schließlich bezahlen sie Unsummen für die Entwicklung ihrer Boliden und bewerben den Sport. Auf den ersten Blick sieht es tatsächlich so aus, als hätten sie ihr Ziel erreicht: Beim alten Concorde-Agreement, das bis Ende 2012 galt, waren sie durchschnittlich zu etwas mehr als 50 Prozent an den Einnahmen beteiligt, jetzt sind es 62 Prozent.

Ein genauer Blick beweist aber, dass sich die Situation nur für die großen Teams - allen voran Ferrari - verbessern wird. Die Scuderia hat traditionell den besten Deal mit Ecclestone, auch Red Bull, McLaren und Mercedes verfügen über Sonderverträge und damit über bessere Konditionen mit dem Formel-1-Boss - ein Bonus für die Loyalität bei den Verhandlungen.

Die Armen werden ärmer, die Reichen reicher

"Die Teams haben sich entschieden, einzeln zu verhandeln, und es dadurch selbst verbockt." Tony Fernandes

Dadurch hat sich erneut gezeigt, dass die Teams zu zerstritten und zu egoistisch sind, um sich als Interessensgruppe zu formieren und für alle Beteiligten bessere Bedingungen herauszuschinden. Was vor allem den kleinen Teams gehörig gegen den Strich geht. Caterham-Eigentümer Tony Fernandes fand zuletzt klare Worte, sparte aber auch nicht mit Selbstkritik.

"In der Premier League geht die Schere der Einnahmenbeteiligung zwischen dem Ersten und dem Letzten nicht so weit auseinander", verglich er die Formel 1 mit der englischen Fußball-Topliga. "Aber die Teams haben sich entschieden, einzeln zu verhandeln statt gemeinsam als FOTA aufzutreten und eine nachhaltige Win-win-Situation für alle auszuhandeln. Wir haben es selbst verbockt, so einfach ist das."

Reglement-Mitsprache: Teameinfluss sinkt

Dieses Bild lässt sich auch auf die Neuordnung der Entscheidungsprozesse in der Formel 1 übertragen, wo die Teams in Zukunft einen schwereren Stand haben werden. Bislang wurden Reglementänderungen von der Sportlichen und der Technischen Arbeitsgruppe, beide bestehend aus Teamverantwortlichen, entworfen und mit 70-Prozent-Mehrheit abgesegnet, an die Formel-1-Kommision weitergeleitet und schließlich vom Motorsport-Weltrat der FIA - ebenfalls mit 70-Prozent-Mehrheit ratifiziert.

Das neue System sieht vor, dass die Sportliche und die Technische Arbeitsgruppe nur noch in beratender Funktion tätig sind und ihre Vorschläge an das neue Strategiekomitee abgeben, das nun für den Entwurf zuständig ist und darüber abstimmt. Stimmberechtigt sind die 18 Mitglieder, bestehend aus sechs Teams (Ferrari, Red Bull, McLaren, Mercedes, Williams und das beste verbleibende Team in der Konstrukteurs-WM) sechs FIA- und sechs FOM-Berechtigten.

Strategiekomitee: FIA und FOM können Teams überstimmen

"Wenn in dieser Konstellation FIA und FOM die gleichen Interessen haben, dann können sie so gut wie alles durchwinken." Sam Michael

Diese Konstellation bringt das Dilemma der Teams auf den Punkt - ihr Einfluss ist im Vergleich zu früher deutlich reduziert, zudem haben sie bereits mehrfach demonstriert, dass Einigkeit für sie ein Fremdwort ist. Solange die Teams als dritte Partei das Concorde-Agreement nicht unterschrieben haben, reicht im Strategiekomitee eine einfache Mehrheit - dadurch können FIA und FOM die sechs Teams gemeinsam locker überstimmen.

McLarens Sportdirektor Sam Michael ist die Lage bewusst: "Wenn in dieser Konstellation FIA und FOM die gleichen Interessen haben, dann können sie so gut wie alles durchwinken." Für die kleinen Teams ist die Lage sogar noch prekärer - sie haben überhaupt kein Mitspracherecht mehr, können bestenfalls Ideen in den Arbeitsgruppen kundtun.

Kleine Teams kommen komplett unter die Räder

"Die kleinen Teams haben definitiv nicht mehr so viel Mitspracherecht wie früher." Andy Stevenson

"Wir haben jetzt strategisch gesehen nicht mehr die Stimme, die wir früher hatten, aber hoffentlich bringen wir die Leute dazu, mit dem gesunden Menschenverstand die richtigen Entscheidungen zu treffen", übt sich Caterhams Teammanager Graham Watson in Diplomatie.

Bei Force Indias Andy Stevenson ist der Frust deutlich größer: "Für mich hat sich da einiges geändert. Ich finde, dass der aktuelle Ablauf nicht so gut ist wie früher, und die kleinen Teams haben definitiv nicht mehr so viel Mitspracherecht wie früher."