Kawasaki gewinnt mit Alex Lowes: Momentaufnahme oder Normalzustand?

Alex Lowes führt die Fahrerwertung in der Superbike-WM an: Hat Kawasaki zu alter Stärke gefunden oder waren die Siege in Australien eine Ausnahme?

(Motorsport-Total.com) - Nach dem Verlust von Rekord-Champion Jonathan Rea herrschte große Ungewissheit, wie erfolgreich Kawasaki in der Superbike-WM 2024 sein kann. Beim Saisonauftakt auf Phillip Island präsentierte sich der japanische Hersteller in überraschend starker Form. Werkspilot Alex Lowes gewann in Australien zwei der drei Rennen und schob sich damit in der Fahrerwertung an die Spitze.

Titel-Bild zur News: Alex Lowes

Kawasaki-Pilot Alex Lowes feierte beim Saisonauftakt zwei Siege Zoom

Vor dem Europaauftakt in Barcelona gingen wir der Frage nach, ob Kawasakis Siege auf Grund der besonderen Umstände auf Phillip Island eine Ausnahme waren oder ob die ehemaligen Serien-Weltmeister im Winter zu alter Stärke fanden.

"Es ist ein schönes Geschenk", bemerkt Kawasaki-Teammanger Guim Roda beim Treffen mit Motorsport-Total.com im Fahrerlager von Barcelona und fügt hinzu: "Im Winter konnten wir bei der Entwicklung des Motorrads einige Schritte machen."

"Wir waren uns aber nicht sicher, wie wir uns im Vergleich zu den anderen Herstellern verbessert haben und wie sich die neuen Regeln auswirken", gesteht der Kawasaki-Verantwortliche, der die Umstände in Australien zu einem Teil verantwortlich macht: "Die Bedingungen spielten uns in die Karten. Es war nicht so warm. Bei hohen Temperaturen haben wir zu kämpfen. Alex leistete tolle Arbeit. Es lief wirklich perfekt!"

Siege für Alex Lowes eine Erleichterung, aber keine Überraschung

Für Alex Lowes, der als Teamkollege von Jonathan Rea einige herausfordernde Jahre erlebte, waren die Siege ein Befreiungsschlag. Seit Februar 2020 konnte Lowes kein WSBK-Rennen gewinnen. Doch wirklich überrascht war der Brite nicht.

"Wenn man die Ergebnisse anschaut, dann sieht es aus, als hätten wir 2023 eine schlechte Saison gehabt. Doch meine Zuversicht war immer vorhanden", stellt Lowes im Gespräch mit Motorsport-Total.com klar.

"Ich hatte auch im vergangenen Jahr keine Zweifel. Klar, Jonathan und ich hatten zu Beginn der WSBK-Saison 2023 einige Probleme mit dem Motorrad. Dann kam noch eine Verletzung im August dazu. Ich verletzte mir das Knie, obwohl ich keinen Unfall hatte. Das Knie musste operiert werden. Ich verpasste einige Rennen. Doch wenn ich fuhr, dann war ich auch schnell", gibt sich Lowes selbstbewusst.

Alex Lowes

Alex Lowes konnte nach einigen Rückschlägen wieder jubeln Zoom

"Ich qualifizierte mich in Jerez vor Jonathan und stand in Portimao mit ihm in der ersten Reihe", hebt der Brite hervor, der im Winter bei Kawasaki die Rolle des Teamleaders übernahm und dieser in Australien absolut gerecht wurde. "Es war eine große Erleichterung, wieder ein Rennen gewonnen zu haben. Der Kurs war gut für uns, der Belag kam uns entgegen", erklärt Lowes, der sich seine Reifen besser einteilte als die anderen Fahrer.

Kawasaki steht ohne Jonathan Rea nicht so stark unter Druck

Durch den Wechsel von Jonathan Rea zu Yamaha änderte sich die Erwartungshaltung. "Früher oder später endet die Zusammenarbeit zwischen einem Fahrer und einem Team", ist sich Guim Roda bewusst.

"Wir stehen nicht mehr so stark unter Druck, gewinnen zu müssen", nennt er einen Vorteil. "Mit einem Fahrer wie Jonathan wird es zur Pflicht, zu gewinnen. Der Druck ist sehr hoch und es ist nicht einfach. Wir haben diesbezüglich einen Schritt zurück gemacht."

Jonathan Rea

Jonathan Rea wechselte im Winter zu Yamaha und erlebte keinen guten Saisonstart Zoom

Warum Kawasaki beim WSBK-Auftakt plötzlich so stark war

Da Kawasaki der ZX-10RR kein Update verpasste, musste sich das Team auf die Freiheiten des neuen Reglements konzentrieren, um das Motorrad konkurrenzfähiger zu machen. Kawasaki erhielt 500 U/min mehr Drehzahl und konnte auf Grund der neuen Regeln die Motorinnereien anpassen.

"Wir haben die Kurbelwelle erleichtert", verrät Guim Roda. "Das erlauben uns die neuen Regeln. Es wirkt sich positiv beim Bremsen aus und auch die Beschleunigung sowie das Kurvenverhalten sind besser."

Was sagt Lowes zum 2024er-Motor? "Ich spüre ehrlich gesagt keinen großen Unterschied", gesteht der WM-Führende, der gespannt ist, wie schnell die Kawasaki in Barcelona ist: "In den Rennen hier werden wir sehen, ob es einen Unterschied gibt."

Guim Roda

Guim Roda erlebte einen erfolgreichen Übergang in die Nach-Rea-Ära Zoom

"Wenn ich hier in Barcelona eine Ducati aus dem Windschatten überholen kann, dann sind wir im Rennen. Ich hoffe es! Niemand wäre glücklicher als ich, wenn wir hier auf den Geraden überholen können", bemerkt der Brite.

Welche Rolle die Reifenmischungen von Pirelli spielen

Dass die 2024er-Kawasaki ein großer Fortschritt ist im Vergleich zum Vorjahres-Bike, kann Lowes noch nicht bestätigen. Der WSBK-Routinier vermutet, dass die in Australien verwendeten Reifenmischungen für den Aufschwung verantwortlich sind. Im Vergleich zu anderen WSBK-Wochenenden kamen auf Phillip Island deutlich härtere Reifenmischungen zum Einsatz.

"Ich würde gern behaupten, dass das Motorrad besser ist und wir gut gearbeitet haben. Doch die Realität ist, dass ich mir nicht sicher bin", erklärt Lowes. "In Australien mussten alle den SC1-Hinterreifen verwenden. Dieser Reifen kommt auf keiner anderen Strecke zum Einsatz. Mit härteren Reifen kommen wir besser zurecht."

Pirelli

Die Kawasaki reagiert sensibel auf die Reifenmischung Zoom

"Wir können diese Reifen besser nutzen als die anderen. In den vergangenen Jahren wurden die Reifen immer weicher. Das arbeitet gegen die Stärken der Kawasaki. Die beiden ersten Europa-Wochenenden werden Auskunft geben, ob wir tatsächlich schneller sind als im Vorjahr", bemerkt Lowes, der sich keinen Illusionen hingeben möchte.

Warum kann sich Kawasaki nicht an die weichen Reifen anpassen?

Aber warum sind weiche Vorderreifen ein so großes Problem für die Kawasaki? Kann Kawasaki das Motorrad nicht anders abstimmen, um die weichen Reifen besser zu nutzen? "Die Frage hört sich einfacher an, als es in der Realität der Fall ist", kommentiert Lowes.

"Unser Motorrad hat einige große Stärken. Wenn wir Grip haben, dann können wir diese ausspielen. Mit dem Hinterreifen haben wir kein Problem", erklärt Lowes und präzisiert: "Aber die Art und Weise, wie wir den Vorderreifen nutzen, bereitet uns Probleme. Oft waren wir die einzigen Fahrer, die den SC2-Vorderreifen verwendet haben."

Alex Lowes

Härtere Vorderreifen harmonieren besser mit der Kawasaki ZX-10RR Zoom

"Es ist schwierig, wenn die anderen sich Vorteile verschaffen können, indem sie die weichen Reifen richtig nutzen. Wir versuchen, die weichen Vorderreifen besser zu nutzen. Im Winter haben wir zusammen mit Showa daran gearbeitet und neue Gabeln probiert", schildert Lowes und deutet Fortschritte an.

Was sich Alex Lowes für den Rest der WSBK-Saison 2024 vornimmt

Offen ist, ob Lowes seine WM-Führung in Barcelona verteidigen kann. Hat er seine Zielsetzung für die WSBK 2024 nach dem erfolgreichen Auftakt in Australien angepasst? "Ich habe mich darüber mit meinem Mentaltrainer unterhalten. In Australien hatten wir ein tolles Wochenende, doch hier müssen wir wieder bei Null beginnen und herausfinden, ob wir Chancen haben oder nicht", erklärt er.

"Ich wäre happy, wenn ich ein konstant gutes Jahr habe, gute Rennen wie in Australien zeige, so oft wie möglich ums Podium kämpfen kann und bei einem der kommenden Rennen in Europa gewinnen kann. Das wäre ein Traum! Doch wir müssen es abwarten", bremst er die Erwartungen.

Alex Lowes

Alex Lowes will die Australien-Erfolge nicht überbewerten Zoom

"Wir dürfen nicht vergessen, dass Jonathan zwei Jahre lang kein Trockenrennen in Europa gewinnen konnte", bemerkt Lowes. "Es ist nicht einfach mit unserem Motorrad. Es müssen viele Dinge stimmen. Wir müssen realistisch bleiben."

Alvaro Bautista ist für Alex Lowes weiterhin der Favorit

Und wer ist laut Lowes aktuell der Favorit? "Bautista", ist sich Lowes sicher. "Ich denke, er hat sehr gute Chancen, hier die Rennen zu gewinnen. Man darf sich von den Rundenzeiten beim Test nicht täuschen lassen."

Der Start ins Barcelona-Wochenende verlief für Kawasaki mit Blick auf die Reihenfolge im FT1 durchwachsen (zum FT1-Bericht). WM-Leader Alex Lowes lag über eine Sekunde zurück und landete auf P14. Teamkollege Axel Bassani war eine Zehntelsekunde schneller und wurde auf P13 gelistet. Da das Reifen-Management in Barcelona aber wichtiger ist als das Tempo auf eine schnelle Runde, sind die Rundenzeiten mit Vorsicht zu genießen.

Alvaro Bautista

Alvaro Bautista konnte in Australien kein Rennen gewinnen Zoom

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