MotoGP-Reihenmotoren vor dem Aus: Welche Vorteile das V4-Konzept bietet

Mit Yamahas angekündigtem Wechsel zum V4-Motor droht dem Reihenmotor das Aus in der MotoGP: Experte Simon Crafar nennt die Gründe für den V-Motor

(Motorsport-Total.com) - Zu Beginn der MotoGP-Viertaktära sah man einen bunten Mix an unterschiedlichen Motorkonzepten. In den ersten Jahren war die Vielfalt groß: Es gab V5-Motoren (Honda RC211V), V4-Motoren (Suzuki GSV-R, Ducati Desmosedici, Proton-KTM), Reihen-Vierzylinder (Yamaha M1, Kawasaki ZX-RR) und Reihen-Dreizylinder (Aprilia RS Cube).

Titel-Bild zur News: Yamaha M1 Aero-Update

MotoGP 2025: Die beiden Yamaha M1 sind die einzigen Bikes mit Reihenmotor Zoom

Aktuell sieht man hauptsächlich V4-Motoren, was auch auf das Reglement zurückzuführen ist, das weniger Freiheiten bei der Zylinderanzahl gestattet als zu Beginn der MotoGP-Viertaktära. Ducati, Honda, KTM und Aprilia greifen auf V4-Motoren zurück.

Lediglich Yamaha blieb dem Reihenmotor treu und setzt auch in der MotoGP 2025 auf dieses Konzept. Es könnte allerdings die finale Saison eines Reihenvierzylinders sein, denn hinter den Kulissen wird bereits der neue Yamaha-V4 entwickelt.

Was für und gegen das V4-Konzept in der MotoGP spricht

Aber warum hat sich Yamaha dazu entschieden, das seit 2002 verwendete Reihenmotor-Konzept zu begraben? Die Spitzenleistung ist nicht das Problem, meint MotoGP-Experte Simon Crafar. Der 55-jährige Neuseeländer erkennt andere Gründe.

Simon Crafar

Ex-Grand-Prix-Pilot Simon Crafar nennt Vorteile und Nachteile des V-Motors Zoom

"Wenn es um die reine Leistung geht, dann steht ein Reihenmotor in nichts nach", erklärt Crafar bei MotoGP.com. "Ein V-Motor hat zudem den Nachteil, dass die Länge der Krümmer nicht bei jedem Zylinder identisch ist. Das Ziel ist es aber, gleich lange Auspuffrohre bei jedem Zylinder zu haben. Auch die Hitze der hinteren Zylinderbank ist bei einem V-Motor ein Problem. Es gibt also einige Nachteile beim V-Motor."

Doch die Liste der Vorteile ist länger als die der Nachteile. Bei einem V-Motor ist eine bessere Aerodynamik möglich, da das Motorrad nicht so breit baut. "Der große Unterschied ist, wie schmal ein V4-Motor gebaut werden kann. Er ist deutlich schmaler als ein Reihenmotor, da man nur die Breite von zwei Zylindern hat", nennt Crafar einen offensichtlichen Vorteil des V4-Konzepts.

Ducati Desmosedici

Die seitlichen Verkleidungen wurden immer komplexer Zoom

Eine schmalere Silhouette ist beim aktuellen Aero-Wettrüsten ein massiver Vorteil, da die Ingenieure deutlich mehr Möglichkeiten erhalten, zusätzliche Luftführungen an der Seite der Verkleidung unterzubringen. Aber auch die niedrigere Bauhöhe eines V-Motors begünstigt die Luftführung.

"Bei einem V-Motor kann man die Airbox und die Einspritzung niedriger positionieren. Dadurch kann der Fahrer niedriger positioniert werden und auch die Verkleidungsscheibe ist niedriger", erklärt Crafar. "Das Motorrad ist also nicht nur schmaler sondern auch flacher. Es muss also deutlich weniger Luft verdrängt werden, was die Beschleunigung und den Topspeed verbessert."

Fabio Quartararo

Nicht optimal: Die Yamaha M1 ist vergleichsweise breit und hoch Zoom

Im Austausch mit den Ingenieuren der Hersteller hat Crafar zudem erfahren, dass das V-Konzept mehr Freiheiten beim Design des Fahrgestells bietet. "Fabio (Quartararo) beschwerte sich regelmäßig, wie schwerfällig sich das Motorrad verhält. Ich sah in Mugello, wie erschöpft Alex (Rins) und Fabio waren. Dort gibt es sehr viele Zweite-Gang-Schikanen."

Einheitsbrei statt Vielfalt: Der V4-Motor setzt sich durch

Wenn Yamaha den Wechsel vom Reihen-Vierzylinder zum V4 vollzogen hat, dann besteht das komplette MotoGP-Feld aus V4-Motoren. Für Yamaha endet eine Ära, die zu Beginn der Viertaktära im Jahr 2002 begann.

Der Reihenmotor sollte auch Yamahas supersportliche Serienmodelle prägen. In der R1 kam von Beginn an ein Reihen-Vierzylinder zum Einsatz, der vor etwa 15 Jahren die in der MotoGP entwickelte Big-Bang-Zündfolge erbte.


Fotostrecke: Geschichte der YZR-M1: Alle MotoGP-Bikes von Yamaha seit 2002

Ducati, Honda und KTM setzten in der MotoGP von Beginn an auf V-Motoren. Suzuki verwendete von 2002 bis 2011 einen V-Motor und wechselte bei der Rückkehr in der Saison 2015 zum Reihenmotor. Zu dieser Zeit war die Yamaha M1 die Orientierung.

Umgedrehte Entwicklung: Suzuki wechselte vom V-Motor zum Reihenmotor Zoom

Spannend ist die Entwicklung bei Aprilia. Die Italiener setzten zu Beginn der MotoGP-Viertaktära die aus technischer Sicht sehr interessante RS Cube ein, die von einem Dreizylinder-Reihenmotor angetrieben wurde, der in Zusammenarbeit mit Cosworth entstand. Damals war die Aprilia das leistungsstärkste Motorrad im Feld, doch bei der Fahrbarkeit gab es auf Grund des aggressiven Motors große Defizite.

Aprilia RS3 Cube

Aprilia RS Cube: Viel Hightech, aber schwer zu bändigen Zoom

Das Motorrad wurde im Dezember 2001 vorgestellt und kam von 2002 bis 2004 zum Einsatz. Die Erfolge der Dreizylinder-Aprilia waren überschaubar, doch viele Technologien waren ihrer Zeit voraus, wie der pneumatische Ventiltrieb, das Ride-by-Wire-System und die Traktionskontrolle.

Bei der Rückkehr in die MotoGP in der Saison 2015 setzte Aprilia einen V4-Motor ein, der vom Serien-Superbike RSV4 abgeleitet war. Später wechselte man zu einem speziell für die MotoGP entwickelten Motor mit einem Zylinderwinkel von 90° und machte große Fortschritte.