Spritfluss-Limit in der WSBK 2025: Hersteller sehen "gigantisches Problem"
Die Regeln für die Superbike-WM 2025 bescheren einigen Werken Kopfzerbrechen: Wird Ducati am stärksten zurückgeworfen oder bleibt die Balance erhalten?
(Motorsport-Total.com) - Bereits mit dem Start der WSBK-Saison 2024 war klar, dass ab 2025 ein Spritfluss-Limit eingeführt wird. In der abgelaufenen Saison mussten die Hersteller ihre Motorräder mit Spritfluss-Messgeräten ausrüsten, um erste Erfahrungswerte zu sammeln.
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Der maximale Spritfluss der Superbikes wird ab 2025 limitiert Zoom
Basierend auf den erhaltenen Informationen definierten die Verantwortlichen das Limit von 47 kg pro Stunde, das ab dem ersten Rennwochenende der Superbike-WM 2025 in Kraft tritt (mehr Informationen zu den Regeln für 2025).
Wir haben uns bereits im Laufe der Saison 2024 bei Ducati, BMW und Yamaha erkundigt und hinterfragt, welche Auswirkungen erwartet werden. Es stellt sich die Frage, ob das Spritfluss-Limit alle Hersteller in Sachen Spitzenleistung ähnlich weit zurückwirft oder ob die leistungsstarken Motoren von Ducati, BMW und Honda mehr PS verlieren als die eher konservativen Triebwerke von Yamaha und Kawasaki/Bimota.
Ducati erwartet "erhebliche Reduzierung der Performance"
Bei Ducati deutete man bereits nach der Verkündung der Regelneuerung an, dass es Probleme geben wird. Marco Zambenedetti, der Technikkoordinator im Ducati-WSBK-Projekt, zeigt aber auch Verständnis für die neue Regel. "Im kommenden Jahr werden alle Hersteller motiviert, effizientere Motoren zu entwickeln. Das entspricht der Philosophie der Dorna und FIM. Die Performance soll reduziert werden", so der Italiener im Exklusiv-Interview mit Motorsport-Total.com.
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Marco Zambenedetti freut sich auf die neue Herausforderung Zoom
"In der Saison 2024 sammelten die FIM und die Dorna bei allen Motorrädern Daten. Damit erfuhren sie, wie groß der Verbrauch ist. Es wird ein maximaler Spritfluss definiert, der die maximale Leistung begrenzt", erklärt der Ducati-Ingenieur das Konzept. "Die Herausforderung besteht darin, die bereitgestellte Spritmenge bestmöglich zu nutzen."
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Der Spritfluss wird durch Messgeräte der Firma Allengra kontrolliert Zoom
Zambenedetti erwartet eine "erhebliche Reduzierung der Performance". Er sieht Ducati auf Grund des Motorkonzepts der Panigale V4R im Nachteil. "Wie immer bei neuen Regeln wirkt sich das alles auf einige stärker aus und auf andere weniger. Der Ducati-Motor erreicht im Vergleich zu den anderen höhere Drehzahlen", erkennt der Ducati-Ingenieur.
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Die Ducati Panigale V4R erreicht eine Maximal-Drehzahl von mehr als 16.000 U/min Zoom
"Deshalb werden wir sicher stärker betroffen sein als die anderen Hersteller. Doch wir bei Ducati stellen uns gern neuen Herausforderungen", bemerkt der Ducati-Verantwortliche, der sich seit vielen Monaten mit dem Thema Spritfluss beschäftigt hat.
Spritfluss-Limit auch für BMW ein "gigantisches Problem"
In Sachen Motorleistung konnte BMW in den vergangenen Jahren aufholen. War die von 2019 bis 2020 eingesetzte S1000RR tendenziell im Nachteil, so kam BMW mit den M-Modellen Schritt für Schritt näher an die Ducati Panigale V4R heran und führte teilweise die Topspeed-Wertungen an.
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Wie viel Leistung wird die BMW M1000RR im Vergleich zu 2024 verlieren? Zoom
Demzufolge dürfte das Spritfluss-Limit auch die BMW stark zurückwerfen, denn hohe Spitzenleistungen und Topspeeds gehen normalerweise mit einem hohen Spritfluss einher.
Im September erkundigten wir uns bei BMW und fragten Technikdirektor Chris Gonschor, ob das neue Spritfluss-Limit für Kopfzerbrechen sorgt. "Es ist ein gigantisches Problem", ließ Gonschor bereits im Rahmen des WSBK-Events in Magny-Cours durchblicken. Damals hatten die Hersteller bereits ein Fenster für die zu erwartenden Limits erhalten und konnten sich besser vorbereiten
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BMW-Technikdirektor Chris Gonschor beschäftigt sich schon seit Monaten mit dem Thema Spritfluss Zoom
Gonschor war sich noch nicht ganz sicher, welches Ziel man mit dem Spritfluss-Limit verfolgt. "Will man Kräfteverhältnisse verschieben? Dann wäre es eher eine Balance of Power. Wenn man ein eher ökologisches Ziel verfolgt, dann geht es um eine allgemeine Reduzierung des Spritverbrauchs. Ein weiteres Ziel könnte die Verlangsamung der Rundenzeiten im Vergleich zu anderen Meisterschaften sein", war sich der BMW-Ingenieur zu Beginn unsicher.
Bei den MSMA-Sitzungen tauschten sich die Hersteller immer wieder aus und suchten nach Lösungen, wie man zusammenfindet. "Wenn man die Rundenzeiten verlangsamen möchte, dann ist es der richtige Weg, über den Sprit flächendeckend jedem Hersteller gewisse Hausaufgaben zu geben", bemerkt Gonschor.
Wird das Spritfluss-Limit für Yamaha zum großen Joker?
Vergleicht man die fünf Motoren in der Superbike-WM, dann wird schnell klar, dass Yamaha und Kawasaki vergleichsweise konservative Ansätze verfolgen. Die Basis des R1-Motors geht auf 2016 zurück. Könnte das neue Spritfluss-Limit dabei helfen, den Rückstand bei der Spitzenleistung zu verringern?
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Verhilft die neue Regel Yamaha dabei, zurück an die Spitze zu finden? Zoom
Yamaha-Projektleiter Andrea Dosoli sieht die Maßnahme als Werkzeug an, um alle Motorräder langsamer zu machen. "Aktuell kann ich nicht einschätzen, welche Hersteller stärker betroffen sind. Ich bin aber überzeugt, dass alle Motorräder verlangsamt werden", erklärt der Italiener auf Nachfrage von Motorsport-Total.com.
Ducati sollte mit dem Hochdrehzahl-V4-Motor am meisten leiden, oder nicht? "Aus technischer Sicht sollte es so sein, doch man darf es nicht als ein Werkzeug ansehen, mit dem die Performance ausbalanciert wird. Es ist ein Werkzeug, um alle Motorräder langsamer zu machen", kommentiert der Yamaha-Manager.
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Andrea Dosoli sieht in der neuen Limitierung auch eine große Chance für die Superbike-WM Zoom
"Es entwickelt sich dahin, die Motorräder in der MotoGP langsamer zu machen. Das wird sich in Zukunft auch auf die Superbike-WM auswirken", rechtfertigt Dosoli die neue Regeln und zeigt Verständnis. "Die Dorna, die FIM und die MSMA sind daran interessiert, möglichst viele konkurrenzfähige Hersteller im Feld zu haben", bemerkt er in diesem Zusammenhang.
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Von den Spritfluss-Messgeräten gibt es zwei Versionen, auch eine Montage im Tank ist möglich Zoom
"Die Ingenieure erhalten jetzt ein zusätzliches Betätigungsfeld, indem sie sich stärker mit der Effizienz der Motoren befassen müssen. Es geht also auch um die Nachhaltigkeit. Wir müssen die bestmögliche Performance aus dem vorhandenen Kraftstoff herausholen. Das ist eine neue Herausforderung für die Ingenieure. Es handelt sich nicht um Greenwashing, es ist eine echte technische Herausforderung", stellt Dosoli klar.
Welche Chance sich bietet, wenn die Motorräder langsamer werden
Zudem sieht der Yamaha-Manager eine große Chance, wenn die Motorräder nicht mehr so hohe Topspeeds erreichen wie bisher. "Die Dorna würde gern neue Strecken erkunden, doch für einige davon sind diese Motorräder zu leistungsstark", erklärt er.
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Brands Hatch zog früher Massen an Zuschauern an: Kehrt die Kultstrecke eines Tages zurück? Zoom
"Brands Hatch und Suzuka sind großartige Rennstrecken, auf denen wir riesige Zuschauermengen begrüßen würden, doch wir können auf diesen Strecken nicht fahren, weil die Motorräder zu schnell sind", nennt Dosoli ein Problem, das mit langsameren Bikes gelöst werden könnte.
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Aktuelle Serien-Superbikes, wie die Ducati Panigale V4S, sind nur wenige Sekunden langsamer als die WSBK-Bikes Zoom
Sollte man die Superbike-WM aber deutlich verlangsamen, dann entstehen dadurch neue Probleme. Die aktuellen Serien-Superbikes sind in Sachen Performance derart weit entwickelt, dass sie schlussendlich schneller sein könnten als die deutliche teureren WSBK-Versionen.
Zudem besteht die Gefahr, dass nationale Serien schnellere Rundenzeiten erreichen als die Superbike-WM. Dieses Szenario gilt es zu vermeiden, um das Prestige der WM zu erhalten.
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