MotoGP-Fahrer kritisieren: Auslegung von Strafen und fehlende Konstanz

Die MotoGP-Fahrer kritisieren die Rennkommissare und fordern konstante Entscheidungen - Strafen bei Berührungen sind mittlerweile im Hinterkopf

(Motorsport-Total.com) - Beim MotoGP-Wochenende in Jerez wurde die Strafauslegung der drei FIM-Rennkommissare wieder zu einem vieldiskutierten Thema. Yamaha war zum Beispiel mit den Long-Lap-Strafen für Franco Morbidelli und Fabio Quartararo nicht einverstanden.

Titel-Bild zur News: Francesco Bagnaia, Brad Binder

Brad Binder wollte für eine riskante Attacke in der Zielkurve keine Strafe riskieren Zoom

Und auch über andere Entscheidungen wurde diskutiert. So musste Francesco Bagnaia (Ducati) im Rennen eine Position abgeben, nachdem es in der Pedrosa-Kurve zu einer seitlichen Berührung mit Jack Miller (KTM) gekommen war.

"Ich möchte nicht zu viel über diese Strafe sprechen", merkt Bagnaia an. "Ich akzeptiere sie. Aber in Zukunft möchte ich jedes Mal diese Strafe sehen, wenn so etwas passiert. Wir haben schon so viele Berührungen und viel aggressivere Manöver gesehen."

"Es sollte immer die gleiche Strafe geben, denn sonst ist es nicht fair", findet der Weltmeister klare Worte. Seine Meinung vertritt auch Jorge Martin. Der Pramac-Fahrer wurde in Jerez in der Lorenzo-Kurve mit einem aggressiven Manöver von Miller überholt.

Martin musste im letzten Moment aufmachen, um eine Kollision zu verhindern. "Wenn sie 'Pecco' bestrafen, dann hätten sie auch Jack bestrafen müssen, weil ich durch sein Manöver drei Positionen verloren habe", meint Martin.

"Oder umgekehrt hätten sie beides nicht bestrafen dürfen. Sie müssen es besser machen und immer gleich machen. Es darf nicht vom Fahrer abhängen", findet Martin. "Sie entscheiden nicht konstant." Miller betont ebenfalls die Konstanz der Entscheidungsfindung.

Zur Bagnaia-Strafe sagt Miller: "Wenn sie dafür eine Strafe vergeben wollen, dann sollen sie es tun. Die Sache ist, es muss konstant sein. Dann müssen auch die Leute um Platz 15 für so etwas Strafen bekommen, und nicht nur die Leute in der Spitzengruppe."

Vinales fordert Strafen für unnötig aggressive Manöver

Denn eine weitere Kritik an den Rennkommissaren Freddie Spencer, Andres Somolinos und Tamara Matko lautet, dass sie nur dorthin sehen, worauf die TV-Kameras gerichtet sind. Sprich, dass Zwischenfälle im Mittelfeld "übersehen" werden.

"Ich finde, dass die Kommissare härter sein müssen", meint Maverick Vinales. "Ich habe Alex Marquez in der letzten Kurve überholt, und er ist sehr schmutzig zurückgekommen. Es war nicht das erste Mal mit Alex. In Portimao hat er mir den Sprint ruiniert."

Maverick Vinales

Maverick Vinales will unnötig aggressive Manöver bestraft sehen Zoom

"Er hat mich neben die Strecke gedrückt, was mich fünf Plätze gekostet hat." Dafür gab es keine Strafe für Alex Marquez. "In Jerez habe ich ihn überholt, er hat mich zurück überholt, aber so, dass er mich rausgedrückt hat", ärgert sich Vinales. "Das ist kein normales Überholmanöver."

"Deshalb denke ich, dass wir bei den Strafen direkter sein müssen. Beim nächsten Mal werde ich das auch so machen [wie er]. Ich steche hinein und wir werden sehen, was passiert. Aber das ist nicht die Lösung. Wir müssen uns alle gegenseitig respektieren."

"Es gibt Leute, die dich überholen und es so aussieht, dass sie dich neben die Strecke schicken wollen. Sie überholen dich von weit hinten, bremsen dich komplett nieder und fahren dann vor dir eine halbe Sekunde langsamer."

"Alex hat [in der Kurve] ohne Grund Gas gegeben und mich am Arm berührt. Ich wäre dabei fast gestürzt", ärgert sich Vinales. Auch dafür gab es keine Strafe, obwohl es den Anschein hat, dass die Rennkommissare für Berührungen immer Strafen aussprechen.

Attacke in letzter Kurve: Risiko einer Strafe bei Berührung

Die Rennpromoter in Jerez haben mit den legendären Überholmanövern in der letzten Runde Werbung gemacht. Brad Binder war in der letzten Runde am Hinterrad von Bagnaia, aber der KTM-Fahrer riskierte nicht mit der Brechstange ein Rossi/Gibernau-Manöver.

"Wenn man heute jemanden in der letzten Kurve berührt, dann könnte es auch sein, dass man mehr als nur eine Position wieder abgeben muss. Heute ist es nicht mehr Racing wie früher", findet Binder. "Man erhält Strafen, wenn man einen Fehler macht und dabei jemanden berührt."

Sete Gibernau, Valentino Rossi

Ein Manöver wie Rossi gegen Gibernau in Jerez 2005 würde heute bestraft werden Zoom

"Das nimmt etwas den Spaß. Macht es aber sicherer." Hat Binder vor der letzten Kurve in Jerez an mögliche Strafen nachgedacht? "Definitiv. Ich hatte das Gefühl, dass ich knapp dran wäre, aber das war ich nicht."

Er hätte es maximal mit einem riskanten Manöver probieren können. "Vielleicht hätte es funktioniert, aber die Chance bestand, dass es zu einer Berührung kommt. Die Realität ist, wenn man jemanden berührt, dann gibt es irgendeine Strafe."

"Man muss das im Hinterkopf behalten", sagt Binder über die aktuelle MotoGP. "Selbst wenn es die letzte Kurve in der letzten Runde ist, ändert das nichts. Auf der einen Seite wird es sicherer und kann auch ein Vorteil sein - je nachdem, wo man ist."

Denn der Vordermann hat einen Vorteil, wenn der Hintermann ein riskantes Manöver startet, wofür es anschließend eine Strafe gibt. Theoretisch hat die Strafauslegung der Rennkommissare einen eventuell möglichen Angriff von Binder in der letzten Kurve im Keim erstickt.

Fahrer freuen sich auf Aussprache mit Spencer

Beim Grand Prix von Frankreich werden sich die Rennkommissare erstmals mit den Fahrern an einen Tisch setzen und sprechen. Ex-Weltmeister Spencer ist seit Anfang 2019 der Vorsitzende der Rennkommissare. Bisher hat er sich nie mit den Fahrern darüber unterhalten.

"Glücklicherweise", betont Martin, "gibt es in Le Mans ein Meeting, nachdem wir seit zwei oder drei Jahren darum kämpfen. Sie müssen es besser machen, denn so macht ihre Arbeit keinen Sinn." Dieses Treffen wird von den Fahrern sehr begrüßt, denn sie wollen Klarheit.

Freddie Spencer

In Le Mans gibt es ein Meeting mit den Fahrern und den Rennkommissaren Zoom

"Wir sprechen [in der Sicherheitskommission] zwar oft über sie, aber sie sind nie da", sagt Bagnaia. "Wir werden sie fragen, warum sie bestimmte Entscheidungen treffen. Wir sehen keine Konstanz. Es geht darum zu verstehen, wie sie etwas beurteilen."

Dabei wollen die Fahrer verschiedene Themen zur Sprache bringen. Alex Marquez wünscht sich, dass die Rennkommissare "diese Motorräder etwas besser verstehen". Denn Spencer ist bislang kein modernes MotoGP-Bike gefahren.

Miller fand es zum Beispiel nicht richtig, dass in Jerez Quartararo am Neustart teilnehmen durfte, weil sich gleichzeitig Miguel Oliveira (RNF-Aprilia) nach dem Startunfall im Medical Center befunden hat: "Darüber werde ich mit ihnen sprechen, weil das war für mich nicht korrekt."

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