Kostenspirale: Teams gestehen Schuld ein

Tony Fernandes kann das Gejammer einiger Kollegen nicht mehr hören und spricht Klartext: "Wir haben es selbst verbockt, so einfach ist das"

(Motorsport-Total.com) - Es steht schlecht um einige Formel-1-Teams, seit Ende des vergangenen Jahrzehnts die Wirtschaftskrise zugeschlagen hat. Marussia musste gerade einen Schuldenberg von umgerechnet 166 Millionen Euro auf die Anteilseigner umschichten, um die Bilanz künstlich zu säubern, und mindestens zwei bis drei weitere Teams stehen finanziell ebenfalls am Abgrund. Doch daran sind die Teams teilweise selbst schuld.

Titel-Bild zur News: Tony Fernandes

Tony Fernandes findet, dass sich die Teams eine Teilschuld selbst zuzuschreiben haben Zoom

Für die aktuelle Zuspitzung der Finanzkrise in der Königsklasse sind mehrere Faktoren verantwortlich: Erstens der Rückzug der Hersteller, die in ihre Werksteams große Summen investiert haben. Zweitens ist die Sponsorenakquise in den vergangenen Jahren deutlich schwieriger geworden. Drittens ist es nicht gelungen, Bernie Ecclestone in den Concorde-Verhandlungen die erhofften Zugeständnisse abzuringen. Und viertens kommt 2014 der sündteure neue Turbomotor.

Letzterer schlägt mit schlappen 18 Millionen Euro pro Saison zu Buche, was für Kundenteams wie Sauber, Marussia & Co., die bisher nur die Hälfte bezahlt haben, eine enorme Herausforderung darstellt. Aber die Teams haben sich selbst das Leben schwer gemacht, als sie die Teamvereinigung FOTA zersplittern ließen, anstatt mit Ecclestone gemeinsame Concorde-Rahmenbedingungen auszuhandeln, und stattdessen individuelle Deals unterschrieben.

Ecclestones Strategie: "Divide et impera"

"Divide et impera" ("Teile und herrsche") lautet seit Jahren das Erfolgsrezept von Ecclestone, mit dem er es regelmäßig schafft, die Teams weiterhin im Würgegriff zu halten. Die Vorgehensweise ist ebenso bewährt wie bekannt: Zunächst sind sich die Teams darüber einig, dass sie kollektiv mehr Geld wollen. Doch dann bietet Ecclestone den für ihn wichtigsten Teams (diesmal Ferrari und Red Bull) Sonderkonditionen an und zerbröckelt damit die breite Front gegen sich.

Für die Deals mit den Teams bis Ende 2020 musste der Brite nur ein paar neue Zugeständnisse machen, um Ferrari, Red Bull, McLaren und Mercedes an Bord zu bekommen - und alle anderen ließen sich dann mehr oder weniger auf die gleiche Verteilung der Formel-1-Einnahmen wie bisher ein. Aber langsam beginnt den Teams zu dämmern, dass sie eben diese Concorde-Verhandlungen wieder einmal selbst verbockt haben.

"Wir haben es selbst verbockt, so einfach ist das." Tony Fernandes

"In der Premier League", verweist Caterham-Eigentümer Tony Fernandes auf den britischen Fußball, in dem er ebenfalls engagiert ist, "geht die Schere der Einnahmenbeteiligung zwischen dem Ersten und dem Letzten nicht so weit auseinander. Aber die Teams haben sich entschieden, einzeln zu verhandeln statt gemeinsam als FOTA aufzutreten und eine nachhaltige Win-win-Situation für alle auszuhandeln. Wir haben es selbst verbockt, so einfach ist das."

Kosten werden immer höher statt niedriger

"Als ich in die Formel 1 gekommen bin, haben mir alle gesagt, dass die Kosten sinken werden, aber es hat noch kein Jahr gegeben, in dem sie nicht noch weiter gestiegen sind", kritisiert der Geschäftsmann. "Nächstes Jahr wird es noch teurer. Da läuft doch etwas schief! Es liegt auch nicht nur am Motor, finde ich, sondern die Teams haben sich eine Gelegenheit durch die Lappen gehen lassen. Die Eigennützigkeit hat die Gesamtinteressen des Sports in den Hintergrund gedrängt."

Denn ab dem Zeitpunkt, als Ecclestone mit Ferrari, Red Bull und McLaren seine wichtigsten Player bis 2020 gebunden hatte, konnte er mit allen anderen nach Belieben Katz und Maus spielen. Mercedes musste schon das ganze politische Gewicht des Daimler-Konzerns in die Waagschale werfen, um ebenfalls einen ordentlichen Deal zu bekommen, aber als die kleineren Teams anklopften, konnte Ecclestone sagen: Ihr müsst nach meinen Regeln spielen, denn ich brauche euch nicht!

"Nächstes Jahr wird es noch teurer. Da läuft doch etwas schief!" Tony Fernandes

Hier hätten sich die Kleinen von Ferrari & Co. mehr Unterstützung gewünscht: "Seitens der Topteams ist ein gewisses Ausmaß an Gier vorhanden. Sie müssen, finde ich, einen Teil der Verantwortung für die Situation übernehmen", meint Robert Fernley, stellvertretender Teamchef von Force India, relativiert aber gleichzeitig: "Das ist nichts Neues, so ist es halt in der Formel 1. Du musst da draußen schon selbst dafür sorgen, dass es dir gut geht."

Kaltenborn appelliert an die großen Teams

Monisha Kaltenborn stimmt grundsätzlich zu: "Wir verstehen, dass die großen Teams die großen Marken haben, ihre eigenen Marken, die wichtig für die Einnahmen der Formel 1 sind", erklärt die Sauber-Teamchefin gegenüber 'Formula1.com'. "Aber meiner Meinung nach geht es nicht ohne die anderen Teams. Es ist ein Geben und Nehmen - und das erfordert eine andere Verteilung." Sie betont aber, dass keineswegs alle genau gleich viel Geld erhalten sollten.

Wenn man es schon nicht geschafft hat, Ecclestone mehr Geld aus der Tasche zu ziehen, könnte man sich wenigstens auf ein verbindliches und von der FIA überwachtes Ressourcen-Restriktions-Abkommen (RRA) einigen. Aber auch das ist den Teams nicht gelungen: "Die Teams haben demonstriert, das sie nicht dazu in der Lage sind, sich auf Kostenkontrolle zu einigen", kritisiert Fernley. "Daher sollte die FIA einfach eine Formel festlegen und einführen."

Robert Fernley

Robert Fernley übt recht harsche Kritik, dass sich die Teams nicht einig werden Zoom

Franz Tost stört noch etwas anderes: "Die Teams sind dämlich genug, sich zu entscheiden, wieder während der Saison zu testen", kritisiert er die für 2014 geplante Lockerung des Testverbots, das aus Kostengründen eingeführt wurde. "Das ist totale Geldverschwendung, denn wir werden acht Testtage haben, und jedes Mal, wenn das Auto auf die Strecke geht, kostet das Geld." Überflüssige Ausgaben, wie er findet, "aber die Teams wollen es so".

Tost verwundert über einige seiner Kollegen

"Einerseits beschweren sie sich, dass sie kein Geld haben, aber andererseits schmeißen sie es zum Fenster raus", wundert sich der österreichische Toro-Rosso-Teamchef. "Ich tue mich schwer dabei, das zu verstehen, aber wir wurden in dieser Frage überstimmt. Wir waren gegen die Rückkehr der Tests. Und wer will die Tests? Die reichen Teams, wie immer." Vor allem Ferrari hatte sich dafür seit einiger Zeit stark gemacht.

"Wir müssen etwas tun, bevor ein Dominoeffekt eintritt", warnt FOTA-Boss und McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh. "Normalerweise arbeiten wir in Krisen immer besser zusammen. Hoffentlich arbeiten die Teams auch mal gut zusammen, wenn es keine Krise gibt." Große Hoffnungen setzt er in das neue Strategiekomitee, er befürchtet aber: "Die Strategiegruppe wird von den großen Teams dominiert, die keinen großen kommerziellen Druck haben."

Strategiekomitee auch nicht der Stein der Weisen

Die Interessen der kleinen Teams werden also möglicherweise wieder kein Gehör finden, aber: "In dem Komitee können wir wenigstens äußern, was wir wollen", sagt Lotus-Teamchef Eric Boullier. "Das ist ein erster Schritt hin zu einer nachhaltigen Formel 1. Das Wichtigste ist aber, dass alle Teams zusammenhalten, was uns offensichtlich sehr schwer fällt. Und dann müssen wir uns mit Bernie und der FIA zusammensetzen und sicherstellen, dass die Regeln stabil bleiben."

Denn Regeländerungen sind ein teurer Spaß, wie sich am Beispiel der 2014er-Turbomotoren zeigt. Aber auch eine Budgetobergrenze wäre eine Maßnahme, die sich immer mehr Brancheninsider vorstellen können: "Die FIA muss in Zukunft mehr einschreiten und die kleinen Teams retten", so Formel-1-Experte Marc Surer gegenüber 'Sky.de'. "Bisher haben die Teams so viel Geld ausgegeben, wie sie wollen, und die FIA hat sich nicht bereiterklärt, diese Obergrenze zu kontrollieren."

Bernie Ecclestone und Matteo Bonciani

Bernie Ecclestone ist es wieder gelungen, einen Keil zwischen die Teams zu treiben Zoom

Bekanntlich war vor der Saison 2010 angedacht, pro Team und Saison maximale Ausgaben von weniger als 50 Millionen Euro zu erlauben. "Neuen Teams wie Marussia oder Caterham, die zuletzt hinzugestoßen sind, wurde damals noch von Max Mosley versprochen, dass es eine Budgetdeckelung geben wird. Dazu kam es jedoch nie wirklich, denn getroffene Regelungen in diese Richtung wurden nie kontrolliert", erinnert sich Surer.