Winglets: Haben die Hersteller ihre Karten bereits aufgedeckt?

Yamaha und Ducati testeten in Sepang verschiedene Aerodynamik-Pakete: Ducati-Pilot Andrea Dovizioso ist überzeugt, dass weitere Änderungen folgen

(Motorsport-Total.com) - Das Reglement für die MotoGP-Saison 2017 sieht vor, dass die 2015 und 2016 eingesetzten Winglets nicht mehr verwendet werden dürfen. Im Absatz 2.4.4.7 des aktuellen Regelwerks steht geschrieben: "Vorrichtungen oder Formen, die von der Verkleidung abstehen und angeströmt werden (wie Winglets, Finnen, Ausbuchtungen, etc.) und einen aerodynamischen Effekt haben, sind nicht erlaubt." Die Hersteller mussten also im Winter kreativ werden, um den verlorenen Anpressdruck zu kompensieren. Yamaha und Ducati präsentierten beim Test in Sepang interessante Lösungen.

Titel-Bild zur News: Valentino Rossi

Die Yamaha M1 baut mit dem 2017er-Aerodynamik-Paket sehr breit Zoom

Yamaha hatte gleich zwei Testpiloten nach Malaysia gebracht, um möglichst viele Informationen zu sammeln. Und auch Ducati war mit Casey Stoner und Michele Pirro gut aufgestellt, um erste Erfahrungen mit dem 2017er-Aerodynamikpaket zu sammeln. Yamaha-Pilot Valentino Rossi war bereits vor dem Test bewusst, dass Sepang nicht die ideale Strecke ist, um an der Aerodynamik zu arbeiten: "In Sepang haben Winglets keine besonders große Wirkung. Man spürt es eher auf langsamen Strecken", bemerkt der Italiener.

"Ohne Winglets ist es in den Beschleunigungszonen etwas schwieriger, weil das Motorrad stärker zu Wheelies neigt. Das ist der größte Unterschied, doch er ist nicht besonders groß", berichtet Rossi, der auf den Geraden ohne Winglets keine Probleme hatte. Die Yamaha M1 wirkte ohne das Flügelwerk nicht nervöser als mit Winglets: "Diesbezüglich hatten wir nie Probleme. Wir verwendeten die Winglets nur, um die Wheelieneigung zu verringern."

Ducati passt das Setup der Desmosedici an

Anders bei Ducati: "Das Vorderrad verliert etwas Bodenkontakt. Es ist aktuell aber nicht unser größtes Problem. Man merkt aber, dass das Motorrad auf den Geraden ein bisschen nervöser ist", schildert Jorge Lorenzo. Und auch für Testpilot Stoner war das Rückrüsten bei der Aerodynamik spürbar: "Der größte Unterschied ist, dass wir keine Winglets mehr verwenden. Wir benötigen noch etwas Zeit, um das Motorrad richtig auszubalancieren, weil sie Abtrieb erzeugten und die Charakteristik der Maschine veränderten. Wir erkannten positive Aspekte, aber auch negative."

Casey Stoner, Jorge Lorenzo, Andrea Dovizioso

Casey Stoner testete die Ducati mit innenliegenden Aerodynamik-Kanälen Zoom

"Das Motorrad neigt stärker zu Wheelies und ist bei hohen Geschwindigkeiten instabiler", vergleicht Stoner. "Der Unterschied ist aber nicht groß. Man muss das Motorrad im Kurvenscheitel anders fahren. Ich bezweifle, dass wir unser Potenzial bereits voll ausgeschöpft haben. Wir haben die Federraten angepasst, um den verlorenen Anpressdruck zu kompensieren. Wir fahren nun weichere Federn."

Honda hält sich beim Thema Aerodynamik zurück

Honda wurde von den Änderungen offensichtlich am wenigsten getroffen. "Wenn man mich nicht darauf angesprochen hätte, dann wäre es mir gar nicht aufgefallen", kommentiert LCR-Pilot Cal Crutchlow. "Unser Motorrad fordert den Fahrer sehr stark. Ich bin überzeugt, dass sich die Fahrer anderer Fabrikate mehr beschweren, denn unser Motorrad neigte schon immer stärker zu Wheelies."

"Die Aerodynamik war in der Vergangenheit nie besonders entscheidend im Motorradsport", betont HRC-Teammanager Livio Suppo. "Ducati war 2003 der erste Hersteller, der einen Aerodynamik-Experten aus der Formel 1 verpflichtete. Im vergangenen Jahr folgten alle anderen Hersteller den Weg der Winglets. Doch wir fuhren jahrelang ohne Winglets und ich sehe keine Probleme."


Fotostrecke: Technische Details des Sepang-Tests

In Katar zeigen die Hersteller ihre finalen Verkleidungen

In der bevorstehenden Saison dürfen Honda, Yamaha, Ducati, Suzuki und Aprilia nur ein Aerodynamik-Update bringen. Lediglich Neueinsteiger KTM darf unbegrenzt oft Änderungen vornehmen. Deshalb müssen sich die Ingenieure der etablierten Hersteller gut überlegen, welche Spezifikation sie beim Saisonstart in Katar homologieren lassen. Die Verkleidungen werden auf den jeweiligen Fahrer homologiert. Es müssen also nicht zwingend identische Verkleidungen in einem Team verwendet werden.

Valentino Rossi

Vizeweltmeister Valentino Rossi mag die neue Yamaha-Verkleidung Zoom

Yamaha und Ducati deuteten bereits beim ersten Vorsaisontest an, in welche Richtung es 2017 gehen könnte. Die Ingenieure entwickelten innenliegende Flügelprofile, die Luft neben dem Kühler ansaugen und an der Seite herausleiten. Der Abtrieb dürfte deutlich geringer sein als mit den bisher verwendeten Winglets. Die ersten Reaktionen waren aber positiv.

"Sie meinten, ich darf nicht über die Verkleidung sprechen. Aber ehrlich gesagt finde ich, dass sie sehr schön aussieht. Ich mag sie", berichtet Yamaha-Werkspilot Rossi, der die neue Verkleidung auch beim nächsten Test auf Phillip Island (Australien) fahren möchte, auch wenn der durch die innenliegenden Luftkanäle generierte Abtrieb sehr gering ausfällt: "Es macht keinen großen Unterschied aus, sieht aber schöner aus. Wir werden sie weiter verwenden und noch einmal testen." Teamkollege Maverick Vinales hielt sich an das Verbot von Yamaha und äußerte sich nicht zur neuen Verkleidung.

Maverick Vinales

Maverick Vinales: "Ich testete die Verkleidung, kann aber nichts dazu sagen" Zoom

Durch die Luftkanäle baut Yamahas neue Verkleidung noch breiter als bisher. Während Honda und Ducati vergleichsweise schmale V4-Motoren verwenden, setzt Yamaha traditionell auf einen breit bauenden Reihenvierzylindermotor. Das Reglement sieht vor, dass die Verkleidung nicht breiter sein darf als 600 Millimeter. Das Heck darf mit Ausnahme der Auspuffanlage lediglich 450 Millimeter breit sein. MotoGP-Technikdirektor Danny Aldridge bestätigte aber bereits, dass Yamahas Verkleidung dem Reglement entspricht.

Dovizioso erwartet weitere Entwicklungen

Und was meint die Konkurrenz zu Yamahas neuer Kreation? "Ich weiß es nicht, ich habe einige Bilder gesehen", grübelt Ex-Yamaha-Pilot Jorge Lorenzo. "Ich kann nicht sagen, ob sie davon einen Vorteil haben. Wir fahren ohne Winglets. Warten wir ab, was die Zukunft bringt."

Ducati-Teamkollege Andrea Dovizioso geht nicht davon aus, dass man in Sepang bereits die finalen Verkleidungen sehen konnte: "Sicher versuchen alle die Aerodynamik zu entwickeln. Alle werden etwas ändern, aber ich weiß nicht ob zu Beginn oder während der Saison. Es ist nicht für alle klar, was die beste Richtung ist. Man muss das noch besser verstehen", so der Italiener.