• 26.09.2008 13:26

  • von Stefan Ziegler

Jörg Müller im exklusiven Interview: "Eine harte Nummer"

BMW Pilot Jörg Müller im ausführlichen exklusiven Interview über das Rennwochenende in Imola, die Lage im BMW Lager und den Ausblick auf Monza

(Motorsport-Total.com) - Keine Chance in Imola: BMW hatte auf der Rennstrecke nahe Bologna so seine liebe Not mit der Konkurrenz und konnte weder im Qualifying noch im Rennen so richtig mithalten. Einzig Jörg Müller vermochte im zweiten Lauf groß aufzugeigen - allerdings auch nur, nachdem er in Durchgang eins P8 belegt und sich somit die Pole-Position für Lauf eins gesichert hatte. Im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com' sprach Müller über seine Eindrücke aus Imola sowie die Lage in der Weltmeisterschaft.

Titel-Bild zur News: Jörg Müller

Jörg Müller freute sich in Imola diebisch über seinen zweiten Platz im zweiten Lauf

Frage: "Jörg, BMW war an diesem Wochenende nicht gerade in Bestform. Trotzdem hast du im zweiten Rennen P2 belegt. Wie würdest du das einordnen?"
Jörg Müller: "Naja, was heißt, 'nicht gerade in Bestform'? Wir waren alle mit ziemlich viel Zusatzgewicht unterwegs. Das Problem auf dieser Strecke war aber vielmehr, dass es einige Stellen gibt, wo es nach einer kurve ziemlich steil bergauf geht. Da ist das Drehmoment vom Motor gefragt und dabei ist der Diesel ganz klar im Vorteil."#w1#

Kritische Imola-Bilanz

"Honda war an diesem Wochenende sehr, sehr leicht und Chevrolet hatte auch nicht so viel Gewicht an Bord wie wir. Dass es also nicht so einfach für uns werden würde, war uns im Prinzip von vorneherein klar. Das Qualifying hat ja schon verdeutlicht, dass wir hinter den anderen drei Marken zurücklagen. Deshalb bin ich sehr froh über den zweiten Platz in Lauf zwei. Das sind acht Punkte und die kann mir keiner mehr nehmen."

Frage: "Würdest du dieses 'Tief' als streckenspezifisch bezeichnen?"
Müller: "Mit Sicherheit, ja. Ich glaube kaum, dass wir in diesem Jahr vom Reglement bevorteilt sind. Die FIA legt uns meiner Meinung nach in diesem Jahr die Siege nun wahrlich nicht in den Schoß. Von daher: Neun Punkte - mehr war hier nicht drin."

"Neun Punkte - mehr war hier nicht drin." Jörg Müller

Frage: "Du liegst in der WM-Wertung wieder knapp hinter Andy Priaulx..."
Müller: "...aber ist es wirklich gut, ganz knapp hinter einem Andy Priaulx zu liegen? Ich liege ganz weit hinter einem Yvan Muller. Das Ziel von uns BMW Piloten ist ja schließlich, um die Meisterschaft zu kämpfen und nicht, BMW interne Fights auszutragen."

WM-Situation spitzt sich langsam zu

Frage: "Für dich scheint der Zug für die Meisterschaft aber beinahe abgefahren zu sein, oder?"
Müller: "Das sehe ich eigentlich auch so. Ich weiß gar nicht genau, wie viele Punkte ich zurückliege - jedenfalls über 20. Sollte ich beim nächsten Rennen reichlich Punkte machen und der Führende nicht, dann wäre ich ja theoretisch wieder dran. Aber praktisch ist das eigentlich nicht mehr möglich. Es gibt in dieser Saison noch 60 Punkte."

"Wenn man aber ehrlich ist, dann kann man in den noch ausstehenden drei Veranstaltungen so einen Vorsprung einfach nicht mehr aufholen. Zumindest nicht mit einer solchen Performance, wie wir sie aktuell an den Tag legen. Man sieht ja, wie eng wir beieinander liegen - in der Quali waren Andy, Augusto (Augusto Farfus; Anm. d. Red.) und ich nur ein Zehntel auseinander."

"Selbst die etwas leichteren Privat BMW sind dann schon da, das Auto ist wirklich sehr am Limit. Ich sehe nicht, dass wir mit diesem Wagen jetzt noch einen großen Sprung machen und dann doch noch um die Meisterschaft fahren können. Nichtsdestotrotz wünsche ich es mir und werde auch dafür kämpfen - sonst bräuchte ich ja keine Autorennen zu fahren. Es wird schon sehr, sehr schwierig werden."

Frage: "Du hast das Limit des Wagens angesprochen. Darf man damit rechnen, dass es in absehbarer Zukunft ein größeres Update oder vielleicht sogar ein neues Auto geben wird?"
Müller: "Dafür bin ich wahrscheinlich nicht der richtige Ansprechpartner."

BMW 320si ein Auslaufmodell?

Frage: "Anders gefragt: Die Privatiers waren sehr stark. Inwiefern kann man das Privatauto mit dem Werkswagen vergleichen?"
Müller: "Das ist genau dasselbe. Wenn du dir jetzt ein Auto oder auch ein Kit bei BMW kaufst, dann legst du dafür etwa 200.000 Euro auf den Tisch - den genauen Preis kenne ich aber nicht. Dann baust du es zusammen und brauchst noch ein Team, das den Wagen vernünftig abstimmt - dann hast du ein Auto, das sich mit unserem messen kann."

"Wir testen viel, wodurch wir den anderen auch etwas voraus haben. Es gibt da natürlich auch einige Tricks, wo wir hie und da noch an einigen Dingen feilen und unterm Strich besser dastehen als die Privatiers. Die fahren das Auto nun auch schon drei Jahre lang, da lernt man selbstverständlich eine Menge dazu."

"Es gibt da natürlich auch einige Tricks." Jörg Müller

"Aber mittlerweile sind wir mit dem Wagen einfach an einem Limit, wo selbst der beste Ingenieur mit den besten Mechanikern nicht mehr herausholen kann. Das Testen ist in letzter Zeit auch wirklich zäh. Du kommst mit einem tollen Auto an die Strecke und verlässt den Kurs oft mit demselben Setup. Man kommt einfach nicht mehr wirklich weiter. Wir bleiben aber am Ball und arbeiten hart daran - auch wenn es schwer fällt."

Kein Glück beim Heimrennen

Frage: "Was erwartet BMW im 'Autodromo di Monza'?"
Müller: "Schwierig zu sagen. Im Augenblick sieht man recht deutlich, dass die Meisterschaft sehr viel mit den Gewichten zu tun hat. Die FIA hat den Ballast ja nicht umsonst eingeführt. In den vergangenen drei Jahren war es doch immer toll, dass der Meister immer erst nach dem letzten Rennen feststand. Das ist ja auch für die Zuschauer sehr interessant."

"Für uns Fahrer ist es hingegen nicht so prickelnd, als 'Belohnung' mehr Gewicht zu bekommen. Das ist eine harte Nummer, macht andererseits die Meisterschaft auch wieder interessant. Ich hoffe natürlich, dass die Meisterschaft auch 2008 erst im letzten Lauf entschieden wird - hoffentlich ist BMW dann noch im Rennen."

Frage: "Was denkst du rückblickend über dein Heimrennen in Oschersleben?"
Müller: "Das hat mich eigentlich verwundert. Dabei hatte ich einen sensationellen Start und lag nach Runde eins schon auf Rang sechs. Es gab eine Berührung, die aber gar nicht so extrem hart war - so etwas gibt es bei unseren Rennen schon einmal. Doch dabei ist mir der vordere Dämpfer gebrochen. Beim Start bin ich allerdings ziemlich heftig über die Kerbs geräubert, danach hat der Dämpfer sicherlich schon eine Schramme weg gehabt."

"Durch die Berührung ist er dann wahrscheinlich komplett gebrochen. Das war sehr schade, denn das war ja mein Heimrennen und da will man ja schon ein bisschen Leistung zeigen. Gleichwohl muss ich sagen, dass ich dort ja der schwerste BMW war - es wäre also ohnehin keine leichte Aufgabe für mich geworden."

Neues Imola-Layout kommt an

Frage: "Wie gefällt dir die umgebaute Rennstrecke von Imola?"
Müller: "Um Welten besser! Das sollte man in Oschersleben auch unbedingt machen. In Imola hat man diese Schikane ja auch irgendwann einmal eingebaut und es hat niemandem gefallen. In Oschersleben sollte man deshalb die Schikane ebenfalls entfernen. So hat die Strecke wieder Fluss und der alte Charakter ist wiederhergestellt."

Frage: "Der Umbau fand nach den tödlichen Unfällen von Ayrton Senna und Roland Ratzenberger statt..."
Müller: "Das stimmt, wobei auch im hinteren Streckenteil einige Schikanen dazugesetzt wurden. Die sind aber auch vollkommen in Ordnung. Aber das Ding, was sie da vor Start und Ziel reingesetzt haben... das ist im Prinzip genauso wie in Oschersleben: Ein Garant für einen Unfall."

"Wie in Oschersleben: Ein Garant für einen Unfall." Jörg Müller

Frage: "Was sind deine Pläne für die kommenden Tage und Wochen? Stehen wieder Testfahrten an?"
Müller: "Ja. Es gibt außerdem ja noch ein anderes Projekt von BMW, denn wir testen nochmals mit dem M3 für Amerika. Vor Monza werden wir aber auf alle Fälle noch einmal Testfahrten absolvieren. Monza ist zudem eine Strecke, wo man viel Windschatten fahren muss - das heißt, wir werden über diese Geschichte noch einmal konkret nachdenken. Dann bin ich wohl in Monza wieder einmal der schwerste BMW - das man das immer erwähnen muss, finde ich eigentlich traurig! Aber so ist das nun einmal, auch wenn es dich etwas niederhaut. Schauen wir einfach mal, was ich da machen kann."